Halle und die Futures
21. Dezember 2019 | Nachrichten, Natur & Gesundheit, Politik, Umwelt + Verkehr | 4 KommentareGemeinsam gibt es noch sehr viel zu tun, für die Stadt Halle, für die Stadtverwaltung, für den Oberbürgermeister Dr. Wiegand (OB) und die Fridays for Future – Bewegung (FFF).
Die Stadtverwaltung steht im Dialog mit Vertretern von FFF und der OB hatte öffentlichkeitswirksam verkündet, die Forderungen von FFF in das Klimaschutzprogramm der Stadt Halle integriert zu haben und komplett umzusetzen. Das ist ein guter Anfang, aber auch ein sehr hoher Anspruch.
Große Lücken zwischen Anspruch und aktuellem Stand sind am 18.12.2019 bei der Einwohnerfragestunde deutlich geworden: Es wird nicht so einfach, wie der OB es darstellt.
Wo Fridays for Future eine autofreie Innenstadt fordern (explizite Beispiele sind Bernburger Straße und Steinweg), sieht der OB eine autoarme Altstadt als Erfolg. Damit sind die Nördliche und Südliche Innenstadt gar nicht berücksichtigt.
Die im Klimaschutzkonzept errechneten Emissionen von 4,6 Tonnen CO2-Äquivalent pro halleschem Einwohner vergleicht die Stadtverwaltung mit den deutschen Pro-Kopf-Emissionen von über 8 Tonnen – klingt doch toll, oder? Dabei vergisst sie, dass der für das Klimaschutzkonzept angewandte BISKO-Standard nur die im Stadtgebiet direkt erzeugten Emissionen berücksichtigt. Saalekreis-Pendler, Kraftwerk Schkopau, Lastverkehr, Konsum in Halle werden bei BISKO alle ausgeblendet, so zu vergleichen ist nicht sinnvoll.
Ebenso wird das Klimaschutzziel als erreicht und übererfüllt betrachtet, weil der Industriesektor gegenüber 1990 weitgehend weggefallen ist. Für den BISKO- Standard ist entscheidend, ob eine Großbäckerei vor den Stadtgrenzen oder innerhalb der Stadt steht. Für die Pariser Emissionsziele, für die FFF- Forderungen und für die neuen europäischen Ziele von 50% Reduktion bis 2030 ist entscheidend, dass überall eine deutliche Reduktion erzielt wird.
Jeder Sektor muss zur Emissionsreduktion beitragen – Heizen, Bauen, Verkehr, Handel.
Die vorhandenen Pläne sind ein guter Anfang. Ein Teil der städtischen Gebäude soll auf Ökostrom umgestellt werden, man tastet sich vor.
Der ÖPNV soll weiter gefördert werden, aber konkrete Schritte wie zum Beispiel eine Analyse der Hauptgründe für Verspätungen und Ausfälle scheinen noch offen zu sein. Die angestrebten intelligenten Verkehrsleitsysteme verschaffen Flexibilität beim Steuern des Verkehrs, aber gegen das in Halle verbreitete Fahren auf das Gleisbett oder Falschparker in der Geiststraße sind sie unwirksam.
Im Klimaschutzkonzept stehen auch gute Ziele, aber viele davon ohne Zeitplan. Die angestrebte Erhöhung des Radverkehrsanteils am Verkehrsmix ist gut und wichtig. Schaut man sich die letzten Straßenbauprojekte an, wird das aber sehr schwierig – wie sollen das neue Steintor oder der Joliot-Curie-Platz doppelt so viel Radverkehr bewältigen?
Eine weitere Forderung der FFF ist die Aufklärung und über die Klimakrise und ihre globalen und lokalen Folgen. Darauf zielte eine Frage der Bürgerfragestunde ab – die Stadt verwies dazu nur auf die Zuständigkeit der Landesregierung für den Lehrplan, ohne ihre eigenen Möglichkeiten wahrzunehmen (siehe Maßnahme 28 im Klimaschutzkonzept).
Auch zur Frage, ab wann sich hallesche Bürger an der Finanzierung lokaler Photovoltaik-Anlagen beteiligen können, blieb die Antwort sehr vage.
Die Folgen des Klimawandels für Halle werden im Klimaschutzprogramm massiv unterschätzt, grundlegende Fakten und Zusammenhänge der Klimakrise und die Größe der Herausforderung werden von der Verwaltung und dem OB noch nicht anerkannt.
Zwischen den objektiven Notwendigkeiten auf der einen Seite und der langsamen Politik der kleinen Schritte auf der anderen Seite klafft eine große Lücke, das wird sicher noch länger zu Differenzen führen. Die lassen sich nur aufklären, wenn wir das Problem weder unterschätzen noch mit Rechentricks als längst erledigt deklarieren. Die Einhaltung des Paris-Abkommens erfordert eine Reduktion der Emissionen an Treibhausgasen in allen Sektoren um jährlich 10% – 15%.
Das wird eine wirklich große, schwere Aufgabe, die sich nur im Dialog und im Miteinander lösen lässt. Aber je später wir beginnen, um so härter wird der Ausstieg.
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Es wurde auch nur gesagt, dass man sich verständigt hatte. Man kann sich danach nicht hinstellen und alles unzureichend finden.
@Insider: wenn zwei Seiten „Alles Besprochen“ haben, und jeder klar nachlesen kann, dass die beschlossenen Maßnahmen den Forderungen kaum entsprechen, kann sich nicht die eine Seite hinstellen und sagen: alles übernommen, Thema fertig.
Im Stadtrat hat die Verwaltung doch dargestellt, dass es mehrere Treffen mit Vertretern von FFF gegeben hat. Und das alle Forderungen besprochen und so weit wie möglich eingearbeitet wurden. Danach soll Einvernehmen bestanden haben zum Klimaschutzkonzept und den Forderungen von FFF. Bezeichnend, dass die Leute um Herrn von Lampe nicht in der Realität ankommen wollen. Erst mitwirken und sich verabreden, dann die Gesprächspartner in die Pfanne hauen.
Wenn man mal einen Blick in das Konzept wagt, sieht man, dass die Ziele von FFF zwar unter der Dokumentation der Beteiligung wiedergegeben sind, sonst taucht aber kein einziger Bezug dazu auf. Muss vielleicht auch nicht sein, aber sonst kommt halt auch nicht viel.
Die Maßnahmen am Ende beschränken sich auf eine phrasenvolle Beschreibung dessen, was zum Beispiel die Stadtwerke sowieso schon machen wie „mehr Fernwärme“. Ehrlich muss die Stadt aktuell selber schon mehr verfolgen, als das, was da aufgeführt ist. Alles andere wäre erschreckend. Das ist für ein Klimaschutzkonzept, wo wie wir wissen, das Niveau nicht sehr hoch liegt, insgesamt sehr dürftig.
Wie auch bereits in der Bürgerfragestunde zu hören, wurde auch noch hübsch schöngerechnet, indem nur der Verbrauch in der Stadt wiedergegeben wird. Die Stadt Halle verbraucht zum Beispiel kein Kerosin, also weder die urlaubenden Hallenser noch die Logistiker im Starpark.
Bei den Energieträgern wird zwischen Fernwärme und Erdgas unterschieden. Klingt natürlich besser. In anderen Städten kommt Fernwärme durchaus aus Müll oder anderen Quellen, in Halle ist es aber 100% Erdgas. Somit sind einige als überraschend betitelte Rankingergebnisse dann eigentlich so überraschend nicht. Am Ende bietet das Konzept jede Menge heiße Luft und nichts wirklich neues.