Pfingstgruß und die Hände des Herrn

22. Mai 2018 | Bild der Woche | Ein Kommentar

 

Nun war es schon wieder ein paar Wochen her, dass Georg Bauer die Reste der allesamt nicht winterharten Pflanzen seiner „(Wild)Bienenweide“ entfernt hatte. Ein Freund hatte ihm im vorigen Jahr die Reste einer Samenmischung geschenkt und so hatte er diese mal ausprobiert. Tatsächlich hatte es einen schönen bunten Blütenteppich ergeben und auch einiges Gesumm und Geschwirre. Über die „Selbstaussaat“ schienen einige Pflanzen sich über den Winter gerettet zu haben und Georg hatte ein paar zur weiteren Beobachtung pikiert und später wieder ausgepflanzt. Inzwischen war er sich sicher, dass eine seiner Lieblingspflanzen des Vorjahres auch mit dabei war … Die blauen Blüten hatte es ihn angetan. Gelesen hatte er dann auch, dass der Nektar einen sehr hohen Zuckergehalt aufwies und damit auch eine gute Honigquelle darstellte. Das BfR wiederum hielt den darauf basierenden Honig für bedenklich, da er auch Pyrrolizidinalkaloide enthielt. Aber um den Honig ging es hier ja nicht. Die Pflanze selbst wurde traditionell als Gewürz- und Medizinpflanze genutzt. Von den Blättern (im Wein) wurden erstaunliche Wirkungen berichtet, allerdings glaubt(e) wohl der eine oder andere Pharmakologe nicht daran.

Wer hätte das junge Pflänzchen erkannt? Wer knackt das Rätsel dank der Hinweise im Text?

(F.H.)

Auflösung der letzten Wochenpflanze („Süßes Gift“): Waldmeister, Galium odoratum

 

Cumarin

Da hatte der Autor aber daneben gehauen: Das Zitat aus der „fröhlichen“ Runde der war natürlich nicht von Heine, sondern aus einem Gedicht von Paul Celan (Todesfuge, entst. 1944-45, veröff. 1948). Ein makabrer Patzer. Dabei ging es eigentlich um den Waldmeister, Galium odoratum, jenem angenehm duftenden Würzkraut aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceen). Das etwa 20 cm hoch werdende Kraut mit den typischen quirlförmig um den Stengel angeordneten lanzettlichen Blättchen blüht jetzt, Mitte Mai. Sein bevorzugter Standort sind Laubwaldböden, besonders gerne wächst er in alten Buchenwäldern, wo er oft ausgedehnte Teppiche bildet. Waldmeister ist nicht nur das charakteristische Aromakraut in Maibowle, sondern auch in vielen Süßwaren („grüne Gummibärchen“) und Erfrischungsgetränken. Das Aroma rührt von einer Substanz namens Cumarin her. Diese Substanz ist in frischem Waldmeister glykosidisch gebunden, das heißt, an einen Zucker gebunden. Deshalb riecht frischer Waldmeister praktisch nicht, und schmeckt allenfalls bitter. Um Maibowle zu bereiten, lässt man das frische Kraut deshalb zunächst einige Stunden welken, fast bis zur Trockene. Erst dann, wenn er angenehm duftet, wird er in den Weißwein gegeben.  Was hat es aber mit der Anspielung auf Gifte und Nagetiere auf sich?

Waldmeister, Galium odoratum

Cumarin gilt für den Menchen als gesundheitsschädlicher Stoff, er soll Leberschäden bewirken. Deshalb regelt die Aromenverordnung beispielsweise in Desserts den Maximalgehalt von Cumarin auf 5mg/kg. In einigen Spezialitäten sind bis zu 50 mg zugelassen, beispielsweise Zimtsternen. Cumarin ist nämlich in Cassia-Zimt als Nebenbestandteil enthalten. Aber für den Menschen ist Cumarin in der Regel kein tödliches Gift. Manche Tiere sind gegen Cumarin weitaus empfindlicher, erst recht aber gegen seine Derivate, die eine starke blutgerinnungshemmende Wirkung entfalten. Solche Derivate können beispielsweise bei der Gärung oder Pilzbefall cumarinhaltiger Pflanzen entstehen, wobei Cumarin-Derivate (Bis-Hydroxycumarine) gebildet werden. Schon oft hat beispielsweise gärender Steinklee (der auch Cumarin enthält)  in Silofuttern ganze Viehherden ausgelöscht. Hochempfindlich sind Nagetiere.  Viele „Rattengifte“,  bestehen auf der Basis solcher Cumarinderivate, beispielsweise das Warfarin. Die Tiere, die das Gift fressen, versterben nicht sofort, sondern verbluten erst nach einigen Tagen innerlich. Da Rattenpopulationen bei verdächtigen „Ködern“ oft erst einen Vorkoster losschicken, den die Sippe eine Zeit lang beobachtet, bevor sie selber zugreift, werden schnell wirkende Gifte von den intelligenten Rudeltieren schnell gemieden. Bei Warfarin ist die Zeit zwischen Giftaufnahme und Tod des Vorkosters aber zu lang. Für Menchen kann das tödliche Rattengift jedoch lebensrettend sein: in der richtigen Dosierung eingesetzt, beugt der „Blutverdünner“ Schlaganfällen vor. Die Verabreichung von Warfarin muss jedoch ärztlich engmaschig kontrolliert werden, da Menschen individuell sehr unterschiedlich empfänglich für seine Wirkung sind.
Das Vorkommen von Cumarin ist natürlich nicht nur auf den Waldmeister beschränkt, es ist in der Pflanzenwelt weit verbreitet. Neben vielen Gräsern und Kleearten ist Cumarin bzw. seine Glykoside in großer Menge in der Tonka-Bohne enthalten. Der brasilianische Tonka-Baum wurde von den einheimischen Tupi „Cumaru“ genannt, was dann auf den  Substanznamen überging. Reines Cumarin ist farblos, die grüne Farbe von „Waldmeister“-sirupen, Gummibärchen und Götterspeise rührt meistens von künstlichen Lebensmittelfarbstoffen her. Viele Cumarinderivate zeigen jedoch eine starke Fluoreszenz unter UV-Anregung. Sie werden daher gerne in modernen Farbstoff-Lasern eingesetzt.

 

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