Vom Fischerdorf zum Ostseebad

22. Januar 2024 | Rezensionen | Keine Kommentare

Die „Mitteldeutschen kulturhistorischen Hefte“ des Hasenverlages greifen immer wieder Themen (auch bisher weitgehend unbekannte) der Regionalgeschichte auf. Im neuen Heft 49 macht der Schriftsteller Jens-Fietje Dwars mit der Fotografin Annemarie Giegold-Schilling (1907-1982) bekannt.

Als Tochter eines Kaufmanns in Nordhausen geboren kam Annemarie Schilling mit 21 Jahren nach Halle, wo sie sich in der Fotoabteilung der „Meisterschule des deutschen Handwerks“ auf der Burg Giebichenstein bei Hans Finsler (1891-1972) ausbilden ließ. Die Fotografie war damals immer noch eine Männerdomäne. 1932 wagte die selbstbewusste Giegold-Schilling (seit 1935 mit dem Architekten Kurt Giegold verheiratet) den Schritt in die Selbstständigkeit. In den 1930er und 1940er Jahren war sie dann im Auftrag zweier hallescher Tageszeitungen in ganz Mitteldeutschland unterwegs. Ihre Fotos erschienen in mehr als 20 Zeitungen und Zeitschriften, sogar in der Pariser „La Revue Moderne“. Mit ihren Fotos hielt sie vor allem den Alltag in und um Halle fest, darunter auch Bildgeschichten und Kamera-Streifzüge wie „Tanz-Tee im Flughafen“ oder „Durch Halles Häfen“, die beide in der Neuerscheinung vertreten sind.

Von 1950 bis 1970 war Giegold-Schilling vor allem in Ahrenshoop künstlerisch tätig und hat die Entwicklung vom traditionellen Fischerdorf zum „Ostseebad der Kulturschaffenden“ begleitet. Dabei lag auch hier die Stärke ihrer Fotos im Einfangen des Alltäglichen. Daneben gibt es aber auch bemerkenswerte Landschaftsaufnahmen. Die Ahrenshoop- Fotos sind der Hauptbestandteil des neuen „Heftes“; sie wirken noch heute verblüffend lebendig. 1979 beendete Giegold-Schilling aus Altersgründen ihre fotografischen Arbeiten und drei Jahre später verstarb sie. Ihr Grab befindet sich auf dem Gertraudenfriedhof in Halle.

Die Neuerscheinung schafft also eine fotografische Verbindung von der Industriestadt Halle zum Ostseestrand. Bleibt noch zu erwähnen, dass das Stadtarchiv seit einigen Jahren über 2.000 Negative der halleschen Berufsfotografin Annemarie Giegold-Schilling besitzt, die ein Stück Stadtgeschichte dokumentieren. Neben der Ausgabe in der Reihe der „Mitteldeutschen kulturhistorischen Hefte“ gibt es außerdem eine separate Ausgabe mit verändertem Cover. Fazit: Eine lobenswerte Bereicherung der Reihe. Man darf auf den Jubiläumsband 50 gespannt sein.

Annemarie Giegold-Schilling: „Vom Fischerdorf zum Ostseebad – Ahrenshoop-Fotos aus den 1950 Jahren“, Hasenverlag Halle/Saale 2023, Heft 49 der „Mitteldeutschen kulturhistorischen Hefte“, Hg. von Peter Gerlach und Moritz Götze, 15,00 €, 96 S., ISBN 978-3-945377-90-1

 

 

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