Schon gewusst? Der Mensch liebt es bunt – Von Farben und vom Färben

24. August 2019 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Schon früh entdeckte der Mensch für sich Farben. Körperbemalung diente nicht nur der Verschönerung, sondern hatte auch rituelle Bedeutung. Das trifft auch auf die Jahrtausende alten Höhlenmalereien zu. Dann entdeckte der Mensch Verfahren, mit denen man auch Felle und selbstgewebte Stoffe mit Farbstoffen aus der Natur färben konnte. Aufgrund der nur sehr begrenzten Mengen dieser Farben waren einige von ihnen natürlich sehr kostbar. Erst Ende des 19. Jahrhunderts gelangen die ersten Synthesen künstlicher Farbstoffe. Von nun an war Farbe kein Luxusprodukt mehr, da die Farben für jedermann bezahlbar geworden waren. Für uns ist die Allgegenwärtigkeit farbiger Substanzen nichts Besonderes mehr. Wir tragen farbige Textilien, essen gefärbte Lebensmittel und erfreuen uns am breiten Anwendungsspektrum synthetischer Farbstoffe.

Am Anfang war das Rot

Abb. 1: Natürliches Rötel-Vorkommen in Griechenland

Material für Malfarben gewann man aus in der Natur vorkommenden Mineralien.; für gelbe, rote und braune Farben nahm man Ocker und Rötel, das sind eisenoxidhaltigen Tonerden, die überall auf der Welt leicht zu finden sind. Für Weiß hatte man Kreide und für Schwarz Kohle. Den schon in der Steinzeit beliebten Rötel konnte man sogar künstlich herstellen, indem man gelben Ocker im Feuer erhitzte. Dabei wandelte sich das wasserhaltige, gelbe Eisenoxid in wasserfreies, rotes um.
Im Landesmuseum für Archäologie in Halle kann man sehen, wozu solche Rötelfarben benutzt wurden: schon um 1000 v. Christus dekorierten unsere Vorfahren ganze Hausfassaden mit phantasievollen roten Ornamenten auf weißem Grund. Die graue Vorzeit war also viel bunter, als wir denken.

Abb. 2: Farbrekonstruktion eines bronzezeitlichen Hauses

Abb. 4: Wandmalerei aus Herkulaneum

Die farbenfrohen Wandmalereien aus Pompeji – immerhin auch schon 2000 Jahre alt – sind vielen bekannt. Neben dem berühmten „Pompejanischem Rot“ sehen wir aber, dass die Römer die Farbpalette tüchtig erweitert hatten. Teuer, aber intensiv rot war der Zinnober, ein Quecksilbererz, das man aus dem spanischen Almaden importierte.

Abb. 3: Wandbemalung in Herculaneum

Abb. 4 zeigt Reste einer großzügigen Villa in Herculaneum. Bei der blauen Farbe handelt es sich um Ägyptischblau. Das Haus wurde beim Vesuvausbruch zerstört. Hier sehen wir, dass das Pompejanisch Rot ursprünglich ockergelb war. Im oberen Teil der Wand schlug der gelbe Ocker durch die Hitze des Feuersturms in Rot um – unten war er durch Vulkanasche und Trümmerschutt vor Hitze geschützt.
Für Grün verwendete man Malachit, ein Kupfererz. Eine besondere Herausforderung blieb lange Zeit die Farbe Blau, denn blaue Minerale sind selten. Die Römer konnten schon ein künstliches Blau herstellen, in dem sie eine Art Glas herstellten, das mit etwas Kupfer blau eingefärbt und dann pulverisiert wurde. Dieses „Ägyptischblau“ gab allerdings nur hellblaue Töne. Ein richtig schönes Blau wurde aus einem Stein gewonnen, den es weltweit nur an einziger Stelle, nämlich im heutigen Afghanistan, gibt: Lapislazuli. Das daraus gewonnene Pigment war im Mittelalter so teuer, dass es mit Gold aufgewogen wurde: das „Ultramarin“ hieß so, weil es weit über das Meer hinweg transportiert werden musste.

Abb. 5: Ägyptischblau (links) und Ultramarin (rechts)

Im Jahr 1540 entdeckte man dann das Kobaltblau. Das wurde durch Zusammenschmelzen von Sand, Pottasche und geröstetem Kobalterz, also einem Glas, hergestellt. Diese Erfindung führte zu einem beachtlichen Aufschwung des Kobalterzbergbaus im Erzgebirge. Ein anderes Blau, das Berliner Blau, gewann man seit 1704 aus gelbem Blutlaugensalz (eine Eisenverbindung), das mit Pottasche, organischen Abfällen und Eisen verschmolzen wurde. Zusatz von Oxidationsmitteln ließ dann das begehrte Blau entstehen.

Eine Chemiestadt entsteht aus dem „Blauen“ heraus
Zu einer Farbrevolution kam es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: in den 1820er Jahren hatten mehrere Chemiker unabhängig voneinander entdeckt, wie man künstliches Ultramarin aus billigen Rohstoffen herstellen kann: indem man Porzellanerde (Kaolin) zusammen mit Schwefel und Soda erhitzte. Das ergab zunächst grünes Ultramarin, dann blaues. Die Schönheit der Farbe übertraf noch die des natürlichen Lapislazuli. Als dann 1834 Carl Leverkus in Wiesdorf bei Köln am Rhein eine Ultramarinfabrik gründete, wurde die neue Farbe zum Exportschlager. Er nannte die neue Siedlung um sein Werk „Leverkusen“ nach einer kleinen Hofstelle im Bergischen Land, wo seine Familie herstammte. Leverkus verkaufte seine Anlage später an die junge Farbenfabrik Bayer aus Elberfeld, die auch gerade mit Industriefarben auf Erfolgskurs ging. Die heutige, durch ihren Fußballverein bekannte Großstadt Leverkusen ist im wahrsten Wortsinne aus dem Blauen heraus entstanden.
Leider bescherten manche der neuen, bunten Farben dem Verbraucher nicht nur Freude, sondern auch Krankheit und Tod. Ein berüchtigtes Beispiel ist das Schweinfurter Grün, das man aus Kupfer, Arsenik und Essigsäure herstellte. 1814 entdeckt, fand es vielfach Verwendung. Man versuchte damit auch Stoffe zu färben. „… die Farbe stäubte von den schönen grünen Ballkleidern beim Tanzen ab oder wurde durch Schweiß zersetzt, zum schweren Schaden für die Trägerinnen sowohl als für die übrigen Tänzer.“ Schweinfurter Grün ist nämlich ziemlich giftig. „Giftgrün“ sagt man ja heute noch.
Andere, giftige und heute verbotene Farben waren Bleiweiß und das ebenfalls bleihaltige, orangerote Mennige. Zur Bleiweißherstellung setzt man Bleiplatten Essigsäuredämpfen aus, wodurch sich die Bleiplatten zu weißem Pulver zersetzten. Bleiweiß ist wegen seiner Giftigkeit heute natürlich verboten. Als Ersatz dienen Zinkweiß und seit den 1920er Jahren Titanweiß. Beides sind recht stabile Oxide ihrer jeweiligen Metalle.
Bis in die 1960er Jahre fuhren die Autos der deutschen Post mit Lackierungen aus dem feurig gelben Chromgelb umher. Diese Farbe ist heute verboten, denn das Pigment enthält sowohl Blei als auch noch das krebserzeugende Chromat.
Eine Farbe fehlt noch auf unserer Palette: die „Nicht-Farbe“ Schwarz. Seit vorgeschichtlicher Zeit verwendet man hier überwiegend Kohlenstoffpigmente, die man durch Verkohlen oder Verschwelen von organischem Material gewann. Im einfachsten Fall konnte das zerriebene Holzkohle aus dem Lagerfeuer sein. Ein sehr feines Kohlenstoffpigment ist Ruß, der nicht nur für feine Zeichentuschen gebracht wurde, sondern auch bis heute in Druckfarben und Tonern für Laserdrucker Verwendung findet. Druckerfarbe stellte man in Schwelöfen her, in denen harzreiches Holz zu Ruß verkohlte. Mit Laugen entfettete man dann abschließend noch den Ruß. Heute wird Industrieruß unvollständige Verbrennung petrochemischer Erzeugnisse gewonnen.

Damit die Farbe hält: Bindemittel.
All die hier beschrieben Farbsubstanzen sind eigentlich nur bunter Staub. Wie bringt man den Farbstaub dazu, auf der Wand oder dem Bild zu haften? Das ist Aufgabe der „Bindemittel“, die schlichtweg Klebstoffe sind, die man mit den Pigmenten zusammen zu einer Paste verreibt. Nach dem Aufstreichen verdunstet das Lösungsmittel oder der Kleber wird durch einen anderen Prozess fest – und bindet das Farbpulver dann zu einer haftenden Farbschicht zusammen. Nach der Art der Bindemittel wird die entsprechende Mal- oder Anstrichtechnik benannt.
Wasserlösliche tierische Leime (Knochenleim, Hautleim) ergeben Leimfarben, aber man kann ebenso klebrige pflanzliche Binder verwenden (z.B. Gummi arabicum in der Aquarellmalerei). Hauptsache, es klebt. In Innenräumen erhält man so stabile Anstriche. Nachteil: diese Farben sind nicht regenfest.
Früh kam man darauf, Eidotter als Binder zu verwenden. Es enthält eine wässrige Komponente, in der das Eiweiß gelöst ist, und eine Ölige, die eine innige Fett-Wasser-Emulsion bilden. Malt man mit solchen Eier-Farben, so trocknet erst das Wasser weg, dann schmilzt die ölige Komponente zu einem Film zusammen. An der Luft oxidieren die Eilipide anschließend und bilden einen polymeren, unlöslichen Film, wie eine Art Natur-Kunststoff, der die Farbkörner festhält. Diese Technik nennt man Temperamalerei. Sie wird traditionellerweise bis heute noch in der Ikonenmalerei verwendet.
Eine Spezialität war die enkaustische Malerei der griechisch-römischen Antike: hier dienten heißflüssige Wachsmischungen als Bindemittel.
Im Spätmittelalter kam man darauf, als Bindemittel an Luft härtende Öle aus dem Pflanzenreich zu verwenden. Man fand, dass sich bestimmte Öle wie Lein,- Walnuss oder Mohnöl dazu gut eignen. So entstand die Ölmalerei.

Bei den Lackfarben zu Anstrichzwecken verwendet man Bindemittel auf Basis synthetischer oder halbsynthetischer Kunstharze, die mit einem organischen Lösemittel dünnflüssig gehalten werden. Beim Verdunsten können die Dämpfe gesundheits- oder umweltschädlich wirken, und außerdem unangenehm riechen. Deshalb setzt man seit einigen Jahrzehnten auf Lacke auf „Wasserbasis“, gemeinhin auch „Acryl- oder Dispersionsfarbe“ genannt. Der Binder besteht aus einer feinsten Verteilung (Dispersion) kleinster Kunstharzteilchen in Wasser. Die Teilchen haben noch eine gewisse „Restklebrigkeit“ durch Weichmacher. Verdunstet das Wasser, lagern sich die Teilchen aneinander, und verschmelzen durch „kalten Fluss“ miteinander.
Die Kunst der Textilfärberei beruht dagegen auf ganz anderen Vorgängen. Ihr werden wir uns in einem zweiten Teil widmen.
(H.J. Ferenz; Fotos H.W.)

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