Futter für die Polizei

5. Juli 2021 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Bauer Vogel schritt seine Plantage ab. Ein letzter Kontrollgang. Schon nächste Woche sollte die Ernte beginnen, das letzte Jahr hatte es schon wegen der Trockenheit Totalausfälle am Süßen See gegeben, und viele der rumänischen Erntehelfer waren wegen Corona weggeblieben. Nun fürchtete Vogel neues Ungemach: Zwar hatten die Bäume gut angesetzt, die diesjährige Ernte schien eigentlich in „Sack und Tüten“. Doch der Zustand einiger seiner Bäume machte ihm Sorgen – gerade die jungen Pflanzungen sahen krank aus. Fast jedes Blatt war angefressen –  dem Laub fehlte ein gutes Drittel Masse. Von den Schädlingen jedoch: keine Spur. Keine gefräßige Raupe, kein fraßzähniger Käfer ließ sich blicken, der solche Schäden hätte verursachen können. Dann sah er aber die Ameisen – die sich in merkwürdiger Weise an den Blattstielen zu schaffen machten. Bevorzugt genau dort, wo der Stil in das Blatt mündet. Hier saßen die kleinen braunen Wimmeltiere  – und schienen zu Fressen. An merkwürdigen, knotigen Geschwüren, die – versuchte Vogel sich zu erinnern – er so, in diesen Mengen, noch nicht gesehen hatte. Fast jeder Blattstil trug zwei, drei dieser merkwürdigen, kleinen, rötlichen Knötchen.

Natürlich wusste Bauer Vogel: wo Ameisen sind, sind Blattläuse. Meisen „züchten“ regelrecht Blattläuse, indem sie ihnen sogar einen „Taxiservice“ bieten: sie schleppen die Schädlinge die Bäume hinauf, setzen sie an die leckersten Triebe, um um dann an ihrem Honigtau „melken“ zu können.

Aber: es gab keine Blattläuse am Baum, und die machen auch nicht solche Fraßschäden.  Und die Ameisen interessierten sich nur  für diese merkwürdigen Knötchen.

Aber vielleicht führen diese Insekten etwas im Schilde?  Vogel war wenigstens in einer Sache beruhigt: Von Insektensterben konnte jedenfalls in seiner Plantage nicht die Rede sein. Auch wenn ihm der Einsatz von Giften, mit denen einige seiner Kollegen in der Vergangenheit recht sorglos umgegangen waren, immer schon bedenklich erschienen war. Seine Gedanken schweiften davon, er dachte an die Vielzahl von Giften, die auch Pflanzen produzieren, um sich zu schützen. Und von denen man einige auch zur Schädlingsbekämpfung benutzt. Ein sehr bekanntes, tödliches Gift produzieren übrigens seine Bäume, vorwiegend sogar in den Früchten. Tödlich übrigens nicht nur für sechsbeiniges Ungeziefer, sondern auch für Menschen. Die aber werden in wenigen Wochen in den Supermärkten sein Obst begierig kaufen.

Zu Hause googelte Vogel dann noch ein wenig (ein internetfähiges Handy hatte er nicht – seine Welt war der heimische PC), wobei er über einen Begriff stolperte: „Polizeifutter“.

Wir fragen Euch:

  • Was hat Bauer Vogel angepflanzt?
  • was sind das für merkwürdige Knötchen an den Blättern?
  • Manche Biologen nennen sie Polizeifutter. Warum?
  • und was tun die Ameisen da?
  • Und was ganz anderes: welches tödliche Gift ist in den Früchten enthalten, und wieso ist trotzdem noch keiner von einem Glas der edlen Konfitüre  aus Vogels Hofladen tot umgefallen?

 Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Eine Blume für Robert Lemke“): Einjähriges Berufkraut, Erigeron annuus

Wozu große Worte machen:  @Nhu Deng hat es herausgefunden: „Gesucht wird das Berufskraut, Erigeron, daher die Beziehung zu Robert Lemke. Es gehört zu den Asternartigen und besonders viele Arten kommen in Nordamerika vor. ..Der deutsche Name leitet sich nicht von dem Wort Beruf ab, sondern von berufen, beschreien, verhexen. Um Krankheiten zu heilen wurde ein Sud, auch von anderen Kräutern, hergestellt und die Krankheit durch Schwarze Magie behandelt. Der Sud wurde äußerlich aufgetragen.“

Es ist übrigens ein ziemlich alter Neophyt, mit dem wir es hier zu tun haben. Eingeführt ursprünglich aus Nordamerika im 17. Jahrhundert als Zierpflanze, verbreitete sie sich recht schnell in der Alten Welt. Heinrich Bernd Rupp schrieb schon 1726 in seinem Botaniklehrbuch „Flora Jenensis“ (die Flora von Jena), dass sich die Pflanze, die er „Aster ramosus,annuus,canadensis Morisoni“ nannte (damals gab es noch nicht die von Linne eingeführten binären Pflanzennamen), sich über die Gärten selber aussät, und zwar mit den kleinen Flügelhaaren, die sie nach der Blüte bildet.

Heute ist sie ziemlich weit verbreitet, findet sich als Pionierpflanze sehr häufig in Unkrautfluren wie auch den heutzutage gerne angelegten „Blühwiesen“. Auch in Halle erscheint sie oft am Wegesrand. Trotz ihres invasiven Charakters scheint aber keine Problemart zu sein und wird selten dominant.

(HW)

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