Schon gewusst? Neandertaler hatten Pech

26. September 2020 | Nachrichten | Keine Kommentare

Birkenholz mit papierdünner Rinde

Das Bild vom primitiven, kulturlosen Neandertaler, der vom überlegenen Homo sapiens erfolgreich verdrängt wurde, hat sich trotz dünner archäologischer Fundlage deutlich verändert. Bestattungsrituale, Schmuck, Herstellung von Werkzeugen legen nahe, dass sie wohl zu weit höheren mentalen Leistungen befähigt waren als die Forscher ihnen lange zustanden. Ein interessanter Beleg ist der Gebrauch von Birkenpech als Klebstoff. Mit solchem Pech befestigten sie offenbar Feuersteinspitzen an ihren Speeren oder formten es zu einem Griff für kleine Steinklingen. Bis zu 200.000 Jahre alt sind solche Pechartefakte. In den 1960er Jahren wurden bei Ausgrabungen am Fundplatz Königsaue bei Aschersleben/Sachsen-Anhalt zwei in die mittlere Altsteinzeit datierende Pechstücke entdeckt. Ihr Alter beträgt ca. 45.000 Jahre.  An Feuersteingeräten eines mittelpaläolithischen Fundplatzes bei Inden/Altdorf im Rheinischen Braunkohlengebiet, der in die Eem-Warmzeit vor etwa 120.000 Jahren datiert, wurden mit modernen Analysemethoden anhaftende Reste als Birkenpech identifiziert. Birkenpech fand bis in die Römerzeit Verwendung als Klebstoff. Auch Ötzi, der zwischen 3359 und 3105 v. Chr. starb, befestigte die Spitzen aus Feuerstein an seinen hölzernen Pfeilen mittels Pflanzenfasern und Birkenpech.

Steinzeitliche Werkzeuge und Pfeilspitzen aus Feuerstein

Wie gewannen die Neandertaler das Birkenpech? Wahrscheinlich ganz einfach. Verbrennt oder verschwelt man Birkenrinde an einer mit Steinen versehenen Feuerstelle, so kondensiert bei 200-500 °C an den Steinen eine klebrige, teerartige Masse, die man abkratzen konnte. Die dünne weiße Birkenrinde lässt sich besonders leicht entzünden. Die Herstellung erfordert einige Planung; ein Beleg für anspruchsvolle kognitive Leistungen der Neandertaler.

Ein in Dänemark gefundener Birkenpechklumpen aus der Jungsteinzeit (Alter ca. 5.700 Jahre) wies Gebissspuren auf. Das brachte Paläogenetiker auf die Idee, nach Spuren von Erbgut zu suchen. Aufgefundene Gensequenzen deuten auf eine Verwandtschaft mit dunkelhäutigen Wildbeuter-Menschen hin. Das Kauen des Klumpens hinterließ auch Spuren eines Erregers von Zahnfleischentzündungen und einer Mahlzeit: Stockente mit Haselnüssen (Quelle Spektrum der Wissenschaft 7, 2020).

(H.J. Ferenz)

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