Fall Oury Jalloh: Ist Ministerin Keding noch zu halten? LINKE und Grüne kritiseren Verschleierungstaktik.

7. Dezember 2017 | Politik | Keine Kommentare

Mehr und mehr verdichten sich die Verdachtsmomente zu einer schrecklichen Erkenntnis:  dass Oury Jalloh in Folge von Gewalt in seiner Zelle starb, und nicht sich selbst entzündete. Die Hinweise und Spuren werden offenbar mehrheitlich von Sachverständigen so  interpretiert, als habe der Brand der Verdeckung einer Straftat gedient. Möglicherweise könnte Oury Jalloh in seiner Zelle schwer misshandelt worden sein, bewußtlos oder bereits tot gewesen sein, als ihn jemand angezündet hat. Derartige Vermutungen der Staatsanwaltschaft Dessau werden mittlerwelse in verschieden Medien, unter anderem auch der Mitteldeutschen Zeitung, gestreut.

Die langsam durchscheinenden Erkenntnisse fordern nun die Reaktion zweier Landratsfraktionen heraus.

Grüne: Oury Jalloh ist Opfer von Polizeigewalt

Die Grünen erklärten dazu : „Die heute bekannt gewordene, konkret formulierte Tatvermutung des Dessauer Staatsanwalts Bittmann macht angesichts der bereits gerichtlich festgestellten Lügen und Vertuschungen die Ermordung Oury Jallohs im Polizeigewahrsam noch wahrscheinlicher. Oury Jalloh muss endlich als Opfer von Polizeigewalt anerkannt werden. Die skandalöse Nicht-Aufarbeitung durch Polizei und Staatsanwaltschaft muss aufgeklärt werden. Nicht zuletzt, da die der erneuten Verfahrenseinstellung vorhergehende Abgabe der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft Halle nun unter einem neuen Licht steht. Der Landtag, und damit die Öffentlichkeit, brauchen endlich vollständige Informationen. Die zuständige Ministerin Keding muss erklären, was sie wann wusste.“

Linke: Mordthese ist nicht neu

Während die Grüpnen – als Mitglied der großen Koalition- bislang noch nicht den Rücktritt der Ministerin fordernten, wird die LINKE deutlich. Abermals fordern sie das Ende der CDU-Justizministerin:

Erklärung der LINKEN im Wortlaut:

Laut Bericht der MZ hielt es der Leitende Oberstaatsanwalt in Dessau für möglich, dass Oury Jalloh angezündet wurde, um weitere Todesfälle in
Polizeigewahrsam in Dessau zu vertuschen.

Die These selbst ist nicht neu. Fast 13 Jahre lang mussten sich diejenigen, die Sie ausgesprochen haben und die sagten ,Oury Jalloh-das war Mord!‘ als Verschwörungstheoretiker, Spinner, Nestbeschmutzer und  Unruhestifter gegen Staat und Gesellschaft beschimpfen und kriminalisieren lassen. 13 Jahre lang versuchte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh Ermittlungen, die auch diesen Thesen nachgehen, anzuschieben und scheiterte damit. Kritik an der bisher geleisteten Aufklärungsarbeit wurde noch in der letzten Landtagssitzung als unzulässiges Misstrauensvotum gegen Polizei und Justiz und Missachtung der Gewaltenteilung dargestellt.

Neu ist, dass ein Staatsanwalt diese These aufgrund aktueller Erkenntnisse für möglich hält. Die aktuelle Berichterstattung zeigt: Aufklärung ist notwendig! Der Fall Oury Jalloh muss auf mehreren Ebenen untersucht werden: Juristische Aufklärung ist genauso notwendig, wie politische. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, warum so wenige Menschen und noch weniger verantwortliche Stellen dem Tod eines Menschen in Polizeigewahrsam ergebnisoffen nachgehen wollten und welche Rolle institutioneller Rassismus dabei spielt.

Konkret muss der Frage nachgegangen werden, welche Konsequenzen sich für den polizeilichen Alltag ergeben. 2014 hat der Landtag es abgelehnt,  die Praxis polizeilicher Ingewahrsamnahme auf den Prüfstand zu stellen. Genau das muss aber geschehen. Dazu gehört zwingend auch eine erneute Untersuchung des Todes von Mario Bichtemann und des Todes von Hans-Jürgen Rose.

Dazu braucht es eine unabhängige und umfassende Untersuchung aller im Zusammenhang mit dem Tod Oury Jallohs stehenden Fragen durch eine unabhängige internationale Expertenkommission und endlich juristische Aufklärung. Dass diese außerhalb Sachsen-Anhalts erfolgen muss, liegt auf der Hand. Umso absurder ist die Weigerung des Generalbundesanwaltes,den Fall zu übernehmen.

Zudem ist das aktuelle Informationsverhalten des Justizministeriums mehr als erklärungsbedürftig und muss ebenfalls untersucht werden. Denn nach wie vor gilt: Ohne investigativen Journalismus, die Nebenklage und die Arbeit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wüssten weder Abgeordnete, noch Öffentlichkeit von diesen staatsanwaltschaftlichen
Einschätzungen. Sie wurden zum Teil sogar gegenteilig, also falsch, informiert. Dieser Verantwortung für Aufarbeitung muss sich Politik in Sachsen-Anhalt stellen.

Auch das wird Aufgabe eines mittlerweile dringend notwendigen Untersuchungsausschusses sein müssen, genauso wie die Frage, warum die
ermittelnde Instanz der Justiz erst nach 12 Jahren bereit war, diesen Möglichkeiten nachzugehen.

Dass dem Rechtsausschuss verschwiegen wurde, dass die Staatsanwaltschaft Dessau diese Möglichkeit sah, ist ein Skandal, und reiht sich ein in die in wesentlichen Punkten offenbar nicht den Tatsachen entsprechende Darstellung der Ergebnisse der Gutachter und der Konsequenzen, die sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft Dessau ergaben. Justizministerin Keding trägt dafür die Verantwortung und muss die Konsequenzen ziehen. Bereits jetzt ist durch diese Politik der Nichtinformation und Falschinformation ein erheblicher Vertrauensverlust in die Justiz entstanden. Ministerin Keding muss zurücktreten, auch um weiteren Schaden vom Amt abzuwenden.“

 

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