Bürger dürfen eine Scheibe wählen
30. August 2017 | Politik | 2 KommentareDas Bürgerbegehren zur Hochhausscheibe A in Halle-Neustadt kann am 24. September durchgeführt werden. Zu diesem Schluss kam das Landesverwaltungsamt nach erfolgter Anhörung und intensiver Prüfung der darin vorgebrachten Argumente.
Allerdings ist diese Entscheidung nicht ohne erhebliche Bedenken getroffen worden. Neben möglichen formalen Fehlern fehlt weiterhin ein plausibler und für den Bürger nachvollziehbarer Variantenvergleich bezüglich der Scheibe A. Die Behauptung, die Unterbringung der Verwaltungsmitarbeiter nach Sanierung in der Scheibe A erfolge kostendeckend, ist nicht hinreichend und für den Bürger nachvollziehbar belegt.
Dennoch hat das Landesverwaltungsamt seine erheblichen Bedenken zurückgestellt und aus Opportunitätsgründen von einer Beanstandung des Stadtratsbeschlusses, der die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellt, abgesehen.
Bürgerbegehren kann durchgeführt werden
„Eine Klärung dieser Rechtsfragen würde unweigerlich auf einen langwierigen Rechtsstreit hinauslaufen. Wir wollen diesen Rechtsstreit nicht auf den Rücken der Bürgerinnen und Bürger führen. Über 7700 Bürgerinnen und Bürger haben für die Durchführung dieses Bürgerentscheides votiert. Einen städtebaulichen Missstand beseitigen zu wollen, Verwaltungssitze zu konzentrieren und damit über lange Sicht eine Kosteneffizienz erzielen – all das sind begrüßenswerte Denkansätze, die wir nicht in Frage stellen wollen.“, erläutert der Leiter des Referates Kommunalaufsicht Michael Wersdörfer die Entscheidung des Landesverwaltungsamtes.
Das Landesverwaltungsamt geht aber davon aus, dass bei der Umsetzung des Bürgerentscheids, sollte dieser mehrheitlich zustande kommen, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet werden. Da es sich hier laut Initiatoren des Bürgerentscheides um einen Grundsatzbeschluss handelt, ist der Stadtrat aufgefordert, in den jeweils durch ihn zu treffenden Umsetzungsbeschlüssen diese Grundsätze zu beachten. Der städtische Haushalt darf nicht zusätzlich belastet werden. Zudem erwartet das Landesverwaltungsamt, dass künftig die Ladungsvorschriften des Kommunalverfassungsgesetzes gehalten werden.
Hintergrund:
Der Stadtrat hatte sich schon seit längerem mit der Idee befasst, eine der Hochhausscheiben als konzentrierten Verwaltungsstandort zu nutzen. Während des Abstimmungsprozesses hat der Halle-Neustadt Verein e.V. ein Bürgerbegehren initiiert. Am 21.06.2017 hat der Stadtrat die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens beschlossen. Aufgrund einer vergaberechtlichen Frage wurde der Vorgang dem LVwA vorgelegt. Die Prüfung der vorgelegten Unterlagen ergab erhebliche rechtliche Bedenken an dem Beschluss. Im Rahmen einer Anhörung wurde der Stadt die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 18.08.2017 die Argumente vorzutragen, die gegen eine Beanstandung sprechen. In Auswertung des Vortrages wurde unter Zurückstellung der rechtlichen Bedenken von einer Beanstandung abgesehen, um die Durchführung des Bürgerentscheids zu ermöglichen.
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Die Anwendung des Opportunitätsprinzips bei der Beantwortung einer Frage mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf diverse Ebenen hat etwas recht Tollkühnes in sich. Die Entscheider haben sich aber sicherlich hinsichtlich der Folgen ihres Handelns abgesichert. Die Restfolgen mag das schlecht- bis gar nicht informierte Volk tragen.
Jetzt bin ich gespannt auf die Argumentation unserer Stadträte, insbesondere der Juristen darunter.
„Wir wollen diesen Rechtsstreit nicht auf den Rücken der Bürgerinnen und Bürger führen. Über 7700 Bürgerinnen und Bürger haben für die Durchführung dieses Bürgerentscheides votiert.“
Jetzt wird populistisches Geschrei zur rechtsstaatlichen Entscheidungsgrundlage erhoben. Wer ist für diesen verwaltungsrechtlichen „Schandfleck“ verantwortlich?