Leopoldina zu den ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie

21. Juli 2021 | Bildung und Wissenschaft, Politik, Soziales, Wirtschaft | Keine Kommentare

Die Coronavirus-Pandemie stellt die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland mittel- und langfristig vor neuartige Herausforderungen und hat bereits zuvor bestehenden Handlungsbedarf verstärkt. Die Nationale
Akademie der Wissenschaften Leopoldina analysiert deshalb in der heute veröffentlichten Stellungnahme unter dem Titel „Ökonomische Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie – Diagnosen und Handlungsoptionen“ die derzeitige
wirtschafts- und sozialpolitische Situation und leitet daraus mögliche Vorgehensweisen ab, um den bevorstehenden Strukturwandel zu bewältigen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen Handlungsoptionen in vier Themenbereichen auf: Strukturwandel und Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum Ungleichheit und Verteilung;
Leistungsfähigkeit staatlicher Organisationen auf nationaler wie internationaler Ebene sowie Tragfähigkeit der Staatsfinanzen.

Die Stellungnahme ist Online abrufbar. Sie diskutiert neue Herausforderungen, aber auch solche, die bereits vor der Coronavirus-Pandemie bekannt waren und durch diese weiter verschärft wurden. Auf Basis einer Diagnose der Sachlage werden in vier Themenbereichen Handlungsoptionen für die Politik aufgezeigt.

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es nicht zu allen Themen präzise empirische Grundlagen für die Entwicklung wirtschaftspolitischer Handlungsoptionen. Dennoch lassen sich bereits heute Verbesserungspotenziale im Bereich
staatlichen Handelns und mögliche Beiträge zu einem wirtschaftlichen Erholungsprozess herausarbeiten, der den Bedingungen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit genügt. „Die Pandemie kann zur Chance für eine gesellschaftlich breit getragene Modernisierungsinitiative werden, gerade im Bereich staatlichen Handelns.“,erklärte Prof. Regina T. Riphahn Ph.D., Sprecherin der Arbeitsgruppe und Leopoldina-Vizepräsidentin.

Das erste in der Stellungnahme analysierte Handlungsfeld für die Wirtschaftspolitik ist die Überwindung der mittel- und langfristigen Wirkungen der Pandemie auf die Wirtschaftsleistung. Dies kann durch Rahmenbedingungen und gezielte Maßnahmen gelingen, die den wirtschaftlichen Strukturwandel beflügeln und die künftigen
Wachstumspotenziale stärken. „Digitalisierung und ein beschleunigter Strukturwandel sollten nicht als Bedrohung gefürchtet, sondern als Voraussetzung für eine höhere gesamtwirtschaftliche Produktivität angestrebt werden.“, so Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Sprecher der Arbeitsgruppe, Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen und Mitglied der Leopoldina.

Als zweites Handlungsfeld diskutiert die Arbeitsgruppe Maßnahmen, um den vielschichtigen mittel- und langfristigen Folgen der Pandemie für die Verteilung von Wohlstand und der Fortdauer sozialer Ungleichheit
entgegenzuwirken. Diese betreffen Bildung und Weiterbildung, die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und die Ausgestaltung des Netzes der sozialen Sicherung. Vor allem während der Krise erlittene Bildungsverluste drohen lange nachzuwirken. Die Arbeitsgruppe regt hier unter anderem an, bei möglichen künftigen Schulschließungen täglich verpflichtenden Online-Unterricht vorzusehen und für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten sozialen Verhältnissen umfangreiche Fördermaßnahmen anzubieten.

Als drittes Handlungsfeld arbeitet die Stellungnahme Verbesserungspotenziale im Bereich der staatlichen Leistungsfähigkeit heraus. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, nach dem Abklingen der Krise eine unabhängige regierungsferne Kommission einzusetzen. Diese hätte die Aufgabe, auf allen föderalen Ebenen bis hin zur internationalen Koordination des Krisenmanagements die Ursachen für etwaige Defizite staatlichen Handelns zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. So wäre etwa zu prüfen, inwiefern eine schnellere
Datenbeschaffung, Verwaltungsmodernisierungen insbesondere im öffentlichen Gesundheitsdienst und verbindliche Lernstandserhebungen im Bildungsbereich die Krisenbewältigung verbessern können.

Ein viertes wirtschaftspolitisches Handlungsfeld nach der Pandemie wird der Arbeitsgruppe zufolge darin bestehen, die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auf nationaler und europäischer Ebene zu erhalten und zu stärken, um im Falle einer erneuten großen Krise wiederum in der Lage zu sein, stützend einzugreifen und die größten Auswirkungen abzufedern. Die Arbeitsgruppe empfiehlt, Reformoptionen im Zusammenhang nationaler und europäischer Schuldenregeln einerseits und staatlicher Investitionsaktivität andererseits abzuwägen. Auf beiden Ebenen sollte
wirtschaftspolitisches Handeln striktem Monitoring und kritischer Evaluierung unterzogen werden. Darüber hinaus ist die Handlungsfähigkeit der Kommunen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.

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