„modern denken – sparsam lernen“

15. Januar 2022 | Bildung und Wissenschaft, Nachrichten, Politik | 8 Kommentare

Am 14. Januar wurde der von der Stadtverwaltung vorgelegte Schulentwicklungsplan für Halle erstmals von den Stadträten im Bildungsausschuss diskutiert. Schon bei der Vorstellung machte Beigeordnete Katharina Brederlow keinen Hehl aus ihrer Verärgerung über die mittels Vorgaben der Landesregierung massiv gestutzten Pläne der Stadt. Die schon länger diskutierten, geplanten und hier in Halle sehnlichst herbei gewünschten Schulneugründungen (ein Gymnasium im Osten der Stadt und eine weitere, somit 4. integrierte Gesamtschule) werden vom Schulamt nicht genehmigt. Schuld ist u.a. eine 150%-Regelung. Salopp formuliert dürfen laut Landesgesetz erst neue Schulen gegründet werden, wenn an den alten Schulen eine Belegung von 150 % ihrer ursprünglichen geplanten Kapazität erreicht ist. Außerdem sollen noch das Abendgymnasium und die Kooperative Gesamtschule Wilhelm von Humboldt zusammen gelegt werden, da ansonsten ihre Existenz bedroht sei. Beide Schulen sollen von nur noch einer Schulleitung gemanagt  werden. Eine leicht rückgängige Schülerzahl des Abendgymnasiums scheint offensichtlich Anlass genug zu sein, eine Form des dringend benötigten 2. Bildungsweges zu torpedieren. Wobei gerade diese Schulform Menschen unterstützt, die sich eigenständig eine Bildungskarriere erkämpfen.

Als Notlösung für die untersagten Neugründungen sollen nun vorhandene Standorte erweitert werden. So soll die KGS Ulrich von Hutten auf 3 Standorte erweitert werden (Gebäudeabstand 1600 m, kein ÖPNV) aber leider keine neue Turnhalle bekommen. Deren Schulleiter Stephan Wussow kommentierte trocken – und die Verärgerung war ihm ins Gesicht geschrieben – dass unter solchen Umständen die Qualität des Unterrichtes erheblich leide, ein Ganztags-Schulangebot nicht mehr möglich sei und bei der zu erwartenden Schülerzahl und der einzigen alten Turnhalle maximal spaziergangähnliche Ertüchtigung möglich wäre. Die Schulleiterin der Humboldtschule Kerstin Ackermann und der Chef des Abendgymnasiums Sven Petermann machten deutlich, dass eine Zusammenlegung ihrer Schulen für die Schüler und auch den Arbeitsablauf des Lehrpersonals ihrer völlig unterschiedlichen Schultypen extrem kontraproduktiv seien. Im Verlauf der Debatte kam der überlegenswerte Vorschlag auf, das Abendgymnasium in Landesträgerschaft zu überführen.

Keine Fraktion begrüßt die Knebelmaßnahmen der Landesregierung. Diesen nun offen klaffenden Wunden in der Halleschen Bildungslandschaft stehen die Stadträte machtlos gegenüber. Dennoch gibt es zaghafte Wundpflaster in Form von Änderungsanträgen. Die SPD möchte u.a. veränderte Ausbaumaßnahmen für die KGS Ulrich von Hutten, möchte am Standort Roßbachstraße ausbauen und die IGS am Steintor um ein Nebengebäude erweitern. Das Abendgymnasium soll unbedingt erhalten und per Ausnahmegenehmigung eigenständig bleiben. Realistisch nennt man dies aber selbst „Flickschusterei“. Die FDP möchte neben anderen Vorschlägen für das Genscher-Gymnasium im Umkreis von 500 m ein Nebengebäude finden.

Die endgültige Entscheidung wurde vertagt, da es noch  Abstimmungsbedarf unter den Fraktionen gibt und man gerne zur nächsten Sitzung die Urheber dieser misslichen Lage einladen und befragen möchte.  Dezernentin Brederlow riet davon ab, Vertreter des Schulamtes einzuladen, dass nur die Vorgaben des Landes ausführe. Besser sei es, sich an die Landesregierung zu wenden (warum nicht gleich an Ministerin Eva Feußner ?).

Kommentar:   Als „Mangelverwaltung selbstgemachten Elends auf dem Rücken der Schüler“ bezeichnete Hendrik Lange (DieLinke) den deformierten Schulentwicklungsplan, ohne dass auch nur einer im Ausschuss widersprach. Denn offensichtlich passt die Landesregierung ihre Regelungen nicht den pädagogischen Bedürfnissen der Schüler an, sondern dem massiven Mangel an Lehrerinnen und Lehrern in unserem Bundesland. Gerne wird darauf hingewiesen, dass man 1000 Stellen ausgeschrieben habe, aber nur ca. 400 Bewerber sich meldeten und signalisiert, man tue doch alles. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU), die seit beinahe 30 Jahren Landespolitik betreibt (Abgeordnete und Staatssekretärin), müsste es besser wissen. Massive Sparmaßnahmen einiger Vorgängerregierungen haben diesen Mangel geradezu heraufbeschworen. Zu dieser Gruppe der „Kurzsichtigen“ gehört neben dem Exminister Marco Tullner (CDU) auch ganz besonders dessen Vorgänger Stephan Dorgerloh (SPD) und die Sparpolitik des Dreamteams Katrin Budde/Jens Bullerjahn (SPD). Vielen Referendaren/innen wurden keine Stellen angeboten und es kam zu erheblichen Abwanderungen. Auch Quereinsteigertum kommt in Sachsen-Anhalt eher einem Hindernislauf denn einer willkommenen Alternative gleich. Das traurige Ergebnis ist nun zu beobachten. Notgedrungen soll ein überlastetes System maximal ausgequetscht werden. Warum nur 26 Schüler pro Klasse, wenn man auch 28 hinein packen kann? Eine gute Bildungslandschaft mit entsprechenden Personal, muss wie ein Garten planvoll angelegt und gehegt und gepflegt werden. Ob Schulmanagement in der Pandemie oder einfach nur vernünftige Unterrichtsversorgung. Sehr oft scheitern wir in Sachsen-Anhalt an diesen Aufgaben. Was allerdings kaum einen davon abhält in den üblichen Sonntagsreden die ungemein wichtige Rolle von Bildung gleich einem Mantra endlos anzupreisen. Sicher wird jetzt im Hintergrund des Politbetriebes versucht, die eine oder andere Schärfe und Unzumutbarkeit hinweg zu verhandeln, doch das ändert nichts an der vermasselten Grundsituation.

Wie sagte doch der kürzlich verstorbene Quergeist Herbert Achternbusch: „Nichts ist besser als gar nichts.“ Es scheint in dieser Hinsicht einige Achternbusch-Fans im Bildungsministerium zu geben…

 

Detlef Wend

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