Franckesche Stiftungen: Erste Realschule Deutschlands goes digital

21. Februar 2022 | Nachrichten | Keine Kommentare

Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zählt zu den ältesten am originalen Ort erhaltenen barocken Wunderkammern Europas. Die über 3.000 Objekte aus der ganzen Welt in den originalen Schrankvitrinen bilden nicht nur ein Abbild der Welt vor 300 Jahren, sie erlauben auch einen einzigartigen Einblick in den Unterrichtsalltag an August Hermann Franckes (1663 – 1727) Schulen. Mittels aufwändiger 3D-Technik kann nun auch das 300 Jahre alte Lehrmodell zur Salzgewinnung aus der Kunst- und Naturalienkammer digital bestaunt werden.

„Der Realienunterricht ist ein bahnbrechendes Charakteristikum der erfolgreichen pädagogischen Konzepte August Hermann Franckes.“, unterstreicht Prof. Dr. Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen und Wiederentdecker der Wunderkammer. Zusammen mit der Historischen Bibliothek, Lehrgärten und den astronomischen Beobachtungen auf dem Altan war sie ein zentraler Baustein der Lehrsammlungen des ehrgeizigen Bildungsprogramms Franckes, das Jungen und Mädchen aus allen sozialen Schichten umfasste. Aus Anlass des 25. Jubiläums der Wiedereröffnung der Kunst- und Naturalienkammer initiierte der Stiftungsdirektor am 13. Oktober 2020 gemeinsam mit dem Teylers Museum in Haarlem (Niederlande) und dem Museum für Anthropologie und Ethnographie – Kunstkamera in St. Petersburg (Russland) die Gründung einer Alliance of Early Universal Museums. Eines der Ziele ist der Austausch über die zeitgemäße Präsentation der für BesucherInnen des 21. Jahrhunderts oft ungewöhnlichen Sammlungen.

Mit der Digitalisierung der beiden Salzkothen-Modelle haben sich die Franckeschen Stiftungen in einem kontrovers diskutierten Feld der Museumspraxis positioniert und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Objekt in den Mittelpunkt der Strategie gerückt. Die Modelle wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts für den Anschauungsunterricht gefertigt und dienten in den Stiftungsschulen zur Erläuterung des Siedehandwerks. Angesichts der Geschichte der Stadt Halle, die seit ihrer Gründung eng mit der Salzgewinnung verbunden ist, verwundert die Auswahl nicht. In den in Fachwerk ausgeführte Salzsiedehütten, die sich in der Zeit um 1700 auf der alten Thalsaline am heutigen Hallmarkt noch zahlreich um die vier Solebrunnen drängten, gewannen die Salzsieder – Halloren genannt – mühsam das begehrte »weiße Gold«.

Ihre detailgenaue Digitalisierung bot die Chance, den ursprünglichen Sinn und Zweck der Lehrmodelle in zeitgemäßer Form wieder aufgreifen und sie zur Veranschaulichung historischer Siedetechniken virtuell zugänglich machen zu können. Beim dabei eingesetzten 3D-Scan-Verfahren, der Photogrammetrie, wurden die Modelle von allen Seiten unzählige Male fotografiert, um virtuelle Abbilder errechnen zu können, die anschließend aufwendig bearbeitet werden mussten. »Die virtuellen Modelle ersetzen die Originale nicht, sondern sie erweitern die Rezeptionsmöglichkeit.«, fasst Dr. Claus Veltmann, Kustos des Waisenhauses, zusammen. Dafür hat sie der Projektleiter Tom Gärtig auf der Webseite der Franckeschen Stiftungen in eine Digital Story eingebunden.

Die neue Online-Ausstellung »Die Thalsaline – Halle und das Salz um 1700« bettet die 3D-Modelle – bereichert durch Exponate unter anderem aus dem Salinemuseum, dem Stadtarchiv und dem Kunstmuseum Moritzburg – in den kultur- und stadtgeschichtlichen Kontext der Salzgewinnung in der Zeit um 1700 ein. Damals sah sich die Thalsaline mannigfaltigen Umbrüchen und neuer Konkurrenz ausgesetzt, die schließlich ihr langsames Ende einläuteten. Vier kurzweilige Kapitel erzählen von der eigentümlichen Arbeitswelt und den vielen dort tätigen Menschen, aber auch von den neuen brandenburgischen Landesherren, den technischen Errungenschaften und dem Salzverkauf.

Das Digitalisierungsprojekt ist ein bleibender Beitrag der Franckeschen Stiftungen zum stadtweiten Themenjahr 2021 »Halexa, siede Salz! Herkunft trifft Zukunft« und wurde von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Programms »Neustart Kultur« großzügig gefördert.

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