Halle als Standort des Zukunftszentrums für Europäische Transformation und Deutsche Einheit – Der Landtag debattiert

24. Februar 2023 | Politik | Keine Kommentare

Das Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit wird in Halle (Saale) errichtet werden. Die Stadt hatte sich erfolgreich als Standort für das Großprojekt beworben. Nun war der Bau des Zentrums auch Thema in der heutigen Landtagssitzung in Magdeburg und wurde von Politikern aller Parteien debattiert.

Die wichtigsten Redebeiträge lesen Sie hier:

Es sei ein Erfolg für die Stadt, Sachsen-Anhalt und ganz Mitteldeutschland, kommentierte etwa der CDU-Landtagsabgeordnete Marco Tullner: „Ein Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit in Halle macht die Attraktivität unseres Bundeslandes für Investitionen aller Art deutlich. Die Entscheidung für die Stadt Halle ist der Erfolg der Arbeit aller Beteiligten. Sowohl der Wissenschaftsstandort Halle mit der Martin-Luther-Universität und der Leopoldina als auch die tiefgreifenden Erfahrungen der Transformation von Gesellschaft und der Wirtschaft in der Region waren ausschlaggebend für die Wahl der Saalestadt. Das Zentrum wird die gesamte mitteldeutsche Region stärken und einen wichtigen Ort der Begegnung und der Vermittlung schaffen.“

Das Zukunftszentrum müsse ostdeutsche Biographien in den Blick nehmen, betonte hingegen der Linken-Politiker Hendrik Lange in seinem Redebeitrag.  „Mit der erfolgreichen Bewerbung der Stadt Halle um das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist der Stadt gelungen, was ihr vorher kaum zugetraut wurde – ein großartiger Coup. Wir freuen uns und danken allen, die mitgeholfen haben, dass dieser Erfolg gelungen ist. Wir freuen uns auch deswegen, weil diese Bewerbung in einer Zeit erfolgte, die für die Stadt nicht so einfach ist. Sie alle wissen, dass OB Wiegand derzeit suspendiert ist. Umso schöner ist es zu sehen, dass der wohl größte Erfolg für eine positive Entwicklungsperspektive durch die unermüdliche Arbeit der Stadtverwaltung unter der Leitung des stets bescheiden auftretenden Bürgermeister Geier gelungen ist. Dieser Erfolg ist gelungen, weil die gesamte Stadtgesellschaft mitgenommen wurde. Es war eben nicht die One-Man-Show sondern ein guter gemeinsamer Auftritt der Stadtgesellschaft, vom Wirtschaftsunternehmen bis zu Vereinen und Verbänden, dem guten Zusammenspiel des Stadtmarketings mit der Stadtverwaltung und dem Rat. Da möchte ich in die freudigen Erfolgsgesänge ein wenig Moll mit Blick auf die Genese des Projekts einfließen lassen. Denn anfänglich kam aus der Staatskanzlei nicht die klare Unterstützung, man konnte gar Skepsis spüren. Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich die Koalition im Europaausschuss, trotz umfangreicher Anhörungen und der Vorstellung der Konzepte, nicht einigen konnte, welche Bewerberstadt aus Sachsen-Anhalt sie denn unterstützen möchte. Jetzt gilt es das Zukunftszentrum als das zu begreifen, was es ist. Eine große Chance für die ganze Region. Es ist nicht umsonst gelungen, dass auch die Landräte die Stadt bei der Bewerbung unterstützt haben. Die Stadt hat immer deutlich gemacht, dass die Region, die ja exemplarisch für die Transformation steht, die Ostdeutschland seit der Wende erlebt hat und immer noch erlebt, mitgenommen und einbezogen werden soll. Diese Perspektiven sollen in der Gestaltung des Zukunftszentrums mit einfließen. Umso wichtiger ist es, dass der finanzgetriebene Abbau von Studienkapazitäten gerade in den Geisteswissenschaften gestoppt wird. Noch während die Jury tagte, kamen zu den Prozessen an der Uni Halle Fragen. Es ist wichtig, dass dem Zukunftszentrum auch das Fundament der breit aufgestellten Forschungslandschaft in Halle und Umgebung zur Verfügung gestellt wird. Zudem sollte das Zukunftszentrum in die gesamte Gesellschaft ausstrahlen und eine Übersetzungsleistung aus der Wissenschaft hinein in die Gesellschaft bieten. Es soll die Menschen im Osten der Republik und in Osteuropa mit einbeziehen sowie ihre Biographien würdigen. Mit ihren Brüchen, Lasten und Widersprüchen stehen diese Biographien exemplarisch für das, was im Osten an Transformation stattgefunden hat und stattfindet. Wenn man ein Zukunftszentrum baut, sollte man auch in der Gegenwart Lebensleistung anerkennen. Die Entschädigung für entgangene Renten für in der DDR Geschiedene und DDR-Beschäftigte gehört dazu. Sachsen-Anhalt muss bis März in die Härtefallstiftung einsteigen und im nächsten Schritt den Empfänger:innen-Kreis zu einem Gerechtigkeitsfonds ausweiten. DIE LINKE hat beides im Landtag beantragt. Wer die besondere deutsche und europäische Geschichte fruchtbar machen will, der muss die Menschen respektieren, die sie gemacht haben und durchleben mussten.“

„Das Haus in Halle soll kein Ort zum Wundenlecken, sondern zum Bessermachen werden.“, so Katja Pähle von der SPD. „Die Demonstranten in Leipzig und Dresden, die Solidarność in Polen, die Samtenen Revolutionären in Prag haben nicht nur Geschichte geschrieben, sondern auch das Tor für eine neue Epoche aufgestoßen. Wir blicken heute auf 30 Jahre Transformation mit einer Mischung aus Stolz und Ernüchterung – und mit dem Willen, den weiteren Prozess aktiv zu gestalten. Es wird in den nächsten Jahren viele Diskussionen darüber geben, wie dieses Zentrum profiliert und ausgerichtet werden soll. Eins steht fest: Wir brauchen kein Transformationsmuseum. Gerade jetzt halte ich es für wichtig, dass das Zukunftszentrum ein Thinktank für gesamteuropäische Entwicklung wird. Wir müssen weiter an einem Europa bauen, in dem alle Völker friedlich zusammenleben, auch das russische und das ukrainische. Das sind doch die wichtigsten Erkenntnisse aus den Ereignissen von 1989/90: Geschichte ist gestaltbar, Friedlicher Umbruch ist machbar und Demokratie ist stärker“

„Transformation ist ein hoch politischer und relevanter Begriff. Wenige Regionen sind dermaßen von Transformationsprozessen geprägt wie Sachsen-Anhalt. Umso wichtiger ist es, aus den Erfahrungen, aber auch Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Schlussfolgerungen zu ziehen, wie die Politik solche Prozesse besser gestalten kann. Das wird eine wissenschaftliche Aufgabe des Zukunftszentrums, dass mehr als eine museale Einrichtung ist. Sachsen-Anhalts Forschungslandschaft wird davon stark profitieren.“, freute sich auch Olaf Meister, wissenschaftspolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. „Sachsen-Anhalt ist in der Vergangenheit stark geprägt durch eine rasante Industrialisierung, durch heftige Brüche im Zuge der deutschen Teilung und die drastischen Veränderungen nach der Deutschen Einheit. Die dramatischen Umbrüche ab 1989 haben Freiheit und Demokratie gebracht, führten auch zu mehr Wohlstand und zur Bewältigung bestimmter ökologischer Probleme. Aber sie erschütterten auch alte Gewissheiten und Sicherheiten, entwerteten Erwerbsbiografien, führten zu Abwanderung. Diese Erfahrungen haben sich tief in das Bewusstsein der Bevölkerung unseres Bundeslandes eingegraben, sie prägen uns und wirken auch auf die nächsten Generationen“, erklärte Meister. „Wir sind nämlich bereits mittendrin in den nächsten Umbrüchen. Sie finden globaler statt, werden unser Leben aber trotzdem stark beeinflussen. Wir stehen vor disruptiven Veränderungen in verschiedensten Bereichen. Leider beobachten wir als grüne Landtagsfraktion eine fehlende Offenheit und Bereitschaft, sich neuen Dingen zu stellen und sie zu gestalten. Das hat die heutige Debatte wieder gezeigt. Das ist in Sachsen-Anhalt durchaus ein Problem. Das Zukunftszentrum bietet eine große Chance, diese Herausforderung erfolgreich anzugehen.“

Abschließend hielt auch Ministerpräsident Reiner Haseloff eine Rede zu der Thematik:

„Halle hat zahlreiche Vorzüge, die diese Stadt zu einem idealen Standort für ein solches Zukunftszentrum machen.“, so Ministerpräsident Reiner Haseloff. „Der 14. Februar war mit der Juryentscheidung ein großer Tag für Halle, aber auch für ganz Sachsen-Anhalt. Das positive Votum für Halle war jedoch kein Selbstläufer. Wir haben uns gemeinsam für unsere Kulturhauptstadt kräftig ins Zeug gelegt. So hat die Landesregierung schon frühzeitig eine Priorisierung zugunsten der Stadt Halle vorgenommen. Ich möchte all denen danken, die durch ihren engagierten und entschiedenen Einsatz dazu beigetragen haben, dass Halle im Rennen der Bewerberstädte den Sieg davontragen konnte. Da ist natürlich zuerst einmal das tolle Halle-Team um Bürgermeister Egbert Geier. Mehr als 70 kulturelle, wissenschaftliche, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Institutionen mit einer Vielzahl von Mitstreitern haben sich für die Stadt stark gemacht. Das war phantastisch. Und natürlich haben auch der Landtag und die Landesregierung ihren Beitrag dazu geleistet, z. B. in dem wir die Bewerbung Halles finanziell unterstützt haben. Mein Dank gilt aber auch den Städten in Sachsen-Anhalt, die zunächst selber eine Bewerbung erwogen hatten, dann aber Halle vorbehaltlos unterstützt haben. Dieses Gemeinschaftsgefühl hat ohne Zweifel – neben den unbestrittenen Vorzügen Halles – den Ausschlag pro Halle gegeben.

Wir wissen, Halle hat zahlreiche Vorzüge, die diese Stadt zu einem idealen Standort für ein solches Zukunftszentrum machen. Als da wären: Reichlich Transformationserfahrung, sowohl beim Umbau der Chemischen Industrie wie auch jetzt beim Strukturwandel weg von der Braunkohle.

Halle ist darüber hinaus ein exzellenter Wissenschaftsstandort mit jahrhundertelanger Geschichte. Dafür stehen die Deutsche Akademie der Naturwissenschaften Leopoldina ebenso wie die Martin-Luther-Universität und die Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Stadt. Ich denke hier nur an das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, das reiche Expertise im Bereich Transformation vorweisen kann.

Halle genießt aber auch als Stadt der Bildung und Kultur einen guten Ruf, auch bei unseren osteuropäischen Nachbarn. Da sind die Franckeschen Stiftungen, das Kunstmuseum in der Moritzburg oder die vielen Kreativen bei den Medienunternehmen der Stadt und vieles andere mehr. Und schließlich liegt die Stadt mitten im Herzen Europas und profitiert von ihrer hervorragenden Verkehrsanbindung.

Jetzt kommt es darauf an, aus dem positiven Votum für Halle etwas zu machen und die Voraussetzungen für eine schnelle Realisierung des Zukunftszentrum zu schaffen. Ich weiß, das Zentrum ist eine Einrichtung in der Zuständigkeit des Bundes, doch sowohl die Stadt Halle wie das Land Sachsen-Anhalt wollen und werden ihren Beitrag dazu leisten, dass das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation hier, so schnell es geht, Gestalt annimmt.

Ein Wunsch meinerseits ist dabei, dass der Bund auch die vielen guten Ideen der Mitbewerber Halles aus den anderen Bundesländern berücksichtigt. Das Zukunftszentrum ist ja nicht nur ein Zentrum für Halle oder Sachsen-Anhalt, es ist ein Zukunftszentrum für ganz Deutschland und insbesondere auch für Osteuropa.

Was Deutschland betrifft, so war uns 1990 noch nicht bewusst, wie groß die Herausforderung des gesellschaftlichen Zusammenwachsens sein würde. Den Ostdeutschen wurde eine strukturelle Transformation abgefordert, die ohne Beispiel ist. Für die allermeisten Menschen im Westen blieb hingegen vieles unverändert. Im vereinten Deutschland kamen zwei völlig unterschiedliche Erfahrungsgemeinschaften zusammen. Die politische Vereinigung war schnell vollzogen. An der Herstellung der inneren Einheit wurde dagegen zu wenig gearbeitet.

Es handelt sich beim Zukunftszentrum also um ein äußerst spannendes Projekt, um die Entwicklung wissenschaftlich und kulturell zu verarbeiten und vor allem Perspektiven für Deutschland und Europa aufzuzeigen. Denn letztendlich geht es darum, auf der Grundlage der gemeinsamen Transformationserfahrung in Deutschland und bei unseren östlichen europäischen Nachbarn unser gemeinsames künftiges Zusammenleben zu gestalten. Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit und mehr Verständnis füreinander. Das geht nur, wenn wir mehr übereinander wissen.

Die Prozesse in Deutschland und Europa sind dabei eng miteinander verwoben. Die Wiedervereinigung Deutschlands war verbunden mit der Einigung Europas. Und die Länder in Mittel- und Osteuropa teilten so manche Erfahrungen der Ostdeutschen. Auch sie mussten eine immense Transformation bewältigen, aber als Gesamtstaaten, was ein großer Unterschied war, denn die gesamte Bevölkerung teilte die Transformationserfahrung. Ein weiterer Unterschied: Ostdeutschland gehörte als Teil Deutschlands sofort nach der Wiedervereinigung zur Europäischen Gemeinschaft, die wenig später zur Europäischen Union wurde. Die Länder in Mittel- und Osteuropa mussten darauf bis 2004 oder noch länger warten. Die Aufnahme in die EU war ein wichtiges Ziel ihres eigenen Transformationsprozesses. So können diese Länder eine eigene Perspektive in den Austausch einbringen. Auch dies kann bei der Gestaltung aktueller und künftiger Transformationen helfen – in Deutschland und europaweit.

Transformationserfahrungen sind vielschichtig. Sie können schmerzhaft sein, aber sie sind auch mit der Ansammlung von Know-how, Erfolgserlebnissen und der Entwicklung von Selbstbewusstsein verbunden. Das kann uns helfen, laufende und anstehende Prozesse zu gestalten, die uns in ganz Deutschland beschäftigen. Themen wie Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, Kohleausstieg und digitale Transformation erzeugen allerdings auch neue Unsicherheiten. Darüber sind eine kritische Auseinandersetzung und gesellschaftliche Verständigung notwendig. Alles Aufgaben, denen sich das Zentrum gewiss widmen wird.

Zu seiner Realisierung werden wir in Sachsen-Anhalt unseren Beitrag leisten. So haben wir gegenüber dem Bund und der Jury mehrfach die bestmögliche Unterstützung und Kooperation Sachsen-Anhalts insbesondere in kulturellen und wissenschaftlichen Belangen zugesichert. Dies beinhaltet die Bereitschaft des Landes, die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen für gemeinsame Berufungen – wie die Leitung des wissenschaftlichen Bereichs – zu schaffen. Wir werden alle für die nachhaltige Einbindung des Zentrums in unsere Wissenschaftslandschaft erforderlichen Professuren einrichten sowie in enger Abstimmung mit dem Zentrum gemeinsame Berufungsverfahren durchführen.

Zudem stehe ich bereits im Austausch mit meinen Kollegen aus anderen Bundesländern, die unter anderem die Gründung eines wissenschaftlichen Beirates mit Professoren aus ihren Ländern angeregt haben. Sachsen-Anhalt steht dem Ausbau der länderübergreifenden Kooperationen im wissenschaftlichen Bereich ausgesprochen offen gegenüber. Zunächst gilt es jedoch, die Vorstellungen und Vorgaben des Bundes als Projektverantwortlichem abzuwarten.

Auch die Stadt Halle steht bereits im engen Austausch mit dem Bund. Gegenwärtig geht es um das Herstellen konkreter Kontakte auf den jeweiligen Arbeitsebenen. Erste Gespräche wurden bereits am Mittwoch letzter Woche geführt. Mit dem sofort verfügbaren Baufeld am Riebeckplatz inmitten der Stadt, der hervorragenden Verkehrsanbindung und dem Know-how Halles im Bereich Stadtentwicklung, Wissenschaft und Digitalisierung wird es hier gelingen eine einzigartige Einrichtung zu schaffen, die für Deutschland und Europa Ausstrahlungskraft gewinnt.

Ich bin mir sicher, das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist in Halle nicht nur am richtigen Ort, sondern auch in guten Händen. Ich wünsche mir, dass es ein Ort der Forschung und des wissenschaftlichen Austausches wird, aber ebenso auch einen regen Besucherzuspruch aus Ost wie West erfährt. Die Bürgerinnen und Bürger sollen hier die Chance erhalten, sich über ein sehr spannendes Kapitel deutscher und europäischer Geschichte zu informieren. Als ein Ort der Begegnung kann das Zentrum so ein Ort des Zusammenwachsens Deutschlands wie Europas sein.“

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