„Generell frisch“: Berufsverband bildender Künstler wehrt sich gegen Zensurvorwürfe

8. Mai 2018 | Kultur | Ein Kommentar

Mit der seit 2013 laufenden Ausstellungsreihe «GENERELL FRISCH» versucht der Berufsverband Bildender Künstler (BBK), neue Mitglieder und ihre Werke einem größeren Publikum zu präsentieren. Erstmals fand die Ausstellung nicht in Halle, wo Sitz des BBK ist, sondern auch in Merseburg (Saalekreis).
Die dieses Jahr präsentierten Künstler haben alle ein Studium an der BURG (Burg Giebichenstein – Kunsthochschule Halle) absolviert oder sind der BURG als Werkstattleiter und Lehrbeauftragte verbunden (Weshalb man nicht unbedingtt von einer Austellung „junger Künstler“ sprechen kann).

Eklat um „schwule Kunst“. Wie anstößig darf Kunst sein?

Die Ausstellung hätte wahrscheinlich das Schicksal ähnlicher Veranstaltungen geteilt, schlichtweg: der Kreis der Interessierten wäre klein geblieben, zumal Merseburg nicht unbedingt als Hotspot der Kunstszene des Landes gelten dürfte.  „Glücklicherweise“ kam dieses mal die Berichterstattzung des Lokalmediums „Mitteldeutsche Zeitung“ zu Hilfe. Unter dem bereits medial bereits vielfach erprobten Aufreißer: „Sex-Eklat im Museum“ berichtet sie über einen Kunst-Krawall, der als Stichwortgeber vieler gängiger gesellschaftlicher Debatten fungieren könnte. Silas Schmidt von Wymeringhausen hatte den Stein des Anstoßes geliefert: „cruising“, also die Suche Homosexueller nach Sexualpartnern, hatte der Künstler zum Thema gemacht, und dieses mit allerlei Landschaftsbildern bis hin zu Collagen aus „pornografischem“ Material angereichert.
Die Museumsleiterin soll das Werk „abartig“ gefunden haben, so die Zeitung, und auch der Veranstalter BBK plädierte dafür, besonders „zotige“ Teile der Installation nicht frei zugänglich zum Blättern an der Wand, sondern unter geschlossene Vitrinendeckel zu plazieren. Arguimentiert wurde mit Jugendschutz. Insbesondere aber der Ausdruck „abartig“  zürnte den Künstler, der daraufhin die Museumsdirektorin sowie den Verband schwulenfeindlicher Zensur bezichtigte.

Heute hat der BBK eine umfassende Stellungnahme zu den Vorgängen veröffentlicht (Zitat):

Im Zusammenhang mit der Merseburger Ausstellung sind gegen den BBK Sachsen-Anhalt Vorwürfe erhoben worden, die wir so nicht stehen lassen können. Den Begriff „abartig“ kritisieren wir ebenso wie der Künstler Silas Schmidt von Wymeringhausen und distanzieren uns ausdrücklich von dieser Wortwahl, die wir als eine persönliche und äußerst unpassende Reaktion von Frau Dr. Heise ansehen, mit der wir uns nicht identifizieren.

Die gefundene Lösung für die Präsentation der Werkgruppe „Cruising“ stellt das Resultat von Abwägungen und Überlegungen in Bezug auf vielerlei Belange dar – des Museums, des Künstlers, der anderen Aussteller*innen etc. Der Kern des Problems ist die Präsentation umstrittener Teile des Werkes und nicht die Tatsache, dass hier „schwule Kunst“ zu sehen ist. Erst vor Ort haben wir die Arbeiten komplett sehen können und teilen die Ansicht des Museums, dass Teile dieser Bücher jugendschutzrechtlich relevant sind. Dies wäre bei vergleichbaren heterosexuellen Darstellungen nicht anders gewesen. Als Verband sind wir dazu angehalten, mit Augenmaß zu handeln. So kurz vor der Eröffnung waren wir froh, eine Lösung zu finden, mit der sich alle Beteiligten einverstanden erklärt haben.
Als Grundlage für etwaige Diskussionen, denen wir offen gegenüberstehen, würden wir uns wünschen, dass die Abbildungen der streitbaren Teile des Werkes bereit gestellt werden, um eine fundierte Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Die Ausstellung:

Laufzeit:
28. April bis 29. Juli 2018

Öffnungszeiten:
täglich von 9 bis 18 Uhr

Kulturhistorisches Museum Schloss Merseburg
Landkreis Saalekreis • 06217 Merseburg • Domplatz 9
Telefon: (0 34 61) 40 13 18 • Telefax: (0 34 61) 40 20 06

Beteiligte Künstler*innen: Jörg Bochow (Metallplastik • Dieskau und Halle/Saale), Lutz Bolldorf (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Colette Dörrwand (Fotografie • Halle/Saale), Andreas Freyer (Metallplastik • Kaltenmark/Petersberg), Ondine Frochaux (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Sebastian Harwardt (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Mercedes Hervás de Mora (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Iris Trostel Santander (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Philipp Liehr (Holzplastik • Halle/Saale), Christine Matthias (Schmuckgestaltung • Halle/Saale), Silas Schmidt von Wymeringhausen (Buchgestaltung • Leipzig), Jörg Wachtel (Grafik und Gebrauchsgrafik • Brachwitz/Saale), Barbara Wege (Malerei und Grafik • Halle/Saale), Anna Zeitler (Modegestaltung • Halle/Saale). Kurator und Gestalter: Jörg Wachtel.

Link: http://www.bbk-sachsenanhalt.de/index.php?id=442

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