Rechtswissenschftler der Uni Halle: Unterbringung von Geflüchteten in Massenunterkünften verstößt gegen Menschenrechte

17. Juli 2023 | Politik | Keine Kommentare

Zwei Wissenschftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vertreten in einem neuen Policy Paper in der „Zeitschrift für Ausländerrecht“, die Unterbringung von Geflüchteten in großen Gemeinschaftsunterkünften sei menschenrechtswidrig und verhindere auch ein effektives Migrationsmanagement. Die Forscher beschreiben, wie diese Praxis zu psychischen und sozialen Problemen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern führen kann und eine erfolgreiche Integration verhindert. Sie fordern eine umfassende Reform des Asylsystems und geben konkrete Handlungsempfehlungen ab.

Die Verteilung von Geflüchteten auf die Kommunen in Deutschland führt oft zur Einrichtung großer Gemeinschaftsunterkünfte, die nach Ansicht des Juristen Prof. Dr. Winfried Kluth von der MLU problematisch sind. In solchen Unterkünften werden zahlreiche, teils traumatisierte Menschen auf engstem Raum untergebracht, was zu einem Mangel an Privatsphäre und ausreichendem Schutz vor Übergriffen führt. Kluth argumentiert, dass Kommunen damit grundlegende Menschenrechte und internationale Diskriminierungs- und Missbrauchsverbote verletzen. Rechtswissenschaftler Jakob Junghans von der MLU fügt hinzu, dass Gemeinschaftsunterkünfte vor allem dazu dienen, die Geflüchteten zu kontrollieren, ohne einen anderen überzeugenden Grund dafür zu sehen.

Ein weiteres Problem sei die Lage der Unterkünfte, die oft weit von städtischen Zentren entfernt seien. Dies führe dazu, dass Geflüchtete räumlich und sozial von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, so Junghans.

Die Forscher plädieren für eine Reform des Asylsystems und schlagen vor, anstelle großer Gemeinschaftsunterkünfte dezentrale und sichere Unterkünfte über alle Wohngebiete der Städte und Kommunen zu verteilen, beispielsweise als Wohngemeinschaften. Zudem solle die Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen nach der Anfangsphase des Asylverfahrens aufgehoben werden, um eine bessere Integration zu ermöglichen. Die Einrichtung von Mindeststandards für die Unterbringung und den Schutz besonders gefährdeter Gruppen sowie regelmäßige Kontrollen werden ebenfalls gefordert. Die Schaffung sogenannter Querschnittsbehörden, die alle Themen für Geflüchtete unter einem Dach bündeln, könnte ebenfalls sinnvoll sein, inspiriert durch das erfolgreiche Beispiel des Burgenlandkreises in Sachsen-Anhalt, der eine solche Migrationsagentur etabliert hat.

Das Policy Paper stützt sich auf die Forschungsergebnisse von Kluth und Junghans im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts „Vulnerabilities under the Global Protection Regime: How Does the Law Assess, Address, Shape and Produce the Vulnerabilities of the Protection Seekers?“. Die Finanzierung erfolgte durch das EU-Programm „Horizon 2020“ und den kanadischen Forschungsrat.

 

Veröffentlichung: Kluth W., Junghans J. Die kommunale Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften missachtet ihre Rechte und verhindert ein effektives Migrationsmanagement. Zeitschrift für Ausländerrecht (2023). Link: https://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-ZAR-B-2023-S-209-N-1

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