Blattlausige Zeiten

31. März 2023 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Blattläuse auf Hibiskus

Kaum hat sich der Winter mit letzten Nachtfrösten verabschiedet und entfalten Blumen und Bäume ihre Blüten- und Blätterpracht sind sie wieder da – die Blattläuse. Zunächst vereinzelt und unbemerkt, dann aber plötzlich in Massen  befallen sie frische Pflanzen. Das geht meist so: Die Überwinterung der meisten Blattläuse erfolgt in Form von Eiern. Diese Eier sind, anders als die filigranen Läuse, außerordentlich frostresistent. Im Frühjahr schlüpfen daraus ungeflügelte Blattläuse, die sich zur Stammmutter entwickeln. Sie und ihre Nachkommen, die alle weiblich sind, sind lebendgebärend. Alle 2 Wochen entsteht eine neue Generation. So kommt es durch ungeschlechtliche Vermehrung rasch zu einer Bevölkerungsexplosion. Es entstehen bei Überbevölkerung auch geflügelte Tiere, die neue Wirtspflanzen aufsuchen können. Oft werden dann andere Wirtspflanzen befallen. Im fortgeschrittenen Jahresverlauf wird durch die abnehmende Tageslänge rechtzeitig die Bildung von Geschlechtstieren induziert, die sich paaren und die Wintereier bilden. Der Generationswechsel zwischen zwischen parthenogenetisch (Jungfernzeugung) und geschlechtlich erzeugter Generationen ist typisch für Blattläuse.

Blattläuse schädigen Pflanzen durch Entzug von Nährstoffen. Dazu zapfen sie in den Wirtspflanzen die Röhrensysteme für Wasser und Photosyntheseprodukte an: Phloem und Xylem. In den Siebröhren des Phloems werden hauptsächlich Zucker, aber auch Aminosäuren und anorganische Ionen transportiert. Anorganische Stickstoffverbindungen sowie Wasser werden im Xylem transportiert. Mit ihrem Stechrüssel können Blattläuse gezielt ein einziges Siebröhrenelement einer Pflanze anstechen. Enzyme im Speichel unterstützen das Anstechen. Dabei können  mit dem Speichel auch schädliche Pflanzenviren übertragen werden. Der im Phloem vorhandene hohe Druck drückt den Siebröhrensaft direkt in den Magen der Blattläuse – fast wie im Schlaraffenland. Überschüssiger, zuckerhaltiger Saft wird als sogenannter Honigtau ausgeschieden. Bis zu 90% sind das, so dass ein wahrer Zuckerwasserregen von einem verlausten Baum regnen kann. Aussagekräftige Daten über die Zusammensetzung des Phloemsaftes erhalten Wissenschaftler, wenn der Rüssel der Blattläuse nach dem erfolgreichen Anstechen eines Siebelements mit Hilfe eines Laserstrahls vom Tier abgetrennt und der austretende, reine Phloemsaft direkt in einer Glaskapillare gesammelt wird. Dieser bemerkenswerte Trick funktioniert  über einen Zeitraum von mehreren Stunden hinweg.

Florfliege

Ameisen pflegen ihre Blattlauskolonie

Der ausgeschiedene Honigtau ist bei Ameisen, Bienen und anderen Tieren beliebt. Manche Ameisenarten hegen und pflegen deshalb sogar ihre Blattlauskolonien, verteidigen sie und verbreiten sie auf den Pflanzen. Durch Betrillern der saugenden Laus lösen sie die Abgabe von Honigtautropfen aus. Auch wenn der Massenbefall ärgerlich ist, sollte die Bekämpfung mit der chemischen Keule möglichst unterbleiben. Mit scharfem Wasserstrahl kann man den Befall umweltfreundlich reduzieren. Natürliche Feinde der Läuse stellen sich gewöhnlich ein; z.B. Marienkäfer, Florfliegen, Schwebfliegen, Schlupfwespen.

Wilhelm Busch hat die Blattläuse geduldig beobachtet und ihr Leben bemerkenswert treffend in folgendem Gedicht beschrieben:

Duldsam

Wilhelm Busch

Des Morgens früh, sobald ich mir

Mein Pfeifchen angezündet,

Geh’ ich hinaus zur Hintertür,

Die in den Garten mündet.

Besonders gern betracht’ ich dann

Die Rosen, die so niedlich;

Die Blattlaus sitzt und saugt daran

So grün, so still, so friedlich.

Und doch wird sie, so still sie ist,

Der Grausamkeit zur Beute;

Der Schwebefliegen Larve frißt

Sie auf bis auf die Häute.

Schlupfwespchen, flink und klimperklein,

Sosehr die Laus sich sträube,

Sie legen doch ihr Ei hinein

Noch bei lebendgem Leibe.

Sie aber sorgt nicht nur mit Fleiß

Durch Eier für Vermehrung;

Sie kriegt auch Junge hundertweis

Als weitere Bescherung.

Sie nährt sich an dem jungen Schaft

Der Rosen, eh’ sie welken;

Ameisen kommen, ihr den Saft

Sanft streichelnd abzumelken.

So seh’ ich in Betriebsamkeit

Das hübsche Ungeziefer

Und rauche während dieser Zeit

Mein Pfeifchen tief und tiefer.

Daß keine Rose ohne Dorn,

Bringt mich nicht aus dem Häuschen.

Auch sag’ ich ohne jeden Zorn:

»Kein Röslein ohne Läuschen!«

H.J. Ferenz; Fotos: Ferenz; zum Zoomen auf Foto klicken)

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