Über alle Scheibenzweifler erhaben: Nebra-Funde stammen eindeutig aus der Bronzezeit

13. November 2020 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Die Himmelsscheibe von Nebra gilt als die älteste konkrete astronomische Darstellung der Welt. Lange Zeit war sich die Fachwelt einig, dass der Fund der Bronzezeit zugeordnet werden kann. Zwei deutsche Prähistoriker behaupteten in diesem Jahr, dass die Scheibe aus der Eisenzeit stamme und lösten damit in den Medien einen Sturm im Wasserglas aus.  Neue Untersuchungen geben in der von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Fachzeitschrift „Archaeologia Austriaca“ aber nun Entwarnung: die Himmelsscheibe datiert eindeutig in die Bronzezeit.

Seit ihrer spektakulären Sicherstellung durch die Schweizer Polizei im Jahre 2002 sind die Himmelsscheibe von Nebra und ihr kulturelles Umfeld Gegenstand intensiver Forschungen, was sie zu einem der bestuntersuchten archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte macht. In einem 2020 erschienenen Aufsatz zweifeln die Prähistoriker Rupert Gebhard und Rüdiger Krause allerdings die in der Fachwelt allgemein akzeptierte Datierung der Himmelsscheibe an. Sie behaupten in ihrem Aufsatz „Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra“ (Archäologische Informationen 43), dass der Hortfund keinen „geschlossenen Fund“ darstelle, die Himmelsscheibe möglicherweise gar nicht vom ermittelten Fundort stamme und somit als Einzelfund ohne Kontext in die Eisenzeit (ca. 800 bis 50 v. Chr.) zu datieren sei.

Auch wenn diese Behauptung in der Fachwelt nicht auf ernsthafte Resonanz gestoßen war, hat sich nun  eine 13-köpfige Forschungsgruppe in der vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) herausgegebenen Fachzeitschrift „Archaeologia Austriaca“ mit den Thesen der beiden „Scheibenzweifler“ befasst. Die Studienautor/innen weisen darin nach, dass Gebhard und Krause mit unvollständigen und teilweise falschen oder verfälschend wiedergegebenen Daten argumentieren.

Gerichtsaussagen und Bodenproben: Keine Zweifel am Fundort Mittelberg

Himmelsscheibe von der Rückseite. Aufnahme aus dem Jahr 2002, als sie sich noch in der Obhut des Landeskriminalamt in Magdeburg befand. Am oberen Rand ist Erde abgeplatzt: dieses Detail ist von Bedeutung, denn es zeigt: die Beschädigungen am Rand rühren von der Raubgrabung her, und nicht, wie die „Scheibenzweifler“ behaupten, aus früheren Zeiten.

Das beginnt bereits beim Fundort: So ist die Authentizität der Fundstelle, des Mittelberges bei Nebra, seit langem zweifelsfrei gesichert, schreiben die Forscher/innen. Das bestätigen nicht nur die gerichtlichen Aussagen der Raubgräber und eines Hehlers, sondern auch die Nachuntersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Durch Markierungen im Gelände, eine von den Raubgräbern weggeworfene Wasserflasche, die Spuren der von ihnen benutzten Hacke sowie erhöhte Gold- und Kupferkonzentrationen im Sediment, die durch die lange Lagerung der Himmelsscheibe erklärt werden können, lässt sich der Fundort exakt lokalisieren. Auch die Übereinstimmung der Bodenproben von der Fundstelle mit Erdanhaftungen an der Himmelsscheibe und an einem der mitgefundenen Schwerter sowie Anhaftungen an einem Bronzebeil sprechen schließlich für eine Herkunft vom Mittelberg. 

Salzburger Land als Rohstofflager der Bronzezeit

Die Zusammengehörigkeit der Funde sehen die Forscher/innen in ihrer Publikation auch durch die Untersuchung des Kupfers für die Himmelsscheibe und der Beifunde bewiesen. Wie Spurenelemente und Bleiisotopenverhältnisse zeigen, stammt das Kupfer für beides aus derselben Lagerstätte im Salzburger Land. Die Produktion dieses ostalpinen Kupfers beginnt in der frühen Bronzezeit (18. Jh. v. Chr.) und endet mit dem 9. Jahrhundert v. Chr. – also ein Jahrhundert vor dem Beginn der Eisenzeit.

Bereits mit dem Nachweis des Fundortes und der Zusammengehörigkeit der Funde brechen laut den Wissenschaftler/innen zwei wesentliche Grundannahmen der Physik und Archäologie: Radiokarbondaten und der Eisenzeit unbekannte Schiffsdarstellungen.

Gegen eine Einordnung der Funde in die Eisenzeit sprechen aber auch weitere chemische und archäologische Erkenntnisse: So korrelieren die Zinn- und Bleiisotopenverhältnisse der Funde aus dem Nebraer Hort mit zahlreichen anderen frühbronzezeitlichen Objekten. Die Herstellungs- und Verzierungstechnik spricht ebenfalls gegen ein eisenzeitliches Alter, insbesondere die Darstellung eines Schiffes auf der Himmelsscheibe ist ein für die Bronzezeit typisches Motiv, das in der Eisenzeit unbekannt ist.

Für die Datierung der Himmelsscheibe in die Bronzezeit halfen den Forscher/innen schließlich auch Radiokarbondaten weiter, die anhand organischer Reste an einem der Schwerter gewonnen werden konnten und in die Zeit um 1600 v. Chr. gehören. Die Zusammengehörigkeit der Himmelsscheibe mit den Beifunden wiederum wird durch deren ähnliche chemische Zusammensetzung und die übereinstimmenden Erdanhaftungen erhärtet.

Laut den Studienautor/innen besteht kein Zweifel daran, dass die Himmelsscheibe von Nebra längere Zeit in Gebrauch war, was sich aus mehreren Umgestaltungsphasen ableiten lässt. Am Ende der frühen Bronzezeit wurde sie dann aber mit den Beifunden dem Boden anvertraut. Zum Beginn der Eisenzeit war sie somit schon lange begraben.

Die Originalpublikation zum Download (Open Access):

Ernst Pernicka et al, Why the Nebra Sky Disc Dates to the Early Bronze Age. An overview of the Interdisciplinary Results. In: Archaeologia Austriaca 104, Österreichische Akademie der Wissenschaften 2020, S. 89-122. DOI: https://doi.org/10.1553/archaeologia104s89 Weblink: https://austriaca.at/Nebra-Sky-Disc?frames=yes

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