„NOW“ – der Film

31. August 2021 | Kultur | Keine Kommentare

Die Kinder und Jugendlichen der letzten 30 Jahre wurden in seltsam zerrissene Zeiten hineingeboren. Einerseits leben die meisten Menschen im Globalen Norden in materiellem Wohlstand und krasser Verschwendung, andererseits türmen wir immer schneller enorme Probleme auf, zu denen wir nicht einmal den Ansatz einer Lösung kennen und die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit Sicherheit starke negative Folgen für unsere Zivilisation haben.

Die große Mehrheit begegnet dieser Situation mit Verdrängung, Ignoranz und dem Aufbau einer scheinbaren eigenen Sicherheit, andere mit dem Ausscheren aus unserer Gesellschaft. Klassische Umweltgruppen stagnieren oder sind eingebunden in die Gesellschaft, einkalkuliert in den PR- Budgets der Problemverursacher.

Manche Menschen aber wollen oder können die ständig wachsende Bedrohung und die Verantwortungslosigkeit der eigentlichen Verantwortungsträger in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht einfach akzeptieren – sie versuchen trotz der unglaublichen Größe der Probleme, etwas zu verändern, Katastrophen zu verhindern oder wenigstens abzumildern.

Die Beziehung der Generationen hat sich damit eigenartig umgekehrt – eigentlich sollten die Erwachsenen die Besonnenen, Verantwortungsvollen sein und die Kinder „über die Stränge schlagen“. Die Zustände in unserer Gesellschaft sind fast wie in einer Suchtfamilie, wo die Kinder versuchen, ihre Eltern zu bremsen, und diese im Rausch immer weiter sich selbst und die gemeinsamen Lebensgrundlagen zu zerstören.

Jim Rakete ist ein bekannter Fotograf. Für „NOW“ wechselt er das Genre, aber nicht das Subjekt seiner Kunst. Porträtiert werden Menschen, die sich mit ganzem Einsatz, aber auf unterschiedlichen Feldern gegen die laufenden Verschlimmerungen einsetzen. Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen Themenfeldern werden porträtiert und begleitet. Felix Finkbeiner, der als zehnjähriger die Organisation „Plant for the Planet“ ins Leben rief; Luisa Neubauer, Initiatorin der deutschen Fridays for Future; Nike Malhus von Ende Gelände – aber auch eine Aktivistin von Extinction Rebellion aus London, und die Architektin Marcella Hansch, die Plastemüll aus den Meeren holen will.

„Jeder von uns kann etwas tun!“

Dass Jim Rakete die Bildsprache im Griff hat, war erwartbar. Aber die Interviews und Reportageteile sind auf wundervolle Art miteinander kombiniert. Obwohl jede der Aktivist*innen genügend Informationen für eine ganze Serie liefern könnte, wirkt der Film nicht belehrend, langweilig oder anbiedernd. Im Gegenteil: gerade die Passagen aus den Großstreiks, die eingebauten Redeteile von Greta Thunberg und die Clips aus Dokumentationen der Aktionen von Ende Gelände sind sehr ermutigend und ermächtigend. Auch die ältere Generation kommt zu Wort – Patty Smith und Wim Wenders.

Nach dem Film gab es eine angeregte Diskussion mit zweieinhalb anwesenden Aktivisten: Laurin Weger von Fridays for Future Halle, Marco Gergele von (u.a.) Extinction Rebellion Halle und Wolfgang Burkert von der BI Saaletal. Es wurde deutlich, dass auch hier in Halle viel Arbeit wartet und Unterstützung gebraucht wird, FFF steht vor dem Großstreik am 24.9., in Halle kommt die Verkehrswende nicht voran und die BI Saaletal arbeitet weiter am Schutz der Porphyrkuppen.

In der Debatte mit dem Publikum kamen die verschiedenen Möglichkeiten und Probleme zur Sprache – was kann man individuell tun, aber wo liegen auch die Grenzen und wo darf man sich im Einzelnen nicht verzetteln. Der persönliche Fußabdruck als Instrument der Fossillobby, um politische Wirksamkeit zu verhindern, aber auch „Handabdruck“ dafür, wie man möglichst viele andere Menschen seiner Umgebung erreichen kann. Müdigkeit nach vielen Jahren Einsatz im politischen Bereich, wo immer wieder der Eindruck entsteht, dass Die Gesellschaft noch nicht so weit ist. Aber auch die persönliche Frage, wie eine Krankenpflegerin mit Schichtdienst und 20km Pendelstrecke zur Arbeit kommen kann, ob E-Autos wirklich besser sind und ähnliches. Der größte Teil des Publikums war sehr gut informiert, es fehlten also viele der Menschen, die noch nicht von der Notwendigkeit des Handelns überzeugt sind.

Klare Empfehlung, sich den Film noch im Lux anzuschauen!

01.09. um 18:30 Uhr, 02.09. um 17:15 Uhr, 03.09. um 17:15 Uhr

In dem Sinne:

„What do we want?“

„CLIMATE JUSTICE!“

„When do we want it?“

„NOW!“

FFF Zentralstreik 08/2021

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