Grün, süffig, aromatisch: Spaß und Kopfschmerzen inklusive. Ein wissenschaftlicher Blick ins Glas

1. Mai 2020 | Vermischtes | Keine Kommentare

Sie gehört zum ersten Mai dazu wie Maibaum, Maidemo und Tanz: die Mai- oder Waldmeisterbowle.  Das grüne, leicht süßliche alkoholische Getränk mit dem lieblichen Duft von Gummibärchen kaufen viele Zeitgenossen schon als fertig gemixten „Alkopop“, manche favorisieren wiederum Halbfertigprodukte: sie nehmen den käuflichen, Shampoo-grünen „Sirup mit Waldmeistergeschmack“, und mischen ihn mit Wein. Echte Traditionalisten aber bereiten die Maibowle natürlich in der Küche selber zu, aus den Grundstoffen Waldmeisterkraut, Wein, Sekt und etwas Zucker. All diese Varianten haben Vor- und Nachteile.  Das Fertigprodukt hat natürlich den unschlagbaren Vorteil, keine zusätzliche Zeit zu binden. Die Nachteile hat es mit der gekauften Sirupvariante gemein: man weiß nicht, was wirklich drin ist, außer den Inhaltsstoffen, die nach Lebensmittelrecht vorschriftsmäßig im Kleingedruckten auf dem Etikett stehen. Die verdächtig grüne Farbe hat da nicht etwa der Waldmeister beigesteuert, er kommt von einem künstlich zugesetzten Farbstoff. Neben Säuerungsmitteln usw. verwenden die Getränkehersteller ein Aroma, das zwar im Falle von Waldmeister nach europäischem Lebensmittelrecht nicht künstlich hergestellt sein darf, sondern natürlichen Ursprungs ist. Es nennt sich Cumarin und wird nicht etwa aus Waldmeisterkraut gewonnen, sondern anderen natürlichen Rohstoffen, aus denen die Aromenindustrie es billiger, zuverlässiger und zu jeder Jahreszeit gewinnen kann. (Mehr über Waldmeister und Cumarin kann man  in einer alten Folge von Pflanze der Woche nachlesen)

Wenden wir uns lieber der traditionellen  Methode zu, den Maientrunk selbst herzustellen. So, wie ein gewisser Mönch Wandalbertus es schon im Jahre 854 aufschrieb. Das war im Kloster Prüm, zur Zeit Karls des Großen. Der „Alcopop“ aus dem Kloster ist damit 600 Jahre älter als das Deutsche Reinheitsgebot, und das legendäre Rezept für „Coca Cola“ braucht mit seinen lächerlich gut hundert Jahren gar nicht erst antreten.

Das  „Rezept“ des Wandalbertus ist eigentlich nur eine Zeile in einem Gedicht  über die zwölf Monate (De mensium duodecim nominibus). Im Monat Mai heißt es da, solle man perlenden Wein über den Waldmeister gießen. Doch Vorsicht ! Das kann daneben gehen und außerdem eine bittere Angelegenheit werden.

Was unser Mönch verschweigt: Nehmt keinesfalls frischen Waldmeister ! Denn in der grünen Pflanze ist der Aromastoff  noch in einer chemischen Vorstufe gebunden, die geschmacklos ist. Um die zu zerstören, muss die Pflanze welken. Dabei wird das duftende Cumarin freigesetzt. Wer keine Geduld hat, kann das frische Kraut auch kurz ins Eisfach legen und wieder auftauen, was die selbe Wirkung hat. Dann lässt man das Kraut maximal 30 min in einem Liter Weißwein ziehen, nicht länger, sonst wird es bitter. Man fischt das ausgelaugte Kraut heraus, gibt zum Sud wenig Zucker hinzu und füll mit einer Flasche Sekt auf. Das Kraut  sollte man nicht zu hoch dosieren: eine Handvoll reicht für 2 Liter, denn höhere Dosen des Aromastoffes führen zu bösen Kopfschmerzen und Übelkeit. Hat man alles richtig gemacht, kann es am nächsten Tag trotzdem im Schädel wummern. Dann aber lag es gewiss nicht am Cumarin….

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