Lob der Pellkartoffel

5. Februar 2022 | Bildung und Wissenschaft, Vermischtes | 3 Kommentare

Nach ihrer Einführung aus den südamerikanischen Anden nach Europa wurde die Kartoffel (Solanum tuberosum) rasch ein wichtiges Volksnahrungsmittel. Den Siegeszug konnten auch so unsinnige Behauptungen wie vom Leipziger Professor F. Bratanek, „der Kartoffelverzehr führt zu Dummheit“ (in „Ästhetik der Pflanzenwelt“, 1853) oder von F. Nietzsche („Kartoffelesser werden Alkoholiker“) oder Voltaire, der Kartoffeln als „Firlefanz der Natur“ abtat, nicht aufhalten. Zunächst kultivierte man sie wegen der schönen Blüten in Ziergärten und da kam es dann schon mal vor, dass die grünen Früchte des giftigen Nachtschattengewächses irrtümlicherweise verzehrt wurden. Die enthalten nämlich das Alkaloid Solanin. Aber auch keimende und ergrünte Kartoffelknollen können nennenswerte Mengen davon enthalten. Solanin schützt die Kartoffel natürlicherweise vor Fraßfeinden. Anzeichen einer Solaninvergiftung sind u.a. Erbrechen, Bauchschmerzen, Atemnot. 

Inzwischen gibt es weit über 100 Kartoffelsorten. Von dieser Vielfalt sieht der Verbraucher aber wegen vieler Regulierungen fast nichts mehr. Klassifiziert werden Kartoffeln nach Erntezeitpunkt, Kocheigenschaften, Stärkegehalt und industrieller Eignung. Anbau und Ernte sind weitgehend mechanisiert. Aber mancher erinnert sich noch an das Absammeln der Kartoffelkäfer oder das Stoppeln, d.h. Restkartoffeln auf dem Acker auflesen, und dann im Kartoffelfeuer aus Kartoffelstroh brutzeln. 

Kartoffeln sind ein wichtiges Grundnahrungsmittel geworden. Die Bezeichnung Kartoffel, früher auch Tartuffel genannt, leitet sich übrigens vom italienischen Tartufolo (Trüffel) ab, was eine hohe Wertschätzung andeutet. Kartoffeln enthalten wichtige Nährstoffe. Sie sind eine Quelle zellschützender Antioxidantien sowie diverser Vitamine. Zur Darmgesundheit tragen sie bei, sättigen und sind glutenfrei. Allerdings werden immer mehr Kartoffeln zu Fertig- und Halbfertigprodukten verarbeitet. Dabei gehen leicht viele der Vorzüge verloren. Henriette Davidis beklagt in ihrem „Kochbuch für die bürgerliche und feine Küche“ (1845), dass oft gar zu wenig Sorgfalt bei der Kartoffelzubereitung angewendet wird und „doch eine schmackhafte Kartoffelspeise manchem lieber ist als ein feines Gericht.“ Geschmacklich am besten erschließt sich uns die Kartoffel, wenn sie naturbelassen in ihrer Schale gegart wird und als Pellkartoffel (von lateinisch pellis, Haut, Hülle) serviert wird. Man pellt sie unmittelbar vor dem Verzehr oder isst sie mit Schale. Damit einem die heiße Kartoffel nicht von Gabel fällt, empfiehlt sich die Verwendung einer speziellen Dreizackgabel. Besonders junge Kartoffeln aus der neuen Ernte kann man wegen ihrer dünnen Schale gut ungeschält essen. Mit dieser schlichten Zubereitungsweise kann man das sortenreiche Kartoffelangebot des Kartoffelhändlers auf dem Wochenmarkt erkunden. Erstaunlich für manchen, wie gut schlichte Pellkartoffeln schmecken können: pur, mit Salz und Butter, mit Kräuterquark oder Grüner Soße, Leberwurst, als geselliges Raclette usw.. Und selbst bei sommerlichen Grillorgien darf die Folienkartoffel zum Grillsteak nicht fehlen. 

Kartoffelschalen sind eigentlich zu gut zum Wegwerfen. In Notzeiten wie im und nach dem 2.Weltkrieg verwertete man diese trotz Solaningefahr. Heute sind sie frittiert und pikant gewürzt als knackiger Snack geeignet. 

Guten Appetit mit leckeren Quellkartoffeln, Quellmännern,  Gequellte oder wie auch immer man Pellkartoffeln im Volksmund nennt!

Abschiedsworte an Pellka

Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,

du Ungleichrunde,

du Ausgekochte, du Zeitgeschälte, 

du Vielgequälte,

du Gipfel meines Entzückens. 

Jetzt kommt der Moment des Zeitrückens

mit der Gabel! Sei stark! 

Ich will auch Butter und Salz und Quark 

oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen. 

Musst nicht so ängstlich dampfen. 

Ich möchte dich doch noch einmal erfreun. 

Soll ich Schnittlauch über dich streun? 

Oder ist dir nach Hering zumut.

Du bist ein so rührend junges Blut. 

Deshalb schmeckst du besonders gut.

Das auch egoistisch klingt, 

So tröste dich damit, du wundervolle 

Pellka, dass du eine Edelknolle 

warst und dass dich ein Kenner verschlingt.

(Joachim Ringelnatz)

(Hans J. Ferenz)

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