Schon gewusst? Der Mensch und seine Haare

1. September 2019 | Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Haare sind ein Charakteristikum der Säugetiere. Ein dickes Fell hat sich als eine erfolgreiche Erfindung der Evolution erwiesen. Das ist beim Menschen zumeist aber nur noch schütter vorhanden. Kopfbehaarung schützt vor der Sonne. Frisuren und Bart prägen das Aussehen. Achsel- und Schamhaare, Beine, gar ganze männliche Oberkörper und weibliche Unterleibe werden Opfer modischer Epilierattacken. Haare sind lange, verhornte Fasern, die pro Tag etwa ein Drittel Millimeter wachsen. Sie bestehen aus einer äußeren Schuppenschicht und einer inneren Rinde, die eine Markschicht umgibt. Jedes Haar ist in einem Haarfollikel in der Haut verankert. An seinem unteren Ende befinden sich undifferenzierte Zellen, Talg- und Schweißdrüsen. Jeder Haarfollikel hat einen kleinen Muskel, der die Haare aufrichten kann („Gänsehaut“).

Haare bestehen weitestgehend aus dem Faserprotein Keratin. Das enthält einen hohen Anteil der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein. Die Verknüpfung der Schwefelmoleküle (Disulfidbrücken) schafft eine sehr stabile Haarstruktur. Zur Festigkeit und Unlöslichkeit der Haare in Wasser tragen weitere Aminosäuren bei. Keratin ist farblos. Im Haarfollikel befinden sich aber Melanocyten, die Melanine bilden und als Pigmentkörnchen in die Keratinocyten exportieren. Je nach Haarfarbe variiert ihre Art und Anzahl. Weiße Haare enthalten kein Melanin, weil die Melanocyten mit dem Altern absterben.
Schon immer hat der Mensch versucht, seine Haarpracht wirksam zur Geltung zu bringen. Schonende Pflege soll die mechanisch und chemisch belasteten Haare reinigen und erhalten. Bis vor wenigen Jahrzehnten hat man dafür alkalische Seife verwendet, die nach dem Waschen mit Essigwasser wieder herausgespült und neutralisiert wurde. Inzwischen gibt es diverse Shampoos, die durch zahlreiche Zusätze Kopfhaut und Haarstruktur schonen, sowie Kämmbarkeit und Glanz verbessern.
Widerborstig verhindern die Haare oft die gewünschte Frisur. Feuchte, aufgequollene Haare kann man durch Fönen mit heißer Luft vorübergehend formen. Dabei werden neue Brückenbindungen im Haar aufgebaut, die aber leicht wieder rückgängig gemacht werden. Dauerhaft kann man die Haare mit chemischen Mitteln verformen. Solche „Dauerwellen“ werden in mehreren Arbeitsschritten erzeugt: Zuerst werden Präparate auf das Haar gebracht, die einen Teil der Disulfidbrücken im Keratin öffnen und chemisch reduzieren und das Haar so formbar machen. Dann kommen die unansehnlichen Lockenwickler zu Einsatz, um Locken zu erzeugen. Nach dem Auswaschen des Reduktionsmittels werden die neuentstandenen Disulfidbrücken durch saure Oxidationsmittel stabilisiert und fertig ist die neue Dauerwellenfrisur. Den Haaren und der Kopfhaut (und auch dem Frisör) tut der umfassende Chemieangriff auf Dauer nicht unbedingt gut.
Ähnlich ist es mit dem Färben der Haare. Lange bekannt ist das Bleichen. Das gelingt mit Wasserstoffperoxid ganz gut. Der löst das Melanin aus dem Haar, greift aber auch das Haar an. Und das das Blond nicht echt ist, bemerkt der aufmerksame Freier natürlich leicht bei seinem Schwarm an den dunklen nachwachsenden Haaren. Sonnenlicht oder Zitronensaft hellen die Haarfarbe auch auf. Seine Haare kann man vorübergehend oder dauerhaft färben. Dafür hat man Naturfarbstoffe wie Henna, Kamille und Rotholz verwendet. Sollen farbige Haarsträhnen nur für einen Abend her, geht das Färben auch mit nassem Krepppapier.
Dauerhafte Färbung erreicht man in mehreren Schritten durch chemische additive Farbeinlagerung. Alkalien (z.B. Ammoniak) in der Färbepaste lassen das Haar zunächst quellen. Die Schuppenschicht öffnet sich und lässt die Wirkstoffe in das Haarinnere passieren. Wasserstoffperoxid zerstört dabei die eigenen Pigmente. Dies führt zu einer Aufhellung und ermöglicht erst die direkte Färbung von dunklen Haaren (Blondierung). Nun dringen die kleinen farblosen Farbstoffvorstufen in das Haar ein und verteilen sich. Sie werden vom Wasserstoffperoxid oxidiert, blähen sich dabei auf, bekommen ihre Farbe verliehen und verankern sich im Haar und sind deshalb permanent und nicht mehr auswaschbar. Durch Variation der eingesetzten Substanzen kann man alle möglichen Haarfarben erzeugen.

Filzlaus

Mancher will seine Behaarung nicht nur nicht pflegen, sondern gar loswerden. Für die Körperhygiene kann das durchaus nützlich sein, denn wer hat schon gern Läuse im Kopf- oder Schamhaar, Zecken im Pelz oder Krätzmilben in der Haut. Haarentfernung kannte man schon in der Steinzeit. Bei den Ägyptern galt der haarlose Körper als Schönheitsideal. Der Trend scheint sich derzeit zu wiederholen. Brusthaar-Toupets für Muskelmänner haben keine Konjunktur. Haarentfernung geht bekanntlich schmerzlos mit Rasieren. Herauszupfen (Epilieren) hält länger vor, kann aber weh tun. Ebenso ist es mit Waxing. Das hält aber ein paar Wochen vor. Ähnlich, aber schmerzärmer geht es mit Zuckerpaste (Sugaring). Enthaarungscreme ist der Kompromiss zwischen den schon genannten Methoden. Bis ins Mittelalter verwendete man dazu Rhusma Turcorum, eine zu einer Paste gerührten Mischung aus Auripigment (Arsenblende, giftig), gelöschtem Kalk und Stärke. Aktuelle Enthaarungscreme ist im Gegensatz zum Waxing oder Epilieren völlig schmerzfrei. Ein auf Schwefel basierender Wirkstoff in der Creme greift das Keratin an und so fällt die Proteinstruktur der Härchen in sich zusammen. Sie fallen von selbst aus und lassen sich mit der Creme abziehen. Entfernung mit Laser oder IPL (Intense Pulse Light) ist teuer und sollte nur vom Hautarzt bzw. Kosmetikstudio durchgeführt werden. Am wirksamsten ist die Verödung der Haarwurzeln durch Elektro-Enthaarung, tut aber weh.
An unseren vermeintlichen Haarproblemen verdient die Kosmetikindustrie recht gut. In Deutschland beträgt das Marktvolumen für Haarpflegemittel ca. 3 Mrd. Euro; weltweit sind es ca. 88 Mrd. US-Dollar. Die Werbeausgaben dafür betragen in Deutschland ca. 430 Mio Euro pro Jahr.
Und wie kommen Haare auf die Zähne? Diese Redewendung soll männerhaarige Stärke und Durchsetzungsvermögen beschreiben und wird meist auf das weibliche Geschlecht bezogen.

(H.J. Ferenz)

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