Kein Schlussstrich unter „NSU-Komplex“: Demo am Mittwoch zur Urteilsverkündung. Filmsequenzen werden an Hauswände projeziert

10. Juli 2018 | Politik | Ein Kommentar

Am kommenden Mittwoch, den 11. Juli 2018 wird im NSU Prozess das Urteil gegen die fünf Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger Gerlach und Carsten Schultze fallen. Die Gruppe „NSU-Komplex auflösen. Halle“ schließt sich an diesem Tag der bundesweiten Kampagne „Kein Schlussstrich“ an und ruft zu einer Demonstration in Halle auf. Die Gruppe greift in ihrem Aufruf die Plädoyers der Nebenklage im NSU Prozess auf und kritisiert, dass weder Bundesanwaltschaft noch das Oberlandesgericht München Interesse daran gezeigt hätten, „den zahlreichen Hinweisen auf ein umfassendes Netzwerk aus Neonazis,
V-Leuten und staatlichen Mitarbeiter*innen nachzugehen.“ [1] Das Bild eines isoliert und selbständig  agierenden Trios von Rechtsterroristen, sei von Bundesanwaltschaft und dem vorsitzenden Richter nie hinterfragt worden. Stattdessen sollte ein schnelles und hartes Urteil gefällt werden, um ein konsequentes Durchgreifen gegen rechte Mörder unter Beweis zu stellen und wieder Ruhe und Frieden einkehren zu lassen.
Kurzum: es sollte ein Schlussstrich unter den NSU gezogen werden.

Dies möchte die Kampagne “Kein Schlussstrich” verhindern. Unterstützt wird sie von Angehörigen und  Betroffenen sowie zahlreichen zivilgesellschaftlichen Unterstützer*innen. Sie fordern u.a. die Einlösung des Versprechens der “lückenlosen Aufklärung”, das Bundeskanzlerin Merkel im Februar 2012 den  Hinterbliebenen und Betroffenen gegeben hat und das im Prozess nicht gehalten wurde. Das Versagen von Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutzämtern wurde nicht umfassend aufgedeckt. Die Familien der Opfer und die Betroffenen wurden aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft jahrelang und fälschlicher Weise
von der Polizei als Täter*innen verdächtigt und für die Konsequenzen nicht entschädigt.

Zur Begründung, weshalb auch in Halle eine Demonstration stattfinden soll, schreibt die Gruppe in ihrem Aufruf: „nicht nur an den NSU-Tatorten, sondern auch in Sachsen-Anhalt und Halle werden nahezu täglich Menschen, die nicht in das Weltbild von Neonazis, Neurechten und Rechtspopulist*innen passen angegriffen und bedroht. Im gesellschaftlichen Klima von Rassismus und der rückwärtsgewandten Ablehnung vielfältiger und freiheitlicher Gesellschaftsentwürfe finden rechte Täter*innen Rückhalt und Rechtfertigung.“ Die  Demonstration wird am Mittwoch, den 11. Juli 2018 um 21h am Marktplatz in Halle beginnen und mit verschiedenen Videointerventionen durch die Stadt führen, um über den Prozess und den NSU-Komplex zu informieren. Nähere Informationen finden sich auf facebook.com/nsukomplexaufloesen.

Update (10.07.2018). Die Polizei vermeldet hierzu:

Für den morgigen Tag wurde in der halleschen Innenstadt eine Versammlung mit Aufzug im Zeitraum von 21:00 Uhr bis ca. 01:00 Uhr angemeldet. Da an einzelnen Zwischenkundgebungsorten kurze Filmsequenzen an Hauswände projiziert werden sollen, kann die Versammlung nur bei Dunkelheit durchgeführt werden. Insbesondere aufgrund dieser späten Veranstaltungszeit haben die Anmelder zugestimmt, begleitende Beschallungen auf geringstmögliche Lautstärke zu beschränken und so Lärmbelästigungen für Anwohner weitestgehend zu vermeiden. Für die Dauer der Versammlungen ist infolge des Aufzuges im Innenstadtbereich außerdem mit Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen

 

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