Eichendorff genießt Bad in der Menge
23. November 2019 | Kultur | 13 KommentareEin Jahr lang hatten Wolfgang Kupke und seine Freunde des von ihm ins Leben gerufenen Vereins „Bronzestatue für Eichendorff“ gesammelt – und es vollbracht. Gut 40.000 Euro hatten Hallenser und Hallenserinnen gespendet, viele Kleinbeträge, aber auch schon einmal Beträge um 1000 Euro. Und so konnte der bekannte Burg-Professor und Bildhauer Bernd Göbel gewonnen werden, Entwürfe und später auch das Ausführungsmodell herzustellen. Hunderte von Hallensern drängten sich um die noch eingewickelte Statue, der hallesche Lehrerchor sang Eichendorff-Lieder, wie das das bekannte Giebichenstein-Lied und „In einem kühlen Grunde“. Noch immer blieb die Statue verhüllt, deren Aussehen bis zuletzt geheim gehalten werden konnte. Trotz Drängen des Kulturausschusses, dem „Wolli“ Kupke eine Notlüge präsentierte, wie er Augenzwinkern in seiner Rede erzählte „Wir haben leider gar kein Foto“. Dann war der feierliche Augenblick da: das Betttuch wurde weggezogen, und entblößte die Statue eines sehr jungen Mannes, eines Knaben fast, mit leicht femininen Gesichtszügen. Mit einem Badetuch leicht bekleidet, ein Gedichtbändchen in der Hand, den Blick verträumt gen Reichards Garten zugewandt, glänzte er mit seinem goldbronzenen Oberkörper in der Herbstsonne.
Kupke erzählte – mit erkennbar bewegter Stimme, wie er auf Göbel zugegangen sei: ob er denn einen Vertrag brauche. „Ach Quatsch, ein Wort unter Männern reicht mir“. Tatsächlich unkonventionell – aber wer Hallenser wie Kupke kennt, weiß, dass er nicht ein Mann großer Konventionen und unnötiger Umstände ist. Wie auch später Oberbürgermeister Wiegand in seiner Ansprache sagte: „Wenn Herr Kupke sich etwas in den Kopf setzt, wird das auch umgesetzt. Wir begleiten das nur“. Zum Begleiten hinzu kam allerdings auch noch ein kleiner Zuschuss von 10.000 Euro von der Stadt Halle. Punktgenaue Landung, es blieb sogar noch ein kleiner Rest übrig. Um den Betrag weiter aufzufüllen, ging nochmal ein kleiner Spendentopf unter den Anwesenden rum: ein Zuschuss für die Restaurierung der Eichendorff-Bank.
Göbel erklärte in einer kurzen Rede den Hintergrund: in mehreren Tagebuchaufzeichnungen zwischen 1805 und 1806 habe der angehende Dichter – damals noch unbekannter Student – darüber berichtet, wie er mit Freunden hier unten an der Saale zum Baden gewesen sei, und davon geträumt, auch einmal in Reichards Garten eingelassen zu werden. Vergeblich. Der Zutritt zu dem Anwesen des bekannten Komponisten, in dem unter anderem Goethe ein und ausging, und außerdem zwei hübsche Töchter wohnten, blieb ihm verwehrt.
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Dem Verfasser noch ein Lob für die schöne Überschrift, fiel mir doch sofort auf. Klasse!!
Vorsichtshalber wurden Statue und Grundstein vom Steinmetz eingewachst.
Ich war eben vor Ort und habe einen neuen Infozettel angebracht mit der Erläuterung, warum er nur mit
Handtuch bekleidet ist.
Es wurde fotografiert und fotografiert, im wallenden Nebel sah er romantisch aus….
Die Nachsicht sei dir gewährt, wolli. Und das mit dem nicht kennen wollen wir zwei Wolfgang’s hier nicht weiter erörtern.
Zur Bronze selber hab ich mich ja noch nicht geäußert. Ja, eine wunderschöne Statue. Zu schön, für meine Begriffe. Zu weibsch. Da nutzt auch das angedeutete „gewaltige“ Gemächte nüschde. Aber trotzdem, schön. Und, es passt zu seiner Schreibe und sicherlich zu seinem Gemüth. Ich hoffe sehr, dass es einige Zeit wenigstens unbeschmiert bleibt.
Meine Meinung ist in der Rubrik „Wie es Elfriede sieht“
zu lesen.
Danke, vor eurem Urteil hatte ich Angst. Ob wohl der Stadtrat die Aufstellungt die der Saale entstiegene Dichterfigur genehmigt hätte, wenn er sie gekannt hätte?
Ich frage mich, wer Eichendorff gefragt hat, ob er halbnackt dort in der Kälte stehen will. Aber es sieht auf jeden Fall gelungen aus.
Ein Faun auf schlesischem Mamor.Wirklich gelungen, Wolli!
Irgendwann werden wir auch für Wolli ein Denkmal schnitzen. Aus schlesischer Eiche.
Soweit ich weiß ist der Verein im November 2018 gegründet und hat die stattliche Summe von 50.000 Euro in einem Jahr aus Spenden einsammeln können. Gratulation an die Hallenser und ihre Heimatverbundenheit. Da können sich so manche Städte eine Scheibe abschneiden. Die Magdeburger brauchten für ihren Otto von Guericke erst einen Ratsbeschluß (1897) um dann nach weitern 10 Jahren im Jahre 1907 das Denkmal für ihren großen Bürgermeister (1602-1686) einzuweihen.
Gut geworden! Göbel hat schon was drauf und Wolli hat einen Dickschädel.
Mir gefällt die Statue. Eichendorff wird hier nicht als Held dargestellt, nicht als Dichterfürst, sondern als der Suchende, noch unbekannte junge Student, noch knabenhaft mit unsicherem, geradezu naivem Blick. Das hat Göbel toll gelöst.
Und auch von mir Gratulation an Wolli und seine Vereinsfreunde.
Wieso vermutest Du das, ich kenne Dich doch gar nicht, auch unter Linken gibt es natürlich tolle Menschen, ich bin sogar mit einigen befreundet. Hier im Forum bemühe ich mich, nicht persönlich zu werden, sondern nur um die Sache zu streiten, vielleicht gelingt mir das aber nicht immer, dafür bitte ich um Nachsicht.
Genau das isses, was ich an Wolfgang Kupke mag, auch oder gerade deshalb, weil er mich nicht mag.