Wahlkampftheater: Quo Vadis Sachsen-Anhalt?
20. Januar 2016 | Nachrichten | 5 KommentareGebildete Menschen – und derer gibt es im Lande zu Hauf – fragen nicht einfach nach dem „Wohin?“, sondern sagen „Quo vadis“. Das ist Latein und bedeutet: Wohin gehst Du ?
„Quo Vadis Sachsen-Anhalt?“ – unter diesen Titel hatte der Förderverein Neues Theater am gestrigen Abend die Aufführung gestellt, zu der die Spitzenkandidaten im großen Saal des Theaters ihr Programm zur Landtagswahl vorstellen sollten. Sie sollten zum Thema Kulturpolitik Sachsen- Anhalt im Allgemeinen und speziell zum Thema Theater Stellung nehmen.
Der große Saal war voll, denn Thema ließ etwas erwarten: schließlich ist Kultur eines der wenigen Felder, in denen Landesregierungen sich hoheitlich nahezu voll entfalten können..
Die Besetzung des Stückes
Spitzenkandidat Haseloff hatte abgesagt, statt seiner nahm Kandidat und MdL Dr. Gunnar Schellenberger aus Schönebeck seinen Platz ein. Der Spitzenkandidatin der SPD, Kathrin Budde, ging es ähnlich, sie ließ sich von Stadtratsmitglied Dr. Detlef Wend doubeln. Der Kandidiert immerhin auch für den Landtag, und zwar auf Listenplatz 38.
Persönlich erschienen waren dagegen die Spitzenkandidatin der Grünen, Dr. Claudia Dalbert, und der der Linken, Wulf Gallert.
Die Veranstaltung moderierte Olaf Zimmermann, bekannt als Moderator des damaligen Kulturkonvents Sachsen-Anhalt.
Zwei Themenblöcke sollte es geben: zunächst sollten alle Kandidaten zum Thema Kultur im Allgemeinen, aber ohne Theater, Statements abgeben. In der zweiten Runde sollte es dann nur um „Theater“ gehen.
-
Aufzug. Die Kandidaten zur Kultur im Allgemeinen.
Jeder Kandidat erhielt Fragen unter besonderer Berücksichtigung des Kulturkonvents und des Programms ihrer Partei. Gefragt wurde Frau Dalbert, wie sie als Insiderin die Wirkung des Kulturkonvents beurteile, und ob sie noch zu der Forderung stehe, mindestens 1% des Landeshaushaltes in Kultur zu investieren.
Dalbert antwortete, sie sei sehr enttäuscht, der Kulturkonvent habe praktisch keine Auswirkung auf die Kulturpolitik des Landes gehabt. Der Konvent kümmere niemanden in der Regierungskoalition, deren Hauptziel es nur sei, Mittel zu kürzen. Auf eine feste Prozentzahl wollte sie sich nicht festlegen, findet aber, dass die vom Kulturkonvent ermittelten 100 Mio. in etwa in der Dimension 1% liegen.
Wulf Gallert sollte nun auch zum Konvent etwas sagen, zu seiner Forderung nach einem Landeskulturkonzept, was der Unterschied denn sei, und was es mit seiner Forderung nach einem Kulturförderungskonzept auf sich habe.
Gallert sagte, der Kulturkonvent habe mittlerweile einen negativen Touch erhalten, da die Landesregierung die Empfehlungen des Konvents komplett ignoriert habe. Das habe viel Frustration geschaffen. Das Kulturförderkonzept werde dagegen Inhalt „seines“ Regierungsprogramms, erläuterte Gallert. in dem Förderkonzept ginge es darum, zu überlegen, wie zusätzliche Einnahmen für Kultur gefunden werden können. So nannte er die Bettensteuer als Beispiel zur Kulturfinanzierung der Kommunen. Grundsätzlich sei die Finanzierung der Kultur deutlich über den gegenwärtigen Ist-Stand anzuheben, sagte Gallert, unabhängig, ob der jetzt bei 1% liege oder nicht.
Die CDU fordere in ihrem Programm, schwerpunktmäßig Musikfestivals zu fördern, sagte Zimmermann. Dazu sollte Schellenberger Stellung beziehen, dann zum Thema Denkmalschutzgesetz, das seine Partei novellieren wolle. Und dazu, was was die CDU mit der geforderten „Kulturkonferenz“ meine.
Schellenberger sprach darauf hin, wie wichtig doch auch Musik sei, dass man beim Geld für Kultur nicht auf den Ruf „ein Prozent – wer bietet mehr“ verfallen dürfe, man müsse nämlich immer sehen, woher das Geld komme. Baudenkmale seien nicht nur Segen, sondern auch Fluch, und Sachsen Anhalt habe vielleicht zu viele, da müsse man schon mal Abstriche machen. Ansonsten blieb er mit vielen Worten im Nebel. Und mit der Kulturkonferenz sei so etwas wie ein Mittel zum Austausch gemeint.
Weiter ging es zu Detlev Wend. Er machte keinen Hehl daraus, eigentlich zu vielen Fragen keine Antwort liefern zu können – lediglich mit seiner Erfahrung als Stadtrat könne er dienen. „Ich bin eben nur die dritte Liga“, entschuldigte sich Wend.
Die SPD nehme den Konvent ernst, sagte Wend, und beklagte dabei, dass allgemein im Lande zu wenig kommuniziert werde.
2. Aufzug: Das Theater
Zimmermann moderierte das Thema mit der Bemerkung an, dass die vielerorts üblich gewordenen Haustarife unverantwortlich seien. Nur in Magdeburg gäbe es keine Haustarife. Und in Dessau nicht. Letzteres läge aber daran, dass Dessau nämlich überhaupt keine Tarifverträge mehr habe.
Allen Kandidaten wurden nun mit der Frage konfrontiert, wie sie „das Knäuel entwirren“ wollen.
Claudia Dalbert hob zunächst an, Kultur sei Daseinsvorsorge, unverzichtbar und müsse eben einfach finanziert werden. „Wann brauchen wir mehr Kultur als zu den heutigen Zeiten“, fragte sie pathetisch. Ihrer Meinung nach gebe es in der Kulturfinanzierung eine Schieflage, und mit einem Seitenhieb auf Museen und Denkmalpflege erklärte sie, es werde zu viel „in Steine investiert“, statt in die Schaffung neuer Kultur.
Schellenberger fand, dass Frau Dalbert eigentlich recht habe, dass man mehr Kultur brauche. Aber man müsse definieren, was man sich leisten könne. Und wichtig sei, dass Kultur langfristig, kontinuierlich und nachhaltig finanziert werde.
Wend wollte darauf hin die Grundfrage ansprechen:. Man müsse in einem wohlhabenden Land einfach auch mal bereit sein, mehr abzugeben.
Zimmermann fragte Gallert daraufhin, ob er eine Ahnung habe, wann die Notsituation für die Beschäftigten denn zu Ende sei. Das könne er nicht beantworten, meinte der Angesprochene. Er säße ja nicht in der Landesregierung. „Die Frage hätte ich gerne mit Haseloff und Dorgerloh diskutiert. Aber deshalb sind die ja jetzt nicht hier“, rief er in den Saal.
Dann meinte Wend noch, man brauche überhaupt mehr Kulturschaffende in der Politik, und Tom Wolter rief ihm aus dem Publikum zu: „und Maurer!“
3. Aufzug
Damit war der Ring endlich für die Zuschauer frei gegeben. Stadtrat Feigl und andere Teilnehmer fragten Schellenberger, was denn konkret er am Denkmalschutzgesetz ändern wolle, nachdem es schon dreimal novelliert worden sei. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen gab Schellenberger zu, das Gesetz so genau gar nicht zu kennen, aber er werde sich demnächst damit beschäftigen.
Ach ja: und ein fünfter Kandidat sprang noch in den Zuschauerrängen auf: Olaf Schöder, Opernsänger. Er war nicht eingeladen, denn seine Partei sitzt nicht im Landtag. Die Landesregierung mache Politik gegen das Volk, intonierte er. Denn sie missachte die Volksinitiative. Die hatte er nämlich ins Leben gerufen, und mit „rettet das Kulturland Sachsen-Anhalt“ überschrieben. 45.000 Unterschriften habe er dafür bekommen.
Kommentar schreiben
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Lieber Redakteur des Hallespektrums,
das mit der 3. Liga war eine ironische Bemerkung – in Anlehnung an unseren heldenhaften HFC – zum Einstieg in die Debatte … mehr eigentlich nicht.
Zudem finde ich es wirklich bedauerlich, dass trotz einiger Jahre Mitgliedschaft meinerseits im Rat unserer wunderbaren Stadt, dem Hallespektrum die korrekte Schreibweise meines Namens nicht bekannt ist. Ich bitte dringend um Abhilfe, da ich mich ansonsten in der kommenden Landtagswahl erheblich benachteiligt fühle!
Zudem hat sich der Fehlerteufel ein weiteres Mal eingeschlichen! Mein Listenplatz ist falsch wiedergegeben. Nicht der frostige 39. sondern der brandheiße 38. ist es.
Schlussendlich würde ich zum Thema 3. Liga und Hallespektrum sagen: Willkommen im Klub!
Herzliche Grüße an die Redaktion, Ihr Detlef Wend
Mir hat er etwas leid getan. Als Neuling kann man von ihm wirklich nicht erwarten, dass er sich im Detail in kulturpolitische LandesAngelegenheiten auskennt, da hatte er einen Nachteil gegenüber altgedienten Profis wie Gallert oder Dalbert. Wenigstens war Wendt ehrlich. Da war er schon im Vorteil gegenüber Schellenberger. Schade, dass man ihn so ins kalte Wasser geschubst hat.
Nicht im Artikel steht, wie die Kandidaten auf die Frage ihrer persönlichen Beteiligung am kulturellen Leben antworteten.Während die übrigen Kandidaten belanglos reagierten, verwies Wendt auf seinen mitgebrachten Klarinetten(?)koffer. Das war rührend, wie er sich beklagte, dass man damit ja nicht in der Straßenbahn auffiele, während Cellisten mit ihren Instrumenten immer gleich beeindrucken könnten. Aber das sind leider nur Details am Rande.
Tja, da hat das Theater schon überzeugendere Stücke und Akteure gesehen. Alle Kandidaten waren bemerkenswert diffus…da hat mir Detlef Wend noch am besten gefallen – er mochte zwar „dritte Liga“ sein, aber er weiß wenigstens, was vor Ort abgeht und ist näher dran am staunenden Theaterzuschauer…
…und nach der Wahl stehen sie dann alle wieder da und meinen dann nach der bitteren Wahlschlapppe: Wir müssen unsere Politik besser erläutern!
Da habe ich also nichts versäumt.