Frühjahrstreffen der Integrations- und Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern am 03.03.2020

4. März 2020 | Nachrichten | Keine Kommentare

Die Integrationsbeauftragten aus Bund und Ländern haben sich am 3. März 2020 auf Einladung von Staatsministerin Widmann-Mauz im Bundeskanzleramt getroffen und sich über Konsequenzen aus den rassistischen Anschlägen von Halle und Hanau ausgetauscht. Auf Initiative von Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragter Staatssekretärin Susi Möbbeck beschlossen die Beauftragten eine Resolution unter dem Titel „Vielfalt stärken – Rassismus und Diskrimierung bekämpfen, die wir hier dokumentieren:

Vielfalt stärken – Rassismus und Diskriminierung bekämpfen

Die Anschläge in Hanau vom 19.02.2020 und in Halle (Saale) vom 09.10.2019 haben erneut auf erschütternde Weise die tödliche Dimension von Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Die Integrations- und Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern zeigen sich entsetzt über die rechtsextremistischen und rassistischen Taten, bei denen Menschen aus unserer Mitte gerissen, weitere verletzt und viele traumatisiert wurden. Unsere Trauer und Anteilnahme gilt den Angehörigen und Betroffenen. Unsere Solidarität gilt all jenen, die sich von Hass und Ausgrenzung verunsichert und bedroht fühlen.

Die Taten richten sich gegen die Werte unserer Demokratie, in der der Schutz der Menschenwürde das höchste Gut ist. Der Schutz vor rassistischen Anfeindungen, vor Benachteiligungen wegen der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion oder der Weltanschauung ist die Grundlage unserer vielfältigen Gesellschaft. Die Taten waren die mörderische Konsequenz von Hass und Hetze, wie sie zunehmend offen in rechtsextremen Milieus, in sozialen Medien, aber auch von Rechtspopulisten bei öffentlichen Veranstaltungen und im parlamentarischen Raum artikuliert werden.

Klar ist: Rassismus und Rechtsextremismus fordern uns als gesamte Gesellschaft heraus. Keine noch so gut ausgestattete Sicherheitsbehörde kann diese Herausforderungen allein bewältigen. Wir alle stehen in der Verantwortung, Antworten zu liefern auf die breite Verunsicherung bei den jüdischen und islamischen Gemeinden, bei Zugewanderten, aber auch bei den Menschen, die schon lange in Deutschland leben und die als „fremd“ etikettiert werden. Wir brauchen weitere klare und nachhaltige gesellschaftliche Signale, dass Staat und Zivilgesellschaft alles dafür tun werden, Rassismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus den Nährboden zu entziehen.

Die Integrations- und Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern fordern deshalb:

  1. Gesellschaftliche Vielfalt gelingt dort besonders gut, wo sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion begegnen können. Der direkte Kontakt trägt dazu bei, Vorurteile und Vorbehalte zu erkennen, zu überdenken und abzubauen. Deshalb setzen wir weiterhin auf die Stärkung der interkulturellen Kompetenz von Verwaltungen und Unternehmen, auf Begegnung, interreligiösen und interkulturellen Dialog sowie eine aktive Rolle und verbesserte Teilhabe von Migrantinnen- und Migrantenorganisationen.
  2. Eine Präventionsarbeit, die pädagogische Fachkräfte und Multiplikatoren im Umgang mit Abwertung und Hass stärkt, ist der Schlüssel zu einem friedlichen Zusammenleben. Es braucht Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Beratungsstellen, Vereine und eine engagierte Zivilgesellschaft, die in der Lage sind, Widerspruch zu leisten, wenn Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Aussehens oder ihrer Religion ausgegrenzt werden. Es geht darum, vorhandene Vorurteile abzubauen, Diskriminierung aufzubrechen und Vielfalt als Realität unserer Gesellschaft zu vermitteln. Demokratiebildung ist von Kita über Schule, berufliche Bildung bis Studium und Weiterbildung verbindlich zu verankern. Demokratische Teilhabe und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit muss noch mehr als bisher Teil des konkreten Alltags von Kindern und Jugendlichen werden. Die frühzeitige Teilhabe an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen ermöglicht eine stärkere Identifikation mit demokratischen Werten.
  1. Die praxisnahe Demokratieförderung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene muss nachhaltig sichergestellt werden, wobei insbesondere die Zielgruppe der Jugendlichen ein möglichst großes Augenmerk verdient. Eine Verstetigung der im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ zur Verfügung stehenden Mittel zur strukturellen und nachhaltigen Stärkung der Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus sowie der Arbeit für demokratische Teilhabe ist deshalb erforderlich. Um die Präventionsarbeit verlässlich zu gestalten und die wichtige Arbeit der Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und der Opferberatungsstellen auf sichere Füße zu stellen, unterstützen die Beauftragten die Forderung nach einer nachhaltigen Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements für Demokratie auf hohem Niveau.
  1. Die Beauftragten setzen sich daher dafür ein, gesellschaftliche Minderheiten und potentiell von Diskriminierung Betroffene in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken und nachhaltige Unterstützungsangebote bereitzustellen. Hierfür muss Antidiskriminierungsarbeit mehr als bisher verankert werden. Dies beinhaltet den Auf- und Ausbau von Beratungsangeboten sowie die Etablierung von Ansprechpersonen in öffentlichen Institutionen, die in Fällen von Diskriminierung kontaktiert werden können.
  1. Erforderlich ist auch eine Evaluation der Umsetzung der Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse zum NSU, um mögliche Umsetzungsdefizite zu identifizieren und ggf. notwendige Nachjustierungen vorzunehmen.
  1. Die Integrations- und Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern begrüßen die Ergebnisse des Integrationsgipfels vom 02.03.2020, insbesondere die Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission, die sich mit den Erscheinungsformen und einer Bestandsaufnahme zum Themenkomplex Islam- und Muslimfeindlichkeit auseinandersetzt sowie Vorschläge für weitere Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention erarbeitet.

Eine Mitteilung des Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, Foto: HalleSpektrum

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