Das Wandern ist des Falters Lust …

15. April 2022 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Man traut es den zarten, fragilen Insekten, die in den Sommermonaten sanft säuselnd durch unsere Gärten und Wiesen flattern, eigentlich nicht zu. Aber einige von ihnen legen erstaunliche Langstrecken bei ihren Wanderungen zurück. Mit ca. 10 kmh fliegen sie nicht so zügig wie Zugvögel. Bei den anstrengenden, gefährlichen Reisen geht es immer darum, Gebiete mit bevorstehenden ungünstigen Bedingungen rechtzeitig zu verlassen oder neue zu besiedeln. Anders als bei Zugvögeln werden sie selbst aber die Rückreise nicht erleben. Dafür ist das Leben der Falter zu kurz. Die Reise erfolgt über mehrere Generationen. Hier einige Beispiele: 

Der Admiral (Vanessa atalanta) breitet sich im Frühjahr vom Mittelmeerraum nach Norden aus. Mitteleuropäische Populationen reisen in zwei bis drei Generationen ab Mai von Süddeutschland bis nach Skandinavien. Die Falter der nächsten neuen Generation fliegen im Herbst von dort aber zurück nach Südeuropa zum Überwintern. 

Die Distelfalter (Vanessa cardui) sind weit verbreitet, vertragen aber unseren Winter nicht. Sie überwintern in Westafrika. Die Rückkehr von Westafrika bis ins nördliche Europa bewältigen die Falter in mehreren Etappen. Zunächst fliegen sie in der Mittelmeerraum und pflanzen sich fort. Die neue Generation überquert dann die Alpen und kann bis Skandinavien weiterfliegen. Distelfalter wandern insgesamt bis zu 15.000 km in einer Saison. Sie ziehen z.T. in großer Höhe von günstigen Windströmungen getragen. Die mehrere tausend Kilometer lange Reise schaffen die Falter nicht in einem Zuge. Sie benötigen dafür 2 Generationen. 

Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) sind bei uns nicht heimisch. Sie wandern uns ab Mai aus südlichen Gefilden zu. Mit ihren Wanderzügen erschließen sie sich vorübergehend große Lebensräume in Mitteleuropa. Sie sind ausdauernde Wanderfalter. Sie können große Entfernungen in wenigen Tagen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 kmh zurücklegen. Man erkennt sie leicht daran, wie sie im geschickten Schwirrflug, ähnlich den Kolibris, vor den Blüten schweben und mit ihrem ausgerollten Saugrüssel Nektar saugen. Die tagaktiven Schwärmer pflanzen sich in geeigneten Habitaten fort. Die im August-September schlüpfenden Taubenschwänzchen wandern aber großenteils wieder in südliche Regionen ab, da sie unsere frostigen Winter nicht überstehen würden. Die Alpen sind für sie auf der bis zu 2.000 km weiten Strecke kein wesentliches Hindernis. Vereinzelt lassen sich Taubenschwänzchen durch milde Temperaturverläufe zum Verbleib bei uns in geschützten Überwinterungsplätzen verführen.

Grund für erstaunlichen Wanderungen der Schmetterlinge ist das Aufsuchen günstiger Lebensbedingungen. Allerdings müssen die Falter dazu rechtzeitig aufbrechen. Woher wissen sie, dass es Zeit ist? Was sagt ihnen, in welche Richtung sie fliegen müssen? Mit Hilfe einer inneren Uhr registrieren sie vermutlich die Veränderung der Tageslänge. Zur Orientierung verwenden sie wahrscheinlich mehrere Kompass-Techniken: Sonnenkompass, Landmarken, das Erdmagnetfeld. Solche Fähigkeiten traute man den hübschen Faltern bislang nicht zu.  

Der Klimawandel mit seinen angestiegenen Durchschnittstemperaturen begünstigt nicht unbedingt die wechselwarmen Schmetterlinge. Ihre Lebenszyklen und Wanderungen sind zunehmend unzureichend mit für sie wichtigen Umweltbedingungen synchronisiert. Extreme Wetterbedingungen verursachen z.B. vermehrt Dürreperioden, so dass wichtige Wirtspflanzen für die Wanderfalter verloren gehen. Der Klimawandel wird die ökologischen Gefüge, an die die Wanderfalter angepasst sind, dramatisch verändern. Das ist ansich nicht neu. Die Tierwelt musste schon öfter den Veränderungen des Klimas folgen. Bedrohlich ist jedoch die Geschwindigkeit, mit der das gegenwärtig geschieht. Für Anpassungen bleibt da wenig Zeit.

(H.J. Ferenz)

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