„Mit dem Rollstuhl in die Tatra-Bahn“

Menschen mit Behinderungen spielten in der Forschung zur Sozialgeschichte der DDR bislang kaum eine Rolle. Nun hat die Politik,- Rechts- und Erziehungswissenschaftlerin Ulrike Winkler mit der Neuerscheinung „Mit dem Rollstuhl in die Tatra-Bahn“ im Mitteldeutschen Verlag eine umfangreiche Dokumentation zu diesem Thema vorgelegt. Die Veröffentlichung entstand im Rahmen des universitären Kiel-Münchener Verbundprojekts „Menschen mit Behinderung in der DDR“.

Die Studie beschäftigt sich mit dem Lebens- und Arbeitsalltag von Erwachsenen mit angeborenen oder erworbenen körperlichen sowie Sinnesbeeinträchtigungen, die nicht in einem Heim, sondern – allein oder mit ihren Familien – im dörflichen oder urbanen Raum lebten und versuchten, in größtmöglicher Selbstständigkeit ihren Platz in einer als sozialistisch propagierten Gesellschaft zu finden. Ihre Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe, ihre Erfolge und ihr Scheitern werden beschrieben und analysiert.

Ein wichtiges Forschungsinteresse richtete sich auf die Frage, wie die Räte der Stadt Halle und der Stadt Halle-Neustadt – angesichts einer völlig unterschiedlichen Bausubstanz und städtebaulicher Voraussetzungen – mit dem Problem des Bedarfs an barrierefreiem Wohnraum und gesellschaftlicher Teilhabe umgegangen sind.

Die Studie gliedert sich in sieben Kapitel, die sich auf die verschiedenen Untersuchungsgegenstände konzentrieren – wie das gesellschaftliche Verständnis von Behinderung in der DDR oder die architektonischen Begebenheiten in Halle-Neustadt. Die Autorin hat dabei u.a. mit Betroffenen, Angehörigen, ebenso mit damaligen Architekten und Ärzten gesprochen und zahlreiche, teils unbekannte Dokumente ausgewertet.

Ulrike Winkler: „Mit dem Rollstuhl in die Tatra-Bahn – Menschen mit Behinderungen in der DDR: Lebensbedingungen und materielle Barrieren“, Mitteldeutscher Verlag Halle 2023, 32,00 €, 240 S., ISBN 978-3-96311-641-4