Historische Schulbibliotheken der frühen Neuzeit

29. Oktober 2017 | Bildung und Wissenschaft | 5 Kommentare

Stiftungsdirektor Müller-Bahlke eröffnete den Workshop und schüttete den „Geist der Franckeschen Stiftungen“ über die Teilnehmer aus.

Am vergangenen Donnerstag, 26. Okt., und Freitag, 27. Okt., trafen sich Historiker, Bibliothekare, Pädagogen und Archivare zu einem gemeinsamen Workshop in den Franckeschen Stiftungen zu dem Thema „Historische Schulbibliotheken der frühen Neuzeit. Eine Annäherung.“ Es konnte auch nur eine Annäherung sein, da nur wenige Forschungsergebnisse zu diesem Thema vorhanden und viele historische Schulbibliotheken kaum erschlossen sind.

Eröffnet wurde der Workshop durch den Stiftungsdirektor Prof. Dr. Thomas Müller-Bahlke und Frau Dr. Britta Klosterberg, der Leiterin des Studienzentrums der Stiftungen. Frau Dr. Klosterberg hat den Workshop, keine Tagung, darauf wurde Wert gelegt, zusammen mit ihren Mitarbeiter/innen organisiert und vorbereitet. Ca. 35 Teilnehmer kamen dazu in die Franckeschen Stiftungen, um sich im Amerikazimmer im Hauptgebäude über historische Schulbibliotheken auszutauschen, darunter Forscher aus der ganzen Bundesrepublik und Österreich.

„Bachs Brandenburgische Konzerte haben in einer Schulbibliothek überdauert“

Das Thema konnte, wie Frau Dr. Klosterberg befürchtete, natürlich nur angerissen wurde. Zu verschieden waren die Erhaltungs- und Überlieferungsbedingungen der unterschiedlichen Institutionen. Dennoch wurden viele Aspekte des Themas in zwei Tagen in Vorträgen und Diskussionen angerissen. Der Wunsch nach einer Wiederholung müßte für Frau Dr. Klosterberg das größte Lob von Wissenschaftlern und Kollegen gewesen sein. Das blieb offen, aber immerhin wird es einen Tagungsband geben, auf den sich nicht nur Bibliothekare freuen können, sondern alle, die sich mit der Erforschung der frühen Neuzeit beschäftigen. Lokalpatriotisch möchte HalleSpektrum natürlich „die historische Schulbibliothek“ in der Umgebung erwähnen: Frau Petra Mücke, Bibliothekarin in Pforta/Naumburg, stellte unter dem Titel „Schon seit 400 Jahren kein verschlossener Schatz“ die historische Bibliothek der Landesschule Pforta vor, die neben einer von Lehrern betreuten modernen Schülerbibliothek, immer noch existiert und nur wenige Geschichtsverluste erleiden mußte. Als Präsenzbibliothek ist die Schulbibliothek von Pforta für Interessierte auch weiterhin geöffnet. Immerhin gehören noch 34 mittelalterliche Handschriften zum Bestand, die aber nicht aus dem alten Kloster Pforta stammen, sondern vom Landesherrn aus anderen Quelle dem Bestand der Schulbibliothek zugefügt worden sind.

„Schulbibliotheken spielten und spielen eine entscheidende Rolle für die Bildung“

Die Ergebnisse des Workshops wurden am Freitag von Frau Dr. Klosterberg folgendermaßen zusammen gefaßt: 1. Es gibt keinen systematischen Überblick und Zugriff auf historische Schulbibliotheken. 2. Die zeitl. Perspektive und zwar als Beschäftigung mit dem jeweiligen Bestand. Wo ist er zeitlich einzuordnen? 3. Die Nutzung. Aus einst aktueller Literatur wurden historische Buchbestände. So kamen Schulbibliotheken zu einem Archivcharakter, der heute aber oft nicht mehr weitergeführt wird. 4. Prekäre Verhältnisse bei der Aufbearbeitung und Erschließung von historischen Schulbibliotheken.

Schulbibliotheken sind die Stiefkinder von Politik und Wissenschaft, mitunter auch vom wissenschaftlichen Bibliothekswesen. Um so lobenswerter das Engagement der Franckeschen Stiftungen und das Interesse der beteiligten Teilnehmer.

Hinweisen möchten wir in diesem Zusammenhang auch auf die neue Kabinettausstellung des Studienzentrum August Hermann Francke – Archiv und Bibliothek -, die das Thema „Die oratorische Bibliothek des königlichen Pädagogiums : Eine Schulbibliothek um 1800“ zum Inhalt hat. Die Stiftungen schreiben: Als August Hermann Niemeyer (1744-1828), der Urenkel August Her-mann Franckes, 1784 die Leitung des Pädagogiums übernahm, wurde die zeitgenössische deutsche Literatur zu einem wichtigen Bestandteil des oratorischen Unterrichts. In seinem pädagogischen Handbuch »Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts« forderte er die Ein-richtung von Schulbibliotheken an allen Schulen Preußens. In den Stiftungsschulen setzte er dieses fortschrittliche Ziel um. Die erste Schülern zugängliche Bibliothek war die Oratorische Bibliothek des Pädagogiums, »eine Sammlung Kinderschriften, Reisebeschreibungen und Werken der Vortrefflichsten Schriftsteller unserer Nation […]. Aus ihr kann, nach dem Rath und unter Leitung seiner Lehrer, wöchentlich jeder Zögling ein Buch zum Durchlesen erhalten.« (1820).

 

 

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