Peter Sodann verstorben

7. April 2024 | Kultur | 6 Kommentare

Peter Sodann, bekannt als Tatort-Kommissar und Theaterintendant, ist im Alter von 87 Jahren verstorben. Auch Halle trauert um seinen Ehrenbürger.

Als Würdigung seiner Person und seiner Leistung hier ein (ungekürzter) Artikel, der zwar schon 2005 im ehemaligen Straßenmagazin „Pflaster“ erschien, aber doch seine wichtigsten Lebensstationen bis dahin berücksichtigt:

22 Jahre Subbotnik – Tatort „Hallsche Guldurinsel“

An den Ufern der Saale lebte, gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, ein Theatermacher, namens Peter Sodann, Sohn einer Arbeiterfamilie, einer der rechtschaffensten zugleich und streitbarsten Menschen seiner Zeit. So könnte man diesen außergewöhnlichen Zeitgenossen frei nach Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ charakterisieren.

Wer kennt ihn nicht, den unbequemen, aber aufrichtigen Kommissar Bruno Ehrlicher aus der ARD-Krimi-Serie „Tatort“? Kein Super-Maigret, der da seit Jahren den Gaunern und Verbrechern auf der Spur ist. Bruno Ehrlicher ist unauffällig, ein wenig knorrig und schlitzohrig, ein Einzelgänger. Mit der überzeugenden Darstellung dieser beliebten Krimifigur erlangte er bundesweite Berühmtheit und Polizeidirektionen ernannten ihn sogar zum Ehrenkommissar. Auch wenn ihn das Fernsehen berühmt gemacht hat, seine Leidenschaft gehört dem Theater, sie ist sein ureigenster Tatort.

Sein Leben war nicht nullachtfünfzehn, eher ungewöhnlich und spannend, aber trotzdem eine typische DDR-Biographie. Peter Sodann wird am 1. Juni 1936 in Meißen geboren, er wächst bei der Mutter und der Großmutter in Weinböhla bei Dresden auf. Nach der Schule absolviert er eine Lehre als Werkzeugmacher. Von 1954 bis 1957 besucht er die Arbeiter- und Bauernfakultät und beginnt an der Leipziger Universität ein Jurastudium. Aber den Siebzehnjährigen zieht es zur Kunst, zum Theater, und so wechselt er an die Theaterhochschule der Messestadt.

Während des Studiums leitet er das Studentenkabarett „Rat der Spötter“, das jedoch der Partei ein Dorn im Auge ist. Im Herbst 1961, kurz nach dem Mauerbau, verbietet sie das Programm „Wo der Hund begraben liegt“. Wegen staatsfeindlicher Hetze wird der „Rädelsführer“ Sodann verhaftet und die sozialistische Gesetzlichkeit verurteilt ihn zu zwei Jahren Gefängnis. Das Strafmaß wird schließlich in vier Jahre Bewährung „gemildert“, das Schauspielstudium ist aber vorläufig passe. Nach seiner Haftentlassung erlernt er den Beruf eines Spitzendrehers. Aber Sodann gehört nicht an die Drehbank, sondern auf die Bühne und so schließt er sein Theaterstudium ab. Das erste Theaterengagement führt ihn 1964 ans Berliner Ensemble zu Helene Weigel. Es folgen die Stationen Erfurt, Karl-Marx-Stadt und Magdeburg. Im März 1980 kommt Peter Sodann nach Halle, wo er seitdem lebt und arbeitet.

Zuerst ist er Schauspieldirektor am damaligen „Theater des Friedens“, das jedoch von der Oper dominiert wird. Sodann als geduldetes fünftes Rad an einer Bühne? Nein, das ist nicht vorstellbar und so baut er einen alten Kinosaal als neue, als eigene Theaterstätte um. Aus dem baufälligen „Kino der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ wird mit Ideen und Einsatz, mit Hacke und Spaten das „neue theater“. Aber es bleibt nicht dabei, der vom Theater Besessene hat eine Vision, die Vision einer Kulturinsel mitten in Halle. Mit Hilfe des zupackenden Schauspielerensembles und vieler Freunde entsteht ein Komplex mit mehreren Bühnen und einem Hoftheater, ein LiteraturCafé, die Theaterkneipe „Strieses Biertunnel“, Hotel, Galerie und Bibliothek vervollständigen diesen einmaligen Kulturbetrieb. Nach 22 Jahren Subbotnik ist das Werk vollendet, was der Chef mit einem unzeremoniellen „Mer ham färtch!“ verkündet.

Nun heißt es Abschied nehmen. Für einen so agilen Menschen wie Peter Sodann, der „De Guldurinsel“ immer als sein Kind angesehen hat, fällt das natürlich schwer. Sein 70. Geburtstag und das 25jährige Jubiläum des „neuen theaters“ im nächsten Jahr schienen ihm ein willkommener Anlass dazu, doch die Stadt Halle wollte, dass er schon in diesem Jahr seinen Stuhl räumt. Zudem hat die neue Theaterleitung das bisherige Repertoire total zusammengestrichen. Da ist Enttäuschung vorprogrammiert. Vor Monaten hieß es noch, Peter Sodann plant als letzte nt-Inszenierung Schillers „Don Carlos“. Nun statt des aufklärerischen „Gedankenfreiheit“-Stücks eine zeitgenössische Kohlhaas-Bühnenversion. Dem rechtschaffenen Mann wird übel mitgespielt, sein Recht bekommt er nicht, so wird er zum Verbrecher, der auf der Richtstatt endet. Ein Stück im Kleistschen Sinn um Gerechtigkeit, Korruption und Selbstjustiz, ein Versuch im Sodannschen Sinn, durch Aufklärung vor Barbarei zu retten. Und doch drängt sich ein Kohlhaas-Sodann-Vergleich auf. Wie viel Bitterkeit gehört dazu, sich von seinem treuen Publikum mit dem Schlusssatz „BILD kämpft für Sie!“ zu verabschieden.

Peter Sodann hat sich immer für den Osten stark gemacht. In Talkrunden und Interviews hat er mit seiner Popularität die Werbetrommel für Halle gerührt. Händel, Francke, Genscher und Sodann, das sind die Namen, die Auswärtige mit der Stadt Halle gedanklich verbinden. Manchmal schien er zu medienfleißig, auch das Repertoire des nt stieß nicht immer auf Gegenliebe. Wo blieben die Klassiker? Wo Brecht und Thomas Bernhardt? Aber ganz ohne Klassiker verabschiedet sich Sodann nicht. Im Goethe-Theater von Bad Lauchstädt inszenierte er im Schiller-Jahr „Maria Stuart“. Eine neue Heimat? Schließlich war der alte Geheimrat ebenfalls Baumeister, der das historische Theater 1802 errichten ließ.

Zu seinem 65. Geburtstag erhielt Peter Sodann das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Nun will auch die Stadt ihrem Aushängeschild symbolisch ein Denkmal setzen und ihn zu seinem 70. zum Ehrenbürger ernennen. Die Abstimmung darüber im Halleschen Stadtrat geriet allerdings zur Theaterposse, die nicht nur sein Rauhaardackel Bruno zum Jaulen fand.

(Veröffentlichung in „Pflaster“, 1. Straßenmagazin für Sachsen-Anhalt Nr. 85 / Juli 2005, S. 16-17)

 

 

 

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