Schon gewusst? Viren führen geborgtes Leben

7. April 2020 | Bildung und Wissenschaft | 2 Kommentare

„Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr“ sagte einmal Marie Curie. Deshalb sind jetzt ein paar allgemeinverständliche Erläuterungen über Viren angebracht. Der kurze Beitrag soll der unsichtbaren Bedrohung durch Viren im Allgemeinen und dem aktuellen Coronavirus im Besonderen ein Gesicht geben. Die Bezeichnung Virus leitet sich von lateinisch „Gift“ her (das Virus in der Biologie; aber der Computervirus). Das Coronavirus löst in den Lungen die Coronavirus-Erkrankung SARS-COVID) aus (SARS für severe acute respiratory syndrome = schweres akutes Atmungssyndrom).

Viren sind sehr klein.
Auf eine Nadelspitze passen mehrere Millionen von ihnen. Das Coronavirus ist ca. 70 bis 140 nm groß (zum Vergleich: der Durchmesser eines Menschenhaares beträgt ca. 0,1 mm). Im Lichtmikroskop kann man Viren nicht sehen. Die meisten von uns haben deshalb nur eine vage Vorstellung von diesen biologischen Aliens. Sie können sehr verschieden aussehen. Ihre Oberflächenbeschaffenheit ist bedeutsam für die Infektion und die Bekämpfung. Viren können sich zu kristallartigen Strukturen zusammenlagern. Hübsch bunt, wie auf vielen irreführenden Darstellungen zu sehen, sind sie natürlich nicht.

Das Corona-Virus koppelt über einen Rezeptor R1 an die Wirtszelle. Zur RNA-Injektion wird ein weiterer Rezeptor R2 aktiviert

Viren sind keine Lebewesen

Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel. Ohne Wirtszellen können sie sich nicht vermehren. Man ordnet sie deshalb in den Grenzbereich zwischen belebter und unbelebter Natur ein. Sie bestehen aus einer Proteinhülle (Capsid), die Nukleinsäure (Ribonukleinsäure RNA oder Desoxyribonukleinsäure DNA) umschließt. Diese Nukleinsäure enthält die genetische Information zur Herstellung von Virenkopien. Viren „kapern“ eine Zelle und zwingen die Enzyme der befallenen Zelle, Bestandteile von Viren bis zur Erschöpfung herzustellen. Die zwangssynthetisierten Virenbestandteile können sich spontan zu neuen Viren organisieren. Die Wirtszelle platzt schließlich. Die freigesetzten Viren befallen dann explosiv weitere Zellen. In kurzer Zeit können so ganze Organe befallen und zerstört werden.
Viren sind spezifisch
Viren können nicht jede x-beliebige Zelle befallen. Sie brauchen Proteine (Rezeptoren), die das Andocken der Viren an die Hülle der Wirtszelle ermöglichen. Enthält ihre Proteinhülle passgenaue Andockproteine (Schlüssel-Schloss-Prinzip) koppelt sich das Virus an die Wirtszellmembran (R1). Um eine Zelle zu kapern, bedarf es beim SARS-CoV-2 eines weiteren Kopplungsschrittes (R2), durch den die „Injektion“ der Virennukleinsäure in die Wirtszelle ermöglicht wird.
Herkunft neuer Viren
Einige Virustypen weisen eine hohe Mutationsrate auf. Dadurch kann ihre Struktur so verändert werden, dass sie von unserem Immunsystem nicht mehr erkannt wird, die Abwehr dann also versagt. Virenstämme können zunächst regional begrenzt (endemisch) auftreten. Durch Reisen und Handel gelangen sie leicht an andere Orte und lösen dort dann ungehindert Epidemien aus. Eine dritte Quelle für neue virale Erkrankungen ist die Verbreitung und Übertragung durch Tiere. Man nimmt an, dass drei Viertel aller neuen Infektionskrankheiten des Menschen hier ihren Ursprung haben. Das Coronavirus ist von Fledermäusen, wahrscheinlich auch über Schuppentiere in China auf den Menschen gelangt. Das West-Nil-Virus (verursacht Gehirnentzündung) wird von der blutsaugenden Tiger-Stechmücke übertragen. Diese Mücke ist eigentlich bei uns nicht heimisch. Im Zuge der Klimaerwärmung breitet sich die Tigermücke derzeit erfolgreich in Europa aus und es muss mit vermehrten Virusübertragungen gerechnet werden. Mit weiteren klimabedingten tierischen Zuwanderungen, die Viren auf uns übertragen, ist zu rechnen. Coronaviren werden hauptsächlich durch Tröpfchen direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Haustiere scheinen an der Übertragung nicht beteiligt zu sein.
Immunabwehr von Viren
Viren können durch unser Immunsystem abgewehrt werden. Bei Infektion werden spezifische Antikörper gebildet, die Virenhüllproteine erkennen und sie zerstören. Bei wiederholtem Kontakt ist die Abwehrreaktion schneller und besser (Impfeffekt), weil u.a. Gedächtniszellen die Information über optimale Antikörper gespeichert haben. Gegen SARS-CoV-9 gibt es noch keinen Impfstoff. Geprüft werden Impfstoffe und Medikamente, die sich bei verwandten Viren als wirksam erwiesen. Interessant ist im Augenblick ein Mittel gegen Malaria (Chloroquin), das Andockrezeptoren blockieren kann. Es gilt nicht nur die Viren zu neutralisieren, sondern auch die Folgen ihres zerstörerischen Wirkens zu beherrschen. Menschen mit bereits angegriffener Gesundheit erliegen deshalb häufiger der Coronavirus-Infektion als andere mit einer starken Immunabwehr.
Die Beschreibung der Viren in diesem Beitrag ist natürlich vereinfacht. Viren sind trotz ihrer einfachen Organisation keineswegs weniger komplex als Bakterien und Zellen. Die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten wird noch Monate dauern. Händewaschen und fit halten sind jetzt besonders wichtig.
(H.J. Ferenz)

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