Jüdische Sakralmusik für Toleranz und Menschlichkeit

16. Dezember 2019 | Rezensionen | Keine Kommentare

Ein wunderschönes musikalisches Geschenk machte das Louis-Lewandowski-Festival Berlin am 15. Oktober ab 18 Uhr der Stadt Halle und seinen Bewohnern in der Marktkirche und erinnerte damit an den rechtsextremistischen Anschlag vom 9. Oktober auf die Synagoge in Halle, der zwei Menschen das Leben kostete, aber die jüdische Gemeinde auf wundersame Weise verschonte.

An die Opfer, Jana und Kevin, erinnerte Max Privorozki von der betroffenen jüdischen Gemeinde zu Beginn: Er nannte sie zwei Lichter, die nun beim Lichterfest auf uns herunterschauen. Sie sollen unvergessen bleiben. Nils Busch-Petersen, Festivaldirektor des Louis-Lewandowski-Festival Berlin, erklärte dem Publikum, dass die jüdische Synagogalmusik eine junge Musikgattung sei, die erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand und am Ende in ca. 200 Synagogen mit Orgelausstattung praktiziert wurde. Heute, nach der Shoah, gibt es nur noch eine Synagoge in Berlin, die diese Musik spielt. Die Shoah war nach Herrn Busch-Petersen also nicht nur ein kaum begreifbares Verbrechen an einem Teil der deutschen Bevölkerung, sondern auch ein Stück Kultur ging damit (fast) verloren, nämlich die Deutsche Synagogalmusik.

Sie haben noch nie davon gehört? Wir auch nicht, deswegen haben wir uns sehr auf dieses unerwartete Geschenk gefreut und machten die Ohren weit auf, denn nach freundlichen Worten von Frau Lange von der Stadt Halle konnte es beginnen:

Für Jürgen Geiger war die Orgel der Marktkirche zwar ungewohnt, das war an mehreren Stellen zu merken, aber wir sahen es ihm nach, denn fulminant begann er mit der „Fanfare to Israel“ (1950) von Paul Ben-Haim, arrangiert für Orgel. Das Ensemble mit seinen 10 professionellen Konzertsänger/innen plus Kantor Isaac Sheffer stieg unter der künstlerischen Leitung von Regina Yantian mit mehreren Stücken von Heinrich Schalit (1886 – 1976) ein. Es folgten Stücke von Maier Kohn, Hugo Chaim Adler, natürlich auch von Louis Lewandowski, Emanuel Kischner und Max G. Löwenstamm, die ich hier alle namentlich erwähnen möchte, um sie dem Vergessen zu entreißen. Gewiß, es waren z.T. ungewohnte Klänge, aber wiederum so nahe an der Romantik, dass dieses Konzert auch für Menschen ohne Verständnis in die jüdische Liturgie zwar nicht gänzlich begreif- und erfassbar, aber erfühlbar war. Ganz nahe am Herzen war der Gesang von Kantor Sheffer. Wie stimmgewaltig die Sänger/innen des Synagogal Ensemble Berlin waren, zeigte, dass sie sich von der Orgel der Marktkirche nicht an die Wand spielen ließen. Einigermaßen ergriffen verließen wir das Gotteshaus, in dem heute ein Gott gepriesen wurde, auf den sich drei Weltreligionen berufen. Heute kam der Lobpreis von jüdischer Seite in einem christlichen Gotteshaus.

Wie schön wäre es gewesen, wenn dieses Geschenk des Kennenlernens der Deutschen Synagogalmusik ohne das Attentat und die zwei unschuldigen Opfer hätte überreicht werden können! Sie haben aber ganz gewiß zugehört!

Hinweisen möchten wir noch auf das Louis-Lewandowski-Festival Berlin, das am 19.12. um 18 Uhr in der St. Nikolaikirche, Potsdam, eröffnet wird. Alle weiteren Infos unter https://louis-lewandowski-festival.de/

Fotos und Text: ToK

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