Anwohnerversammlung im Puschkinhaus

28. August 2019 | Soziales | 12 Kommentare

Thema: das lebendige nächtliche Treiben auf dem August-Bebel-Platz, das die Anwohner ärgert. Zugelassen waren wirklich nur Anwohner, keine Presse. Auch OB-Kandidat Hendrik Lange mußte empört draußen bleiben.

Und da die jungen Leute (noch) keine Stimme hatten, lassen wir hier zwei von ihnen zu Wort kommen. Beide heißen Paul, deswegen nennen wir sie „Der eine Paul“ und „Der andere Paul“.

-Ihr seid also sozusagen die störenden Mitbewohner des Bebel-Platzes?
Der eine Paul: Ja
Der andere Paul: Ja

– War es spannend in der Anwohnerversammlung?

Der eine Paul: Die Anwohner haben halt ihre Probleme geäußert, auch schon im voraus. Und dann wurde diskutiert, wie man die Probleme lösen kann. Die Jugendlichen wurden von dieser ersten Diskussion explizit ausgeschlossen. Es ging echt nur um die Anwohner und nicht um die Jugendlichen, die wurden gar nicht einbezogen.
– Ist das richtig?
Der eine Paul: Nee. Auf keinen Fall. Vor allem wurden wir ja im voraus eingeladen, da wurden Briefe ausgeteilt, aber davon wußte die Stadt nichts.

Der andere Paul: Also auf dem Zettel stand sinngemäß, daß die Benutzer des Bebel-Platzes eingeladen sind mit den Anwohnern zu diskutieren. Hier standen ja noch viele Jugendliche im Foyer aber die wurden eben komplett ausgeschlossen. Zum Glück bin ich auch Anwohner und deshalb sind wir rein gekommen. Und jetzt zu sagen, ja, wir organisieren da noch mal irgend was Neues finde ich auch nicht so…

Der eine Paul: Es war auch gar nicht geplant, mit Jugendlichen zu diskutieren, das kam nur zustande, weil andere Jugendliche, die mit drin waren, das angesprochen haben. Deshalb kam es erst heute zu dem Beschluß mit den Jugendlichen zu reden.

– Welche Probleme haben denn die Anwohner?

Der andere Paul: Es ist zu laut, es riecht nach Fäkalien, es liegen Glasscherben etc. herum. Also wir können nur von unserer Gruppe sagen, also das machen Paul und ich immer, wenn Flaschen zerdeppert werden, kommt, hebt das auf, das nervt die Leute, und das machen wir dann auch. Oder geht dort aufs Dixi-Klo oder zur Not dahinten ins Bella Donna. Aber das wird halt nicht von allen beachtet und die Leute, die ihre Glasscherben liegen lassen, kommen natürlich nicht zu einer solchen Versammlung und das ist eben das große Problem dabei. Einer zerschlägt eine Flasche und alle anderen sind schuld.

Der eine Paul: Die Leute, die das aufhalten, sind eigentlich immer ordentliche Menschen. Es ist eigentlich immer die gleiche Gesinnung, die sich dort aufhält und nicht diejenigen, die rumbrüllen oder streiten.

– Gab es denn schon richtigen Krawall auf dem Bebel-Platz?

Der andere Paul: Das können wir schlecht sagen, weil wir maximal bis 23.00 oder 24.00 Uhr dort bleiben.

Der eine Paul: Aber das gibt es doch in vielen Straßen, daß es immer mal Krawalle gibt oder es lauter wird, das ist auch bei uns an der Peißnitz so oder an der Paulus-Kirche. Das ist überall so, aber das sind doch Ausnahmen. Das nur auf den Bebel-Platz zu beziehen, ist eine viel zu große Verallgemeinerung.

Der andere Paul: Was ich auf gar keinen Fall als einen Weg empfinde ist, aus dem Fenster zu gucken und Wasser raus zu schütten, die Flächen, wo man sitzt mit Ketschup oder Zahnpasta einzuschmieren. Das sind Maßnahmen, die gehen einfach nicht. Wir sind doch zivilisierte Menschen, wir können miteinander reden. Die können doch runter kommen und Bescheid sagen und dann machen wir das auch.

– Gibt es da nachts richtig laute Mugge?

Der eine Paul: Nee, eigentlich gar nicht. Wir bringen nie Musik mit. Im Hintergrund ist meist leise Musik, die sowieso vom Brunnen übertönt wird. Die mit den lauten Musikboxen sind ganz woanders.

– Wie oft seid ihr beiden auf dem Bebel-Platz?

Der andere Paul: Jedes Wochenende und ab und zu unter der Woche. Ich wohne in der Martha-Brautzsch-Straße und wir haben bisher noch nie etwas vom Lärm mitbekommen. Das einzige sind die Glasflaschen, das kann ich verstehen, und die Müllsache, aber da gibt es ja auch schon Lösungsansätze mit größeren Mülltonnen.
– Was hat denn nun der Oberbürgermeister vorgeschlagen?

Der eine Paul: Schilder aufstellen, daß nach 22.00 Uhr Ruhe eingehalten werden muß. Daß keine laute Musik sein darf. Und man eben leise miteinander sprechen muß im 45 Dezibel Bereich.

(Anmerkung: Das entspricht üblichen Geräuschen in einer Wohnung. 50 Dezibel: Regen, Kühlschrankgeräusche; 55 Dezibel: normales Gespräch; 60 Dezibel: Nähmaschine, Gruppengespräch)

Der andere Paul: Die Gastronomie darf den Pegel überschreiten, aber wir nicht. Also nicht die, die dort sitzen.
Und nun soll es ein Gespräch geben zwischen Anwohnern und Jugendlichen. Eventuell auch mit Politikern, wobei man Wahlkampf und Selbstdarstellung da heraus halten will.

– Da sind wir doch alle gespannt. Vielen Dank für das Gespräch.

Viele sind sich einig, daß Halle eine lebendige und weltoffene Stadt sein soll. Aber wieviel Lebendigkeit verträgt sie wirklich? Sollen um 22.00 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden? In anderen Städten fängt das (Nacht-)Leben da erst an. Die jungen Leute sind vom Landesmuseum für Vorgeschichte vertrieben worden, die Peißnitz ist ihnen inzwischen zu gefährlich, der Steintorcampus unterdes auch ausgestorben. Wo können sie hin? Und ausgerechnet im „grünen“ Paulusviertel droht eine solche Situation zu eskalieren. Wohnt dort etwa der deutsche Michel in seiner teuren Wohnung, dem Ruhe und Ordnung über alles geht. Oder haben die Anwohner guten Grund zur Klage: Wer Arbeit hat, braucht seinen wohlverdienten Schlaf .

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