Gelungener Einstand

27. Januar 2022 | Kultur, Nachrichten, Veranstaltungen | 2 Kommentare

Nach unglaublichen 37 Jahren hat das Akademische Orchester der Martin-Luther-Universität einen neuen Chefdirigenten. Daniel Spogis,  der in Hannover und Dresden Musik studiert hat und bis 2021 am Musiktheater der Stadt Koblenz engagiert war, debütierte am Mittwoch mit einem Coronaspezifischen Programm in der Händelhalle. Gleich vorneweg: es war ein schöner Abend. In der ersten Hälfte konzertierten Streicher und Bläser getrennt, da das gesamte „Personal“ des Orchesters die Aufführungsregelung zu Pandemiezeiten gesprengt hätte. Gar nicht bescheiden starteten die Streicher mit Edvard Griegs anspruchsvoller Holberg-Suite. Auch wenn technisch nicht alles bis zur Perfektion gemeistert wurde, zeigten die Streicher sofort, worauf es bei diesem hochromantischen Stück im barocken Stil ankommt, als vereinter Klangkörper aufzutreten. Beachtlich, welch homogenen Gesamtklang die Amateurmusiker darboten. Wer die Augen schloss, konnte sich für einige Momente des Eindrucks nicht erwehren, dass hier professionelle Musiker am Werke waren. Souverän das Solo der Konzertmeisterin im letzten Satz und ausgesprochen musikalisch die Solobratsche.

Die Umbaupause zu den beiden anschließenden Bläserstücken nutzte der Rektor der MLU, Prof. Tietje, um Daniel Spogis in Halle herzlich willkommen zu heißen. Danach präsentierten die Bläser des Akademischen Orchesters die bekannte Passacaglia c-Moll von J.S. Bach in einer eigenen Bearbeitung des Dirigenten. Launig wurde zuvor der „Staubsauger“-ähnliche Klang des Kontrafagottes präsentiert. Auch die Bläser zeigten mit der Auswahl dieses Stückes eine gehörig Portion Mut. Das ruhige Eingangsthema ließ den homogenen Klang der Streicher etwas vermissen. Es ist eben doch eine größere Herausforderung, diverse Bläser in Wohlklang zu vereinen. Aber spätestens bei der abschließenden Fuge kam ausgesprochene Spielfreude und Lebendigkeit dazu. Zudem wurde technisch sauber musiziert, sodass die Passacaglia ihre Wirkung – auch als Transkription – nicht verfehlte. Die wirkliche Stärke einer großen Bläsergruppe zeigte das Ensemble im Adagio für Bläser von Joaquin Rodrigo. Lebendige Tonfarben, dynamische Varianz und virtuose Soloparts (Soloflöte und Soloklarinette ließen nichts „anbrennen“ und ebenso in der  Tongebung sichere Blechbläser) sorgten für den Hörgenuss eines selten gespielten Stückes.

Nach der Pause gab es Mozarts Jupiter-Sinfonie, deren optimistische Tonart (C-Dur) und Grundstimmung Daniel Spogis in seiner Ansage herausstellte. (Wer die launigen Ansagen von Matthias Erben vermisste, kann getröstet werden, auch sein Nachfolger greift nicht ungerne zum Mikrofon). Während vor der Pause noch ein Hauch von Blaskapelle durch die Händelhalle wehte, zeigte die etwas verkleinerte Bläsergruppe im Mozart einen beachtlich warmen und sauberen Gruppenklang. Vereint mit den Streichern zeigte das Orchester eine klanglich und musikalisch gelungene Interpretation dieses so unscheinbar klassisch daherkommenden Meisterwerkes, und die unbändige Dynamik der Fuge im letzten Satz ließ sogar den grundsätzlich etwas akkurat und akademisch dirigierenden Chef der Truppe für einen Moment abheben. Mozart eben!

Nach dem Schlussakkord kurzes, bewunderndes Innehalten des Publikums, dann großer und verdienter Applaus für das bunte Ensemble (von blau gefärbt bis in Ehren ergraut ist jede Haarfarbe dabei) und seinen neuen Chef, dessen erste Vorstellung auf ganzer Linie überzeugte und freudig in die Zukunft schauen lässt. Beschwingt von der Pizzicato-Polka verließ das Publikum den Saal und durfte feststellen, dass es trotz Pandemie eben doch Lichtblicke gibt. Man muss nur wollen!

Detlef Wend

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