Über Neuntöter und Wildtulpen in den Weinbergen an Saale und Unstrut

20. August 2018 | Natur & Gesundheit, Rezensionen | Keine Kommentare

Kürzlich erschien im Mitteldeutschen Verlag in einem handlichen Format der ansprechende, reich illustrierte Bildband „Neuntöter und Wilde Tulpen – Weinbergsfauna und –flora an Saale und Unstrut“ verfasst von Klaus Epperlein. Das Buch beschreibt kenntnisreich die bemerkenswerte Tier- und Pflanzenwelt des nördlichsten Weinanbaugebietes Deutschlands.
In dem einleitenden Kapitel „Die Kultur von Reben und Wein in der Region Saale-Unstrut“ wird auf 6 Seiten die Geschichte des Weinbaus und der Lebensraum Weinberg für Pflanzen und Tiere kurz beschrieben. Rebflächen sind vom Menschen geschaffene und erhaltene Agrarflächen, auf denen mediterran-nahe Klimaverhältnisse auf Terrassen an Steilhängen, felsigen Böden und Trockenmauern entstanden. Diese Landschaftsstrukturen wuchsen über Jahrhunderte und konnten zumeist nur in aufwändiger Handarbeit bewirtschaftet werden. Es entstanden Habitate für sonne- und wärmeliebende Organismen, die in Deutschland sonst eher selten anzutreffen sind.
Die Besonderheiten der Pflanzenwelt beschreibt Koautor Erwin Bergmeier in dem Kapitel „Flora – Weinberge als Lebensraum für Wildpflanzen“. Herkunft und Ansprüche der botanischen Besonderheiten werden gut verständlich auf 30 Seiten beschrieben. Man lernt u.a., dass die einst in den Weinbergen verbreitete gelbblühende Wildtulpe im 16.Jahrhundert als Zierpflanze nach Mitteleuropa kam und verwildert in den Weinbergen z.T. größere Bestände bildete. Oft sind es aber weniger auffällige Pflanzenarten, deren Vorkommen hier bemerkenswert ist. Die schönen, teils großformatigen Abbildungen helfen beim Erkennen und Bestimmen. Bergmeier lässt nicht unerwähnt, dass das Wohl und Wehe dieser Pflanzen erheblich von der Bewirtschaftung durch die Winzer abhängt.
Im Hauptteil des Büchleins wird auf 44 Seiten die „Fauna – Weinberge als Lebensraum für Tiere“ dargestellt. Hier vorkommende besondere Spinnentiere, die reiche Insektenwelt, Reptilien und Vögel werden kenntnisreich beschrieben. Man erfährt viel über die Lebensweise dieser Weinbergbewohner. Auffällig ist die fast exotische Vielfalt an Faltern. Deutlich wird aus den Beschreibungen der Biologie dieser Arten, dass diese Vielfalt an Tieren von der Existenz bestimmter Nahrungspflanzen abhängt. Die schönen Abbildungen machen die Identifizierung der Arten leicht. Das liebevoll gestaltete Buch bringt dem interessierten Natur- und Heimatfreund die bemerkenswerte Kulturlandschaft an Saale und Unstrut nahe. Es regt zu eigenen Erkundungen an und hilft beim Erkennen und Identifizieren.
Die Autoren belassen es zwar nicht bei der bloßen Beschreibung der Naturidylle und den bemerkenswerten Pflanzen und Tieren des nördlichsten Weinanbaugebietes Deutschlands. Aber ein pointierteres Credo für eine nachhaltige Kehrtwende beim Rebenanbau hätte die Fragilität dieser erhaltenswerten Naturlandschaft verdeutlicht. Auch in der Saale-Unstrut-Region unterliegt der Weinanbau ja agrarwirtschaftlichen Zwängen. Der Weinbau ist eine Intensivlandwirtschaft, deren wertvolle Erträge aufwändig gesichert werden. Der konventionelle Weinbau ist ein wesentlicher Abnehmer von Pflanzenschutzmitteln. Obwohl die Weinanbauflächen in Europa nur ca. 3 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Flächen ausmachen, werden laut PAN (European Pesticide Action Network) dort 20 % aller Pestizide versprüht. Eine Biodiversität auf den Rebflächen, bestehend aus Mikroorganismen, Wildkräutern, Spinnen, Insekten und die darauf fußenden Nahrungsketten (einschließlich Singvögel) gibt es heute praktisch nicht mehr. Die landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen verarmen an Arten und werden letztlich vergiftet. Dem versuchen ökologisch wirtschaftende Winzer entgegenzuwirken. Biowinzer verzichten auf Agrochemie. Der biologisch richtige Anbau setzt primär auf naturgemäße Bodenpflege sowie Förderung von Nützlingen in einem stabilen, wenn auch künstlichen Ökosystem. Der gesundheitsbewusste Weintrinker kann durch Auswahl von Bioweinen oder bei Weinen vom geeigneten konventionellen Winzer die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln nachweislich und auch deutlich senken und dadurch den Erhalt der bemerkenswerten und besonderen Artenvielfalt in den Weinbergen fördern.
Biografische Angaben zum Buch:
Klaus Epperlein: Neuntöter und wilde Tulpen, Weinbergsfauna und –flora an Saale und Unstrut
Mit einem Beitrag von Erwin Bergmeier
Erschienen bei Mitteldeutscher Verlag GmbH Halle, 2018
ISBN 978-3-96311-052-8
95 Seiten, Format 24 x 17,5cm, Hardcover
Dreispaltig gesetzter Text, 111 farbige Abbildungen, Preis € 15,00

(H.J. Ferenz)

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