„Nächtliches Skandalieren“: Bericht über das Hallesche Studentenleben 1896

8. August 2022 | Kultur | 2 Kommentare

Kapitel 7
Der unter den Studenten herrschende Ton.

Die teutonische Urwüchsigkeit, welche die ersten Hallenser Studenten ebenso wie ihre Kommilitonen auf den andern deutschen Universitäten zur Schau zu trugen, und in der sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, als arge Ausschreitungen bei der Mehrzahl der Studentenschaft im Verhältnis bereits nach und nach seltener wurden, besonders noch die Repräsentanten des Renommistentums gefielen, äußerte sich nicht nur in der Kleidung der Musensöhne, in ihrer Burschensprache und den Eigentümlichkeiten des Komments, sondern nicht minder in ihrem sonstigen Auftreten, Thun und Treiben, aus dem überall schäumender jugendlicher Übermut hervorleuchtete.

Lautes Schreien und Lärmen am Tage und bei Nacht dünkte dem halleschen Burschen sein besonderes Vorrecht. Mit den mächtigen Kanonenstiefeln verstand er es, auf der Straße ein gewaltiges Gepolter zu vollführen; mit Zischen, Trommeln und Pfeifen gab er im Kolleg rücksichtslos sein Mißfallen über einen Professor kund; ein gleiches Geräusch erhob sich im Hörsaal, wenn ein Neuling denselben zum ersten Male betrat, oder beim Zuspätkommen eines Kommilitonen. Eine besondere Freude machte es dem Musensohne, zwei Hökerweiber auf dem Marktplatze zusammenzuhetzen und sich an ihren Schimpfereien und dem ihnen eigenen Dialekt zu ergötzen.

Nächtliches Skandalieren war des Burschen Hauptvergnügen. Auf den Stuben wurde ebenso wie auf den Straßen ein Höllenlärm vollführt, und zahllos waren die Klagen und Beschwerden, welche bei den Behörden darüber einliefen, und die Warnungen und Verordnungen, welche von den letzteren deswegen erlassen wurden. Teils war reiner Übermut die Veranlassung zu den wüstesten Scenen, teils führten Zusammenstöße mit anderen Studenten, mit dem Militär U. f. w. zu Zusammenrottungen und lärmenden Auftritten, und an gewissen Tagen, z. B. am Tage der Prorektoratswahl oder der Jahreswende, waren Tumulte und rohes Skandalieren zur  ständigen Gewohnheit der Studenten geworden.

(Auszug aus:

Konrad Glatzer, Aus der Geschichte der Universität Halle. Die Gründung der Friedrichsuniversität nebst einer Darstellung des studentischen Lebens in Halle bis zu den deutschen Freiheitskriegen .

Leipzig, 1896 )

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