Stroh im Kopp: wenn manche Online-Redakteure sich nicht mal in Geographie auskennen…
15. April 2024 | Bild der Woche | 10 KommentareHeino wor zum Direktor Direktor bestellt und rundgemacht worden. Es hatte wütende Leserbriefe gegeben. „Mexiko!“ brüllte der Direktor, seine Stimme japste. „Mexiko. In Südamerika!“ Nicht einmal das Telefon war still geblieben. „Ja, aber“, stammelte Heino, „ich hatte doch nur die Malerin nach Mexiko…aber die Inkas, das war doch richtig.“ „Nein!“ brüllte es zurück. „Bei Ihrem nächsten blöden Gewächs informieren Sie sich bitte zuächst über die Geographie.Und bleiben Sie lieber hier in der Nähe, wo Sie sich auskennen. Ich will so etwas nicht noch einmal erleben.“
Heino war immer noch von dem Gebrüll benommen, als Elfriede in sein Büro kam. „Der kann uns mal. Jetzt reisen wir noch weiter weg. Gleich nach Australien!“ Elfriede kicherte. „Lass uns einfach noch weiter weg reisen. Man muss sich halt nur auf zuverlässige Quellen stützen. Hier, schau mal, was ich für eine alte Schrift gefunden habe. Gedruckt in Halle, 1861:“
„Die neuesten Entdeckungen in Afrika, Australien und der arktischen Polarwelt.“ Von einem gewissen… ach, nach dem ist die Straße im Mühlwegviertel benannt? Das wäre doch mal etwas für ein Zusatzschild für die Bürgerstiftung. „Was steht denn so drin?“ Elfriede blätterte in der etwas muffig riechenden Schrift und las vor: „Hier, das wäre doch was: ‚Melbourne und Geelong verdanken solchem Bergschuss den Ruf ihrer Fruchtbarkeit. Wenn man über die Randgebirge in das Innere Australiens hinabsteigt, trifft man fast überall auf ein breites, sanft nach dem Innern abfallendes, wellenförmiges Tafelland. Es ist das Land der australischen Prärien. Man darf freilich nicht an blumige Wiesenteppiche denken. Es sind oft nur heideartige Steppen, dürr anzusehen, mit wenig Wasser und noch weniger Grün. Das Gras wächst in einzelnen Büscheln, krautartig, und bildet keinen zusammenhängenden Rasen. Hier und da steht nur eine zähe Dingsdablume…“
„Das Dingsda kommt aus Australien? Das hätte ich jetzt nicht gedacht“, stutzte Heino. Er kannte sie aus seiner Tiroler Heimat, wo die Bauernmädels die Blumen sich gerne zu rauschenden Kränzen banden, wenn es ins Stroh ging. „Schau mal“, sagte Elfriede, „das ist ja interessant. Sogar Napoleon könnte in unserer Geschichte vorkommen. Auf geht’s, nach Paris!“
Heino konnte sich noch nicht von den Gedanken an die Bauernmädels lösen, Kopfkino, und jetzt kam sie mit Paris. „Da gab es einen gewissen Botaniker, der von den Pariser Gärten so fasziniert war. Aber auch die erste Frau von Napoleon fand Gefallen an dem klugen Mann und ließ ihn in einem großen Werk ihren exotisch anmutenden Garten dokumentieren. Sie stammte aus dem tropischen Martinique und versuchte wohl, etwas heimisches Flair in ihren Schlosspark bei Paris zu zaubern. Ein komischer Name hatte das Schloss, übersetzt ’schlechtes Haus‘, was wohl eine deutliche Untertreibung war. Dieser Botaniker ging auch ans Werk, und 1803 veröffentlichte er das Werk mit farbig kolorierten Pflanzendarstellungen. Und da hatte er auch diese australische Blume erstmals beschrieben, ohne jemals in Australien gewesen zu sein.
So, ihr wisst sicher, um welche Blume es sich handelt.
- Also Art, Gattung, Familie…
- Wer war Autor des Buches, das in Halle gedruckt war, und wo liegt die Straße, die nach ihm benannt ist?
- Und wie hieß der französische Botaniker, und wie hieß sein großes, erfolgreiches Gartenbuch?
- Und die miese, bescheidene Laube, zu der der Garten der Kaisergemahlin gehörte, hieß wie?
Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Elfridas Blütentraum“): Alstroemeria ssp, Inkalilie
Richtig, NhuDeng, wir suchten die Inkalilie, deren Gattungsname auf den schwedischen Botaniker (benannt durch Linné) Claes Alströmer zurückgeht, die Alstroemeria. Eine Nennung der Art ist schwierig, deshalb schreiben wir hier nur „ssp“. Denn die zahlreichen Zierformen snd Bastarde, die aus Kreuzungen verscheidener Arten hervorgegangen sind. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet ist Südamerika, besonders Peru, hat sich aber durch menschliches Tun schon früh über Mittel-und das südliche Nordamerika verbreitet. Als Gartenpflanze gelten sogar bei uns einige Züchtungen als hinreichend winterhart.
Eine rote Zuchtform der Inkalinlie, aus dem Blumenhandel in Halle. Und ja, das Gemälde hätte von Frida Kahlo stammen können, wie NhuDeng korrekt bemerkte. Auch seine kunsthistorische Einordnung erscheint schlüssig: „Die roten Inkalilien stehen für Leidenschaft, möglich, das Gemälde entstand um die 2. Heirat mit Diego Rivera.“
Wenn das Werk dennoch nicht im Werkverzeichnis der Künstlerin auftaucht, kann es natürlich sein, dass das Verzeichnis nicht vollständig ist. oder es ist eine Fälschung. KI-gestützt. Sowas gibt es ja in Massen.
Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv.
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Na ja, von Myrtenkränzen war in Zusammenhang mit den Bauernmädels keine Rede.
„Warum liegt hier Stroh?“: Im alten Tirol war es üblich, dass sich angehende Brautleute vor der Ehe ausprobierten.
Da habe ich die Bauernmädchen mit dem Myrtenkranz im deutschsprachigen Raum assoziiert und mich selbst auf die falsche Fährte gelockt. Das Bild und den Titel habe ich ausgeblendet.
Shit happens.
Ich zitiere den Botanischen Garten der TU Dresden, Pflanze der Woche:
Der Bibliothekar und Botaniker Etienne Pierre Ventenat (1757-1808), dem wir die Erstbeschreibung der Art verdanken, war nie in Australien. Doch scheinen Botanische Gärten auf ihn eine besondere Anziehungskraft ausgeübt zu haben. So erteilte ihm die erste Frau Napoléon Bonapartes, Kaiserin Joséphine, die auf der Karibikinsel Martinique in den Tropen aufgewachsen war und exotische Blumen zeitlebens nicht missen wollte, den Auftrag, ihre umfangreiche exotische Pflanzensammlung zu dokumentieren. 1803 veröffentlichte er sein Werk „Jardin de la Malmaison“, das die erste Beschreibung und Abbildung der Garten-Strohblume enthält.
Ich sehe auch keine Myrten im Bild und wenn auch ein tiroler Zaunfeld winkt, lese ich auch dort nur den Satz „Stroh im Kopf“, genau wie die nicht existente Malerin Immortelle à Bractées, bedeutet Strohblumen.
Oh, jetzt wird es nochmal spannend. Tatsächlich, „Jardin de la Malmaison“ von Ventenat aus 1803.
Das winkende Zaunfeld aus Tirol zeigt auf die Myrtenfamilie, oder? Die hat 131 (!) Gattungen.
Bonpland habe ich abgeglichen nach Ursprung Australien, nach den Illustrationen im Buch über Malmaison, nach Myrtengewächs und nach Erstbeschreibung (Kürzel Bonpl.). Aber die Jahreszahl stimmt nicht.
Bonpland war nach der Rückkehr aus Südamerika ab 1804 Vorsteher der Malmaison-Gärten, Stand in der Gunst von Josephine und weilte 1814 an ihrem Sterbebett.
Sollte es sich nicht um den Botaniker Étienne Pierre Ventenat handeln?
Ule und die Feuerwehr wusste ich wiederum nicht..
Was man hier alles lernen kann. 🙂
Ich sehe keine Flaschenbürsten, auch keine gelben, auf dem Bild. Meiner Meinung nach sind es eine besondere Sorte Strohblumen, wie uns schon der Name „Immortelle à Bractées“ verrät. Danke, rugby, durch dich habe ich erfahren, dass Ule nicht nur bei der Feuerwehr aktiv war, sondern als Multitalent auch in den Naturwissenschaften erfolgreich war.
Dann ist 1803 nur ein Tippfehler, und es müsste 1813 sein?
1. heute Melaleuca pallida, zu Deutsch Zitronen-Flaschenbürste, zuerst aber Metrosideros pallida , Gattung Melaleuca (Myrtenheiden) , Familie Myrtaceae (Myrtengewächse)
2. Otto Eduard Vincenz Ule, Mühlwegviertel
3. Aimé Bonpland, eines seiner Buch Description des plantes rares, cultivées à Navarre et à Malmaison (1813, mit 64 Kupfertafeln), 1803 dürfte falsch sein, da war Bonpland auf Reisen (mit dem Humboldt-Alex übrigens) und konnte derweil schlecht Bücher herausgeben
4. Schloss Malmaison