Vom blauen Wunder

9. Juli 2022 | Vermischtes | Keine Kommentare

1 Himmelblau, 2 Cyan, 3 Ultramarin, 4 Phthaloblau, 5 Türkis

Umfragen zufolge ist Blau die Lieblingsfarbe der Europäer und Amerikaner. Kein Wunder dass Blue Jeans zu den meistverkauften Kleidungsstücken wurden. Etliche Organisationen schmücken sich mit der Farbe Blau. Der blaue Grund auf der Europaflagge z.B. symbolisiert den Himmel. Die blaue Flagge der UN steht für Frieden. Auch das mdr-Logo gibt sich nach einer bunten Phase blau. Ist es hier das erinnerungsträchtige, verbindende FDJ- und Pionierblau, das vermeintlich mal  für Zukunft, Lebensfreude und Optimismus stand und jetzt ostdeutsche corporate identity suggerieren soll? Oder hat man sich an der Farbpsychologie orientiert, nach der Blau für Harmonie, Gelassenheit, Vertrauen, Intelligenz usw. steht?

Jeans

In der Menschheitsgeschichte spielte die Farbe Blau sehr lange keine besondere Rolle. In Höhlenmalereien kommt blau nicht vor. Es gab nicht einmal ein Wort dafür. Himmel und Meer brachte man lange nicht mit der Farbe Blau in Verbindung. Überlebenswichtiger war es z.B., mit seinem Sehsinn differenzierte Grüntöne wahrzunehmen, die etwas über die Umwelt und Nahrungsquellen aussagen. In der Natur kommt Blau nicht besonders häufig vor. Blaue Blumen sind relativ selten; blaue Tiere erst recht. Die chemischen Prozesse in Pflanzenzellen zur Herstellung blauer Farbpigmente (Anthocyane) sind recht aufwändig. Deshalb machen das Pflanzen nur, wenn sie erhebliche Vorteile davon haben. Nur 7% aller Blütenpflanzen weltweit werden vom menschlichen Auge als blau wahrgenommen. Blaue Lebensmittel sind selten. Blauer Mais der Hopi-Indianer und violettblaue Kartoffeln aus Südamerika begeistern nicht auf Anhieb. Ebenso irritierend ist es mit einem Dinér en bleu, bei dem Gerichte farblich, aber nicht geschmacklich verfälscht sind.

Als die Farbe Blau ins Bewusstsein der Menschen rückte umgab sie rasch das Flair des Besonderen, Göttlichen. Die Ägypter verbanden mit ihr die überlebenswichtigen, göttlichen blauen Nilfluten. Blaue Farbe war lange sehr wertvoll, weil sie kaum verfügbar war. Blaue Mineralien wie Lapislazuli waren sehr selten und extrem kostbar. Die raren Vorkommen in Afghanistan, am Baikalsee und Tadschikistan wurden schon seit prähistorischen Zeiten ausgebeutet und gehandelt. Zunächst gab es Lapislazuli als kostbare Schmucksteine. Besonders beliebt im alten Ägypten waren daraus gefertigte Skarabäen (Glücksbringer-Käfer) und Perlen aus dem blauen Mineral. Die Ägypter wußten Lapislazuli zu mahlen und als Pigment zum Malen zu verwenden. Es gelang ihnen sogar, aus Quarz, Kalk und Kupfer ein Kupfersilikat von kräftiger, neutralblauer Farbigkeit zu Erschmelzen. Auch dieses erste synthetische Pigment der Menschheit, das Ägyptischblau blieb exklusiv den Machthabern der Dynastien vorbehalten. Etrusker, Griechen und Römer importierten und vermalten Ägyptischblau. Aber ab dem 9.Jhdt. verlieren sich seine maltechnischen Spuren im Mittelalter. 

Inzwischen hatte der Mensch gelernt, aus pflanzlichen Quellen Farbstoff herzustellen, mit dem man Textilien blaufärben konnte, dem Indigo. Den Farbstoff gewann man aus Färberwaid. Die Pflanzen enthalten allerdings nur eine Vorstufe des Indigo. Zum Blaufärben sind weitere Behandlungsschritte notwendig, darunter der Zusatz von Urin. Das größte deutsche Anbaugebiet für Färberwaid befand sich in Thüringen. Als im 19.Jhdt. die chemische Synthese von Indigo gelang, wurde der Anbau bedeutungslos. Auch die Synthese des Lapislazuli-Pigments gelang zu dieser Zeit. Die Preise fielen und die Chemieindustrie verdiente sich mit dem Export des Ultramarin-Pigments eine goldene Nase.

Blau ist nicht gleich blau. Heute kann man eine Vielzahl von Blautönen erzeugen. Die Liste der Blautöne und Farbwörter scheint schier unendlich. Ägäisblau, Aquamarinblau, Dunkelblau, Eisblau, Fliederblau, Heidelbeerblau, Himmelblau, Jeansblau, Kornblumenblau, Schieferblau, Ultramarinblau, Veilchenblau und noch viele mehr beschreiben Blautöne, die man sich vor dem inneren Auge vorstellen kann. Dann gibt es Blaubezeichnungen, die sich nüchtern auf die stoffliche Herkunft beziehen wie Anilinblau, Indigo, Methylenblau, Preussischblau, unter denen sich aber die meisten nichts Konkretes vorstellen können.

Fingerrprofil

Vor wenigen Jahren entdeckte man eine neue, hochinteressante Verwendung des uralten Pigments Ägyptischblau. Zur Spurensicherung in der Kriminalistik werden bekanntlich verschiedene Pulver zur Sichtbarmachung von Fingerabdrücken verwendet. Oft haften die Fingerabdrücke nur schwach und sind fast nicht nachweisbar. In solchen Fällen kann man mit Ägyptischblau die schwachen Spuren hervorragend sichtbar machen. Ägyptischblau ist ein kristallines Schichtsilikat, das Glitzerffekte zeigt. Die entstehen, da das Pigment in extrem feine Nanoblättchen zerfällt. Diese Nanoblättchen haften z.B. an den Fingerabdrücken. Bestrahlt man die dann mit Licht, geben selbst schwache Spuren starke Strahlung im Nahinfrarot-Bereich ab, die man mit Infrarotsensoren deutlich sehen kann. So leuchten selbst kaum wahrnehmbare Fingerabdruckspuren brilliant.

(H.J. Ferenz)

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