Streit um Elektroschocker. LINKE kritisiert „Twitter-Umfrage“ der Polizeigewerkschaft

11. Oktober 2016 | Politik | 8 Kommentare

Fraktion DIE LINKE: Twitter-Umfrage zu Taser-Testpiloten – Offener Brief an die DPolG Berlin

Nach einer am Wochenende von der DPolG Berlin im sozialen Netzwerk Twitter veröffentlichten (später wieder gelöschten ) Umfrage zu Politikern als „Taser-Testpiloten“haben die innenpolitische Sprecherin der LINKEn-Fraktion im Landtag, Henriette Quade und der innenpolitischer Sprecher der Fraktion  im Abgeordnetenhaus Berlin in einem offenen Brief gegen die Aktion der DPolG protestiert.

Taser sind Elektroschockwaffen, die Gegner auf kurzer Distanz treffen. Die Geräte feuern – ähnlich einer Harpune – Elektroden auf den Gegner, die sich am Körper festhaken. Das Gerät sendet anschließend schmerzhafte Elektroschocks über die Kabelverbindungen gesendet. Aufgrund ihrer Wirkung sind derartige Waffen umstritten. Die Aussagen zur möglicherweise tödlichen Wirkung des Tasers sind widersprüchlich. Während Hersteller und Befürworter das Produkt als „nicht-tödliche Waffe“ bezeichnen, gibt es Studien aus den USA, die das Gegenteil nahelegen. Laut Amnesty International starben von  2001 bis 2008 allein in den USA 331 Menschen während oder nach dem Einsatz der Waffe. In etwa 40 Fällen ergaben gerichtsmedizinische Gutachten, dass der Einsatz der Waffe  Teil der Ursache oder Ursache des Todes war.

Die Protestnote der Fraktion DIE LINKE im Wortlaut:

Sehr geehrte

Damen und Herren,
liebe DPolG Berlin,

sicher ahnen Sie nach den diversen Reaktionen, die Sie auf ihren Tweet zum „Taser-Testpiloten“ bekamen, weshalb wir uns heute an Sie wenden. Sie fanden es also witzig, eine Twitter-Umfrage zur Frage zu starten, welche Politikerin bzw. welcher Politiker von Ihnen zum Taser-Test eingeladen werden sollte.   Kurze Zeit danach löschten sie diesen Tweet, nicht etwa mit einer Entschuldigung, sondern mit der Feststellung, dass der Taser kein Folterinstrument sei und Sie nicht den Eindruck erwecken wollten.  Das Internet vergisst nicht und so blieb auch ihrem Tweet eine virale Diskussion im Netz und auch in einigen Printmedien nicht erspart.

Im Netz werden diverse Forderungen erhoben, allen voran die nach einer Entschuldigung ihrerseits gegenüber den von ihnen genannten Personen. Wir wollen gar nicht verhehlen, dass auch wir das mehr als angezeigt finden. Dies ist jedoch nicht der Grund für unser Schreiben.

Was uns vielmehr besorgt und mit einiger Fassungslosigkeit erfüllt, ist wie leichtfertig Sie als Polizistinnen und Polizisten einerseits zu Gewalt- und Folterphantasien gegenüber Politiker_innen anregen und gleichzeitig die Waffe Taser in einer Weise verharmlosen, die wohl als einzigartig gelten darf.

Taser sind Waffen, die durchaus tödlich sein können und deren Einsatz schwerwiegende Verletzungen mit sich bringen bzw. nach sich ziehen können.  Der politische Streit um die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Geeignetheit von Tasern als Standardausstattungselement der Polizei ist dabei eine Sache und es ist Ihr gutes Recht, in diesem Streit jede Position zu vertreten, die Sie wollen.

Dass Sie als Gewerkschaft von Polizistinnen und Polizisten aber, als Träger von Hoheitsaufgaben also, den Eindruck erwecken, Taser seien harmlos (siehe dazu auch der Selbsttest ihres Kollegen in Sachsen-Anhalt), es sei unbedenklich und noch dazu spaßig, damit herumzuspielen und zu testen, ist schlichtweg verantwortungslos. Wir befinden uns in einer Situation zugespitzter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Neben vielen anderen werden auch Politiker_innen immer wieder Ziel von Attacken und Angriffen, die zu verhindern und aufzuklären Aufgabe der Polizei ist. Polizistinnen und Polizisten leisten viel und stehen vor enormen Herausforderungen und Aufgaben. Wie soll Polizei als Institution Vertrauen und Reputation genießen, wenn durch eine Interessenvertretung von Polizist_innen nicht nur rassistische Witze in Kalendern verbreitet werden, jede Kritik an einzelnen Fällen polizeilichen Fehlverhaltens als haltlos und böswillig abqualifiziert wird, Sie sich in Sachsen-Anhalt (In Berlin eigentlich auch?) von einer Herstellerfirma von Tasern ungeniert sponsern lassen und nun auch noch Gewaltphantasien gegen Politiker_innen anregen?

Nun könnte man sagen: Wen wundert es? Mit einem Bundesvorsitzenden der seine Bücher vom mindestens rechtsoffenen Kopp-Verlag herausbringen und bewerben lässt und einem Berliner Landesvorsitzenden, der in den 90er Jahre für die Republikaner kandidierte, die u.a. forderten „Berlin muss deutsch bleiben“, völkische und nationalistische Politik betrieben und eng mit anderen rechtsextremen Gruppierungen kooperierten.

Doch Sie sind nicht irgendein Verein, Sie sind eine Interessenvertretung von Polizistinnen und Polizisten in einem demokratischen Rechtsstaat.
Durch Ihr Agieren tragen Sie nicht nur einen Teil zur Vergiftung des politischen Klimas bei. Sie beschädigen auch das Ansehen von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land und diskreditieren sich als ernst zu nehmender Akteur in innen- und sicherheitspolitischen Debatten nachhaltig und nach ihrer jüngsten Entgleisung endgültig. Einer Stellungnahme Ihrerseits sehen wir jedoch gespannt entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Henriette Quade                            
Innenpolitische Sprecherin Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt

Hakan Tas
Innenpolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin

Print Friendly, PDF & Email
8 Kommentare

Kommentar schreiben