Stellungnahme des Zeitgeschichten e.V. zum „Sigmund-Jähn“-Planetarium
1. Februar 2021 | Politik | 13 Kommentare
Planetarium-Halle_3D-Modell
Auf eine Bitte der CDU-Stadtratsfraktion hat der Verein Zeit-Geschichte(n) Halle eine Akteneinsicht bei der Stasiunterlagenbehörde vorgenommen und kommt zu folgender Einschätzung:
In den wenigen auffindbaren Unterlagen bestätigt das MfS Sigmund Jähn eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Aus einer Karteikarte wird ersichtlich, dass Jähn ab Mitte 1980 nicht mehr nur als GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit) sondern als IM (Inoffizieller Mitarbeiter) mit dem Decknamen „Tanja“ geführt wurde.
Wegen seiner öffentlichen Auftritte im In- und (auch westlichen) Ausland stand Sigmund Jähn selbst unter Beobachtung. Das MfS überprüfte Kontakte, seine parteiliche Standfestigkeit im Sinne der SED und gab Anweisungen für persönliches Verhalten. Laut Aktenlage versuchte er diese Auflagen in einigen Fällen (sein Privatleben betreffend) zu umgehen. Der dazugehörige detaillierte Aktenvorgang ist bisher nicht auffindbar – Anlass darauf hinzuweisen, dass die brach liegende Arbeit des Fraunhofer Instituts zur Rekonstruktion vorvernichteter Akten unbedingt fortgeführt werden sollte.
Unbestreitbar zeigt der Lebenslauf, dass Sigmund Jähn nicht nur „systemnah“ sondern Teil des Unterdrückungssystems der DDR war, das er bereitwillig repräsentierte und dem er bis zum Schluss verbunden war. Bei aller Anerkennung für seine Leistung im All und Sympathie für den als zurückhaltend und bescheiden beschriebenen Menschen: Hier auf der Erde macht ihn das nicht zum Helden. Davon zeugen die Stationen vom Buchdrucker, Pionierleiter, Parteigruppenorganisator, Mitglied der SED-Parteileitung, Jagdflieger der NVA, Studium in Moskau mit Abschluss „Diplom-Militärwissenschaftler“, Kosmonaut und Aufstieg in der NVA bis zum Generalmajor.
Auch während Perestroika und Glasnost übte er keine Kritik am DDR-System sondern warb noch im Mai 1989 für die (nachweislich gefälschten) Kommunalwahlen und nahm im Sommer an den Weltfestspielen in Nordkorea teil.
Auch nach 1990 äußerte er sich nie öffentlich kritisch zur SED-Diktatur und zeigte keine Anteilnahme am Schicksal politisch Verfolgter.
Es wäre eine Verletzung des Gedenkens an alle an Leib und Seele Geschädigten des DDR-Unrechtsstaats, wenn heute ein Generalmajor der NVA und Repräsentant des SED-Staates geehrt wird. Die NVA war nicht irgendeine normale Armee. Sie war ein zentraler Teil des Disziplinierungs- und Unterdrückungssystems der SED. Sie war insbesondere seit Einführung des Wehrdienstes und ohne wirkliche Möglichkeit der Verweigerung ein zentrales Element um junge Menschen zu entmündigungsbereiten, sozialistischen Staatsbürgern zu formen.
Das neue Planetarium sollte deshalb nicht den Namen eines Generalmajors der NVA tragen –zumal das Planetarium der Erforschung der Sterne dienen soll, während Jähn sich kaum von der Erde entfernt und mit seinem Flug vor allem dem Prestige der DDR gedient hat.
(Zeitgeschichten e.V.)
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Der Thread ist auf einmal so fleckenlos rein.
Bei dem Thema, ein radikal um Kritik an der derzeitigen Stasi-Infantilisierung von DDR-Geschichte gesäuberter Thread. Das hat echt was.
Ich hbe meine Meinung in einem Leserbrief formuliert, die MZ hat ihn auch veröffentlicht:
Es könnte jeder bei seiner politischen Auffassung und Bewertung der Person von Siegmund Jähn bleiben, wenn das neue Planetarium nicht nach Siegmund Jähn oder einer anderen Person benannt wird , also z.B. nur „Planetarium Halle“, oder nur einen Zusatz wie z.B. „Planetarium Halle-Holzplatz“ erhält. Oder einen Namen, der mit Astronomie zu tun hat, wie z.B. „AstroMeter Halle“, weil in diesem Namen Astro (Stern) und Meter (von Gasometer) enthalten ist.
Wenn man von den Zeiss-Planetarien, die von der Fa.Zeiss oder der Zeiss-Stiftung erbaut wurden, absieht, und auch vom
„Nicolaus-Kopernikus-Planetarium“ in Nürnberg, hat kein anderes Großplanetarium in Deutschland einen Personennamen. Und auch kleinere Planetarien haben selten einen Personen- Zusatznamen.
Die Benennung nach einem Kosmonauten, der sich einige hundert Kilometer von der Erde entfernt hat, auch wenn es der erste Deutsche war, oder nach einem, der sogar auf dem Mond war, ist für ein Planetarium, das uns die Weite des Weltalls zeigt, einfach unpassend.
Wenn schon nicht nur Planetarium Halle, dann sollte es ein Name sein, der die unbegreifliche Unendlichkeit und Schönheit des Weltalls mit seinen ehernen Gesetzen anklingen lässt.
Vielleicht sollte der Verein fantasievolle Märchen e.V. die Unterlagen überprüfen. Der ein oder andere DDR-Fan und Querdenker hier im Forum kann die Fakten bestimmt auch entsprechend Umdeuten.
Manche DDR-Romantiker betrachten die Geschichte mit einer Jähn-Optik.
Besser eine neutrale Institution. Es riecht nach Netzwerk.
Die CDU-Fraktion des Stadtrates hätte die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der Einsichtnahme in die Stasiakten beauftragen sollen.
Aus wieviel Mitgliedern besteht eigentlich der Verein?
Die Stadt Halle mag unseren Sigmund Jähn wirklich nicht. Die Bitte um Aufarbeitung kommt von einer der scheinheiligsten Partei, die selbst ihre DDR-Täterrolle nicht aufgearbeitet hat und der SED hörig, sie bereitwillig deckte, repräsentierte und der sie bis zum Schluss verbunden war. Mittäter bei den Wahlen, Mittäter und Dulder bei der „Zwischendeutschen“ Zwangsarbeiter Wahren-Produktion und Handel. Nie offen in der DDR Widerstand leistend. Erinnert mich an die eindeutige Nummerierung von Menschen, die nach dem 2. Weltkrieg keiner mehr wollte und nun mit der Steuernummer supi doch eingeführt ist. Der Zweck heiligt die Mittel. Ändern tut sich durch Geschichte offenbar nichts. Gewinner sprechen Recht – gerne auch gegen früher geltendes Recht. Was auch gut geht – so lange „rummachen“ bis es passt.
Man muss natürlich wissen, dass Anne Kupke als ehemalige Mitarbeiterin von Dr. Bergner (CDU) die Tochter von Wolfgang Kupke, einem Exponenten dieses Forums im Kampf gegen den Namen Jähn, ist und zugleich die Geschäfte des Vereins Zeit-Geschichte(n) führt. Ein innerfamiliäres und sich damit relativierendes „Gutachten“.
Der Name „Planetarium“ reicht doch.
Die Stadt Halle mag also Sigmund Jähn nicht?
„Gefördert vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle (Saale)“
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.