Mit der Himmelsscheibe Macht über die Zeit

13. Dezember 2020 | Bildung und Wissenschaft, Nachrichten, Rezensionen | Keine Kommentare

Der Corona-Pandemie haben wir es zu verdanken, dass der umfangreiche Katalog zur großen Sonderausstellung „Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte“ schon Monate vor der Ausstellung erschienen ist. Die Eröffnung der bedeutenden Ausstellung im Landesmuseum für Archäologie in Halle/Saale wird nämlich erst am 4.Juni 2021 erfolgen. Die Schirmherrschaft hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier übernommen. Die Sonderausstellung entstand in enger Kooperation mit dem British Museum London. Der von Harald Meller und Michael Schefzik dazu herausgegebene Katalog ist nicht eine bloße Auflistung und Beschreibung von Exponaten. Vielmehr hat der Leser die Möglichkeit, die Ergebnisse von fast 20 Jahren intensiver internationaler, Himmelsscheiben-relevanter archäologischer Forschung kennenzulernen. Zahlreiche Artikel informieren auf 240 großformatigen Seiten mit ansprechenden Farbabbildungen nicht nur anschaulich und ausführlich über die Ausstellungsinhalte, sondern beleuchten auch Hintergründe und historische Kontexte.

Der sensationelle Fund der Himmelsscheibe von Nebra aus der frühen Bronzezeit belegte einmal mehr, dass unsere Vorfahren schon vor Jahrtausenden über umfangreiches Wissen, handwerkliche Fähigkeiten und weitreichende Handelsbeziehungen verfügten. Bedeutende archäologische Funde, akribisch freigelegte Siedlungsspuren und reich ausgestattete Hügelgräber wiesen immer wieder daraufhin, dass die fruchtbaren Böden in Mitteldeutschland eine ertragreiche und prosperierende Landwirtschaft ermöglichten. Auf diesem Wohlstand gründeten sich Machtstrukturen, religiöse Rituale und weitreichende überregionale Handelsnetze. Moderne Methoden der Archäologie erlaubten nicht nur umfassende neue Erkenntnisse zu den Funden, sondern auch zu ihrem kulturellen Kontext. Die Menschen der frühbronzezeitlichen Zeit waren über weitreichende, verzweigte Netzwerke miteinander verbunden. „Die Kultur Mitteldeutschlands war integraler Bestandteil, ja sogar eine der Drehscheiben dieses Austauschsystems“ (Harald Meller). 

Anschaulich und auf der Basis neuester Forschungsergebnisse wird in etlichen Beiträgen der kulturhistorische Zusammenhang des Himmelscheibenfundes beschrieben. Wie lebte man damals in Mitteldeutschland?  Wie war das Gemeinschaftsleben organisiert? Die Himmelsscheibe von Nebra und sakrale Orte wie das Ringheiligtum Pömmelte und das Sonnenobservatorium Goseck in Mitteldeutschland oder Stonehenge in England zeugen von der Kenntnis und Bedeutung astronomischer Ereignisse. Wer sie zu deuten wusste, hatte Macht über die Zeit. Zusammen mit einzigartigen Leihgaben, wie z.B. Schmuckstücke aus vielen Ländern werden die erstaunlichen Verbindungen verdeutlicht, die die Menschen bereits in der Frühbronzezeit in Europa hatten. Über diese verbreiteten sie Waren, Technologien und Wissen europaweit. Die Zeitreise in die Welt der Himmelsscheibe beeindruckt, weil sie den Blick öffnet für kulturhistorische Zusammenhänge, die über bloßen Handel und Migration hinausreichen. Der Katalog ist eine wunderbar spannende, gelungene Winterlektüre, die auf die bevorstehende interessante Sonderausstellung im Sommer 2021 vorbereitet.

Am Ende des  Buches findet der Leser einen kompakten Katalog der 135 ausgestellten Objekte mit kurzen Beschreibungen sowie ein Literaturverzeichnis. Das Buch gibt es für 28 EUR im Buchhandel. Eine preiswerte Museumsausgabe ist im Museumsshop in Halle erhältlich (19,80 EUR). 

(H.J. Ferenz)

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