OB-Wahl 2019: Nachgefragt bei Dr. Bernd Wiegand

5. Oktober 2019 | Nachrichten, Politik | Keine Kommentare

1. Wie stellen Sie sich Halle in 20 Jahren vor? Welche Zukunft hat die Stadt in Sachsen-Anhalt? Haben Sie eine Vision? In welche Richtung soll es nach Ihren Vorstellungen gehen (sozial, kulturell, finanziell)?

Dr. Bernd Wiegand: Halle ist eine dynamische, junge Stadt, was sich in steigenden Einwohnerzahlen, starker Kulturszene, großer Immobiliennachfrage und den Ansiedlungen von Unternehmen und Forschungseinrichtungen widerspiegelt. Diese Entwicklung möchte ich weiter vorantreiben, unter stärkerer Berücksichtigung von Klimaschutz und Digitalisierung. Die Stadt Halle und die Stadt Leipzig werden in der Metropolregion Mitteldeutschland weiter zusammenwachsen, in enger Zusammenarbeit mit dem Saalekreis.

2. Halle muß massiv Schulden abbauen. Wenn nicht mehr Einnahmen generiert werden können, muß gespart werden. Welches sind die Felder, in denen Sie Sparpotential sehen.

BW: Für die künftige Entwicklung unserer Stadt ist zunächst die Entscheidung des „ob“ zum Liquiditätskonzept wichtig und anschließend die Frage, wie wir den Haushalt entschulden. Zudem gibt es aktuell eine intensive Diskussion um die Entschuldung auf Bundesebene. Daran geknüpft ist der städtische Haushalt 2020, der bis zum Ende des Jahres verabschiedet werden muss, um die Planungssicherheit für Vereine und freie Träger zu gewährleisten und Fördermittel von Land, Bund und EU zu generieren.

3. Durch Kriege und Klimakatastrophen und die weitere Ausbeutung unseres Planeten wird es weltweit mehr Flüchtlinge geben. Ist Halle dem gewachsen? Wie wollen Sie in Zukunft damit umgehen?

BW: Die Stadt Halle hat die Aufnahme von Geflüchteten in beachtenswerter Weise bewältigt: Allein in den vergangenen vier Jahren haben wir etwa 7.000 Menschen bei uns aufgenommen. Wir haben als Stadt auch strukturell reagiert und mit dem Dienstleistungszentrum Integration ein integrativ wirkendes Instrument geschaffen. Hinzu kommt unser Netzwerk für Migration und Integration: Allein in diesem Netzwerk engagieren sich etwa 200 Personen aus fast 100 Vereinen, Verbänden, Wirtschaftsunternehmen und der Stadtverwaltung. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch der städtische Einsatz zur Sprachförderung. Hier übernehmen wir eine Aufgabe, die eigentlich das Land übernehmen müsste, es aber leider nur in unzureichendem Maße tut: Seit Anfang 2017 stellen wir darum für die halleschen Schulen Fördermittel bereit, damit Kinder mit Migrationshintergrund und Sprachförderbedarf im Unterricht Fuß fassen können. Seitdem haben wir für rund 650 Kinder insgesamt 1,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dieses Engagement der Stadt ist wichtig und bleibt bestehen.

4. Welche Rolle spielt für Sie die Kultur, wenn man davon ausgeht, daß ein Volk ohne Kultur ein barbarisches Volk wird?

BW: Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft – das ist der Dreiklang, der die Stadt Halle auszeichnet. Ein reichhaltiges kulturelles Angebot zieht Wirtschaft und Wissenschaft an. Dazu zählt die Hochkultur der Stadt genauso wie die freie Szene.

5. Auf welche Weise können Konflikte gelöst werden, die mit der Migration entstehen? Oder Konflikte wie am August-Bebel-Platz zwischen Einwohnern und Jugendlichen, die sich hier ihren eigenen Jugendtreff geschaffen haben. Also wie würden Sie als Stadtoberhaupt mit Konflikten umgehen?

BW: Bislang sind wir mit direkten Gesprächen vor Ort am besten gefahren. Ob bei Anwohnerversammlungen, Lesungen oder Konzerten – wir haben in der Stadt auf unterschiedliche Weise die Themen Zusammenleben, Interkulturalität und Weltoffenheit aufgegriffen. Eine sehr gute Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, bietet jedes Jahr auch die Interkulturelle Woche, die in unserer Stadt stattfindet.

6. Wird der HFC in den nächsten Jahren in die Bundesliga aufsteigen?

BW: Der HFC ist mit dem aktuellen Kader für die Gegner nur schwer auszurechnen. Das ist ein Plus gegenüber der letzten Saison. Es gibt also eine gute Chance, weiter oben mitzuspielen.

7. Der Amazonas-Wald brennt, ebenso die Arktis, die Gletscher schmelzen, der Permafrostboden taut – spielt das für die Kommunalpolitik der Stadt irgend eine Rolle? Wenn ja, welche?

BW: Eine zunehmend wichtigere. Darauf haben wir als Stadt reagiert: Die Stadt hat ein Klimaschutzkonzept erarbeitet, das in Kürze in den Stadtrat eingebracht wird. Ich habe unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Bewegung „Fridays for Future“ eingeladen, in der Lenkungsgruppe des neuen Klimaschutzkonzeptes mitzuarbeiten. Die Forderungen der Bewegung werden von der Verwaltung und den Stadtwerken bereits bearbeitet und sollen ins neue Klimaschutzkonzept einfließen. Das Dienstleistungszentrum Klimaschutz, das seit 2012 innerstädtische Maßnahmen zum Klimaschutz zwischen Politik, Planern, Wohnungsunternehmen, Hauseigentümern und Einwohnern koordiniert, ist Anfang 2019 in meinen Geschäftsbereich gewechselt. Die Maßnahmen aus dem im Jahr 2016 beschlossenen Umsetzungsplan des aktuell gültigen Klimaschutzkonzeptes sind bereits zu 85 Prozent realisiert.

8. Können Sie sich in Sachfragen eine Zusammenarbeit mit der AFD vorstellen? Welche wären das?

BW: Ich habe in meinem Wahlprogramm die Prämissen klar formuliert: Ein offenes Miteinander aller Einwohnerinnen und Einwohner und Integration kennzeichnen eine weltoffene Stadtgesellschaft. Geltendes Recht ist gegenüber jedermann konsequent durchzusetzen – unabhängig der Herkunft. Von Extremismus jeglicher Art distanziere ich mich. Wie bisher in den vergangenen sieben Jahren unterstütze ich alle Projekte, die im demokratischen Konsens entstehen und das vielfältiges Gemeinwesen in unserer Stadt stärken.

9. Was muß getan werden, um ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Autofahrern, Fußgängern und Radfahrern herzustellen?

BW: Ich finde die Frage viel spannender, wie wir den öffentlichen Personennahverkehr nachhaltig ausbauen und weitere Anreize schaffen, auf Tram und Rad umzusteigen. Diese Frage diskutiert der Stadtrat ab Oktober zum Beispiel auf der Grundlage verschiedener Modelle für einen attraktiveren Nahverkehr: 365‐Euro‐Ticket, Verkürzung der Taktzeiten oder kostenfreies/reduziertes Schüler-Stadtticket. Natürlich wird die Stadt auch weiter in das Stadtprogramm investieren; im Zuge dessen werden Straßen, Fußwege und Radfahranlagen gleichberechtigt erneuert, wo immer die Straßenbreite es hergibt. Außerdem werden wir Tempo 30 einführen, um den Verkehr für Radfahrer, aber auch Fußgänger sicherer zu machen.

10. Welche Rolle spielt für Sie die Geschwindigkeit Ihres Internetanschlusses?

BW: Der Zugang zu schnellem Internet in allen Stadtgebieten ist für Unternehmen und private Haushalte unverzichtbar. Bis Ende 2020 sollen alle unversorgten Bereiche in der Stadt über einen Breitbandanschluss verfügen; dafür nutzen wir ein umfangreiches Förderprogramm des Landes.

11. Weshalb wollen Sie wieder Oberbürgermeister werden? Ist doch Stress ohne Ende.

BW: Die positive Entwicklung der Stadt in den vergangenen Jahren kann an konkreten sichtbaren Projekten abgeleitet werden. Ich habe ein tolles Team und viele engagierte Bürger unserer Stadt unterstützen auch die künftigen Projekte, die schon in der Schublade liegen.

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben