Der Mönch nimmt ein Messer, schneidet Gemüse: Du wirst nicht ahnen, was dann Furchtbares passiert

22. April 2024 | Bild der Woche | 12 Kommentare

Bruder William nahm sein großes Messer, zerlegte die saftigen Stängel jener Pflanze, die die Leute da draußen „Mönchsrhabarber“ nannten. Verschieden Heilkräfte schrieb man ihr zu. Aber, so die Blätter und Stängel gut gedünstet waren, wurde es auch als eine Art „Spinat“ nicht unschmackhaft. Sehr säuerlich war es anfangs daher gekommen, und die Zähne fühlten sich danach rau an, wie man es auch von Zitronen sagt, die hier, im tiefen Oxford, noch niemand im Kloster gesehen hatte.  Bruder William Ockham, der für die Küche zuständig war, hatte herausgefunden, dass diese unangenehme Wirkung verschwand, wenn er etwas guter Sahne hinzu gegeben hatte.

Im Refektorium hatten sie des Abends die Speise gegessen, einige der Brüder beklagte sich über eine gewisse Bitterkeit, die sich aber mit einigen Humpen des ebenfalls recht säuerlichen Bieres gut hinunterspülen ließ.  Aber die folgende Nacht geriet zur Hölle. Etliche Brüder beklagten sich über heftige Darmwehen, auf dem Weg über den Hof zur den Abortgruben wechselten die Brüder erschrockene Blicke. Einige befiel Schwindel, ein älterer Bruder brach sogar bewusstlos zusammen.

Am nächsten Tag – schwächere ältere Klostermänner lagen noch immer leidend im Bett – begannen man,  die Ursache der bösen Erscheinung  ergründen. „Jemand muss uns Arsen in die Küche geschmuggelt haben“, ging eine Vermutung.
„Aber wie, die Küche ist verschlossen, und hier hinein ist niemand gelangt“, widersprach Ockham.
„Dann war es jemand, der sich Unsichtbar machen kann“, sagte der nächste.
„Hast du sowas schon mal gesehen?“ raunte es. „Na, wie denn“, schallte es lachend zurück.
„und warum haben die Hunde nicht gebellt ?“
„Na, weil der Einbrecher sie vergiftet hat“
„Aber die Hunde leben doch noch“
„Dann hat er sie eben betäubt“
„Und dann hat er auch noch das das Schlüsselversteck zur Küche finden können? Das sind aber viele Zufälle und Annahmen, die Du machst, Bruder Chatton“, sagte Ockham.
„Man muss halt genügend Phantasie haben, um alle möglichen Annahmen treffen zu können, wenn Du zu einer Erklärung kommen willst, Bruder Ockham“

Ockham war da ganz anderer Meinung. Er war ein Freund er Schlichtheit. „Irgend etwas war doch anders, als sie mir heute den „Rhabarber“ in die Küche brachten“, wunderte er sich.  Er ging in den Garten, nahm sein großes  Rasiermesser, und schnitt die Reste von den geknickten „Spinat“pflanzen ab, so, als könne er mit einem Messer auch dumme Gedanken einfach abrasieren. Schon in der Küche, bei der Zubereitung hatte er es bemerkt, und jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen:  Die Gartenbrüder hatten sich doch jüngst noch gefreut, dass ihre Pflanze, die sonst nur ein bis zwei Fuß hoch wurde, die doppelte Größe erreichte: einige Stängel waren mannshoch. Die Blätter hatten sich aber auch verändert: nun liefen sie spitz zu, nicht stumpf, und ihre Ränder waren gekräuselt, gewellt. Die Vergiftungen mussten eine Ursache haben, eine EINZIGE. Er besah sich noch einmal die Reste „Rhabarberpflanze“. Und stelle fest: Es gab eine Grund, das sie so groß waren. Nicht, weil sie gut gedüngt war, nicht wegen der guten Pflege. Was hatte sich verändert? Neulich hatte jemand von ihnen neue Samen mitgebracht. Nein, dies war nicht ihr Mönchsrhabarber. Es war eindeutig etwas anders, ähnliches, giftigeres. Das schloss er messerscharf. Es war eine böse Verwechslung. Aber was war das für ein geradezu giftiger Doppelgänger, der sich in den Garten geschlichen hatte?

Schnitt in die Gegenwart: Das, was wir heute als Rhabarber essen, kannten die Mönche des Mittelalters nicht. Wenn sie von „Rhabarber“ sprachen, dann meinten sie einen Artverwandten des Gemüserhabarbers, der von weit her aus dem Orient importiert werden musste, und dessen Wurzeln zum “purgieren“ verwendet wurde. Aber „Mönchsrhabarber“, als Knöterichgewächs nur sehr entfernter Verwandter, war ein günstiger Ersatz. Jedenfalls: die Pflanze, die Bruder Oakham nun in den Händen hielt, war kein echter Rhabarber. Es war auch kein Mönchsrhabarber, auch wenn sie erst einmal Ähnlichkeiten zu ihm hatte.

Unsere Pflanze hat mit unserem Rhabarber, aber auch mit Sauerklee, Mangold, Spinat und sogar Weizenkleie etwas gemeinsam: sie enthält einen Stoff, der – in größeren Mengen genossen – giftig wirkt. Ab etwa fünf Gramm sogar tödlich. Die Substanz schädigt die Knochen und die Nieren, führt zu plötzlichem Blutdruckabfall. Die Pflanze gilt heute in der Landwirtschaft als Unkraut, und zwar als besonders lästiges. Zur Zeit fällt sie überall auf, auch hier im Stadtgebiet. Sie liebt überdüngte Wegränder und verdichteten Boden. Auf vielen Mittelstreifen ist sie zu Hause und fällt jetzt durch ihren aufschießenden Wuchs und den großen Blättern auf. Von ihrem Verzehr als Gemüse sollte man also besser abraten.

Genau, das wäre die erste Frage:

um welche Pflanze handelt es sich?

Welcher Inhaltsstoff macht sie so gefährlich ?

Warum tut Bruder Ockham Sahne hinzu?

Bruder Ockham schnitt mit seinem „Rasiermesser“ Pflanzen im Garten. Einst diente es einem ganz anderen Zweck, und dazu verwendet man es auch heute noch. Wozu?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: „Stroh im Kopp: wenn manche Online-Redakteure sich nicht mal in Geographie auskennen“: Garten-Strohblume, Helichrysum bracteatum.

Unser Rugby war schnell – etwas zu schnell, denn mit seinem Tip, der Zitronen-Flaschenbürste, einem Myrten-Gewächs, lag er daneben. Dabei hätten einige Dinge schon gepasst: das Schloss Malmaison mit seinem exotischen Pflanzengarten, der die Aufmerksamkeit vieler Botaniker erregte und von wo viele Pflanzenneuheiten erstmals beschrieben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden: „Aimé Bonpland, eines seiner Buch Description des plantes rares, cultivées à Navarre et à Malmaison (1813, mit 64 Kupfertafeln), 1803 dürfte falsch sein, da war Bonpland auf Reisen (mit dem Humboldt-Alex übrigens) und konnte derweil schlecht Bücher herausgeben“ schrieb Rugby. Hätte passen können, wenn da nicht diese Jahreszahl gewesen wäre. Und die Blüten, die wir in das KI-Bild der angeblichen Napoleon-Gattin Josephine geschummelt hatten, sehen doch eher nach einem Korbblütler als nach Myrtengewächs aus ?

Zehn Jahre zuvor, also schon 1803, hatte der Bibliothekar und Botaniker Etienne Pierre Ventenat (1757-1808), Josephines Gunst erworben und einige Pflanzen, die neu in Europa aufgetaucht waren, neu beschrieben. Sein „Jardin de la Malmaison“ erschien 1803. Und hier beschrie er die die in Australien heimische „Heliochrysum bracteatum“, der Stammmutter unserer Gartenstrohblumen.

Wenn nun Ventenat nicht in Australien war, von wem stammte der Text, jene Beschreibung australisccher Landschaften aus dem 1861 in Halle erschienen Werk über die „Neuesten Entdeckungen in Afrika, Australien und der arktischen Polarwelt“, wo auch die in den Steppen blühenden Strohblumen erwähnt sind? Es war Dr. Otto Ule, nach dem im Mühlwegviertel die Ulestraße benannt ist. Auch er war nie in Australien. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Naturkunde und besonders seine populären Veröffentlichungen seine machten ihn zu einemangesehen Mitglied der Leopoldina. Bekannter ist Ule jedoch für seine Verdienste um die Hallesche Feuerwehr, für deren technische und organisatorische Aufstellung er sich engagierte. Dies wurde ihm zum Verhängnis: Bei einem Einsatz in der großen Ulrichstraße fiel ihm ein Stein auf den Kopf. Sein Grab kann man noch heute auf dem Nordfriedhof bewundern.

Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv.

 

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