Niederdeutsch als „Minderheitensprache“ in Sachsen-Anhalt: bald auch auf Ortsschildern ?

3. Dezember 2020 | Kultur | Keine Kommentare

Den Gemeinden in Sachsen-Anhalt ist es ab sofort möglich, zu ihrem Ortsnamen auch ihren niederdeutschen Namen offiziell zu führen. Das Ministerium für Inneres und Sport hat einen entsprechenden Runderlass veröffentlicht, die Regelung ist mit Beginn des Monats in Kraft getreten. Gemeinden können nun Anträge bei der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde stellen.

Berarbeitet hat das Genehmigungsverfahren die Arbeitsstelle Niederdeutsch am Institut für Germanistik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die fachliche Expertise der Arbeitsstelle Niederdeutsch soll es den Gemeinden auch ermöglichen, ob eine gewünschte Bezeichnung tatsächlich sprachhistorisch in der Gemeinde verwurzelt ist.

Sachsen-Anhalts Staats- und Kulturminister Rainer Robra: „Die Pflege und die Förderung des Gebrauchs der niederdeutschen Sprache in Sachsen-Anhalt ist ein ausdrücklicher Bestandteil unserer Landeskulturpolitik. Ortsnamen sind ein Teil der Identität der Menschen im Land. Die Gemeinden erhalten die Möglichkeit, mit dieser Heimatverbundenheit offiziell für sich und ihre Region zu werben.“

Die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur unterstützt aus Mitteln der Kulturförderung den Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. sowie Einzelprojekte lokaler Heimat- und Kulturvereine, die sich dem Erhalt der Regionalsprache Niederdeutsch widmen.

Landtagsbeschluss op Plattdüütsch

Das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt folgt mit der neuen Regelung einer Bitte des Landtages von Sachsen-Anhalt nach. Dieser hatte sich im Jahr 2019 mit dem Beschluss „Niederdüütsche Sprook in Sassen-Anhalt wedder opleven laten“ (https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp7/drs/d4431vbs.pdf) dafür ausgesprochen, die niederdeutsche Sprache in der Öffentlichkeit stärker sichtbar zu machen und die Landesregierung gebeten, Gemeinden die Möglichkeit einzuräumen, auf Antrag bei der jeweils zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde ihre Ortsnamen ergänzend auf Niederdeutsch zu führen.

Niederdeutsch ist eine in Sachsen-Anhalt nach der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen geschützte Regionalsprache. Sie ist Teil der regionalen Kultur und Identität des Landes. Ihre ursprünglich weite Verbreitung im nördlichen Teil Sachsen-Anhalts ist jedoch mittlerweile deutlich zurückgegangen. Nach einer Erhebung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) und des Instituts für niederdeutsche Sprache (INS) aus dem Jahr 2016 sprechen in Sachsen-Anhalt 11,8 % der Befragten „gut“ bis „sehr gut“ Niederdeutsch. 41,8 % der Befragten in Sachsen-Anhalt gaben an, Niederdeutsch „gut“ bis „sehr gut“ zu verstehen. Die Umfrageergebnisse sind hier abrufbar: https://www.ins-bremen.de/fileadmin/ins-bremen/user_upload/umfrage2016/broschuere-umfrage.pdf

Und was ist mit Hallisch?

Für Halle kommt die Regelung übrigens nicht in Frage: „Niederdeutsch“ oder „Plattdüütsch“ ist nur im nördlichen Sachsen-Anhalt verbreitet. Die Sprachgrenze verläuft knapp südlich von Magdeburg. Die Mundart gehört der Ostfälischen  Gruppe an.

Hallisch dagegen ist eine thüringisch-obersächsische Mischform, gehört nicht zum Niederdeutschen, sondern, man höre und staune: zum Hochdeutschen.

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