Was du schon immer fragen wolltest: Darf ein Vegetarier Fruchtfleisch essen?

25. Juli 2019 | Glosse, Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Mispel – fleischige Früchte mit Samen

Pflanzen(fr)esser haben es nicht immer leicht, sich von Fleisch(fr)essern abzugrenzen. Nicht alles, was Fleisch heißt, ist tatsächlich tierischen Ursprung. Als Fleisch bezeichnen wir gewöhnlich tierisches Muskelgewebe. Hauptbestandteile sind die Proteine Aktin und Myosin. Wir kennen diese in Form von Rindersteaks oder Schweineschnitzel. Innereien wie Nieren und Leber fallen nicht unter diese Definition, sind aber tierischen Ursprungs. Vegetarier würden sie deshalb auch meiden.
„Fruchtfleisch ist Zellgewebe, das die Samen umhüllt“ heißt es erklärend bei WIKTIONARY. Diese Definition könnte man aber auch auf gegrillte Hammelhoden anwenden. Um Fehlschlüsse zu vermeiden, sollte man unbedingt den Zusatz „pflanzlich“ verwenden. Das Fruchtfleisch dient der besseren Verbreitung der Pflanzensamen. Tiere fressen mit dem Fruchtfleisch auch die Samen der Pflanze. Um den Appetit darauf zu steigern, haben Pflanzen eine Fülle von Tricks im Angebot: Farbe, Zuckergehalt, Proteine, lockende Duftstoffe, Alkohol durch Gärung usw.. Die Samen passieren unverdaut den tierischen Darm und gelangen so keimbereit an andere Orte. Manchmal enthalten die Früchte Wirkstoffe, die die Darmpassage beschleunigen. In einigen Untersuchungen konnte man zeigen, dass Samen nach der Darmpassage weniger leicht verpilzen und von Samenfressern wegen fehlender samentypischer Duftstoffe seltener gefunden und verspeist werden. Vielleicht stinken sie auch nur wie Sch…
Das Wort Frucht geht auf das lateinische „fructus“ zurück, das von der Verbform „frui“ abgeleitet ist und genießen, Nutzen ziehen bedeutet. Und da wird es wieder tierisch. Eine Frucht der Liebe, gemeint ist ein Kind, das aus einer unehelichen Beziehung hervorgegangen ist, fällt nicht vom Baum, sondern kann die Folge animalischer Lust sein. Das wussten die Menschen schon immer. Die negative Ansicht von lustvollem Sex wurde ihnen schon früh von der Kirche eingebläut. Nur Maria war da wohl ausgenommen: “Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“ heißt es in der Bibel bei Lukas 1,42.. „Wie die Zucht so die Frucht“ übertrug man die Moralvorstellungen sprichwörtlich auf Heranwachsende, auf scheinbare Taugenichtse, eben „nette Früchtchen“. „An den Früchten erkennt man den Baum“ orakelte Jesus (Matthäus 12,33) und begründete so Sippenhaft. Und den Erfolg wissenschaftlicher Arbeit bezeichnet man gern als „Früchte langjähriger Arbeit“ und hofft, dass sie nicht wie das Fruchtfleisch rasch vergehen, sondern als Samen in die Zukunft reichen.
Fleischgenuss hat zwar etwas Anrüchiges, Gewaltsames, Mordlustiges an sich und wird allein deshalb von scheinbar friedfertigen Veganern abgelehnt. Die Pythagoräer pflegten die Überzeugung, dass die Seelen der Menschen und diejenigen der Tiere nicht essentiell verschieden seien und man den Tieren somit Rücksichtnahme schulde. Sie predigten daher eine vegane Lebensweise. Allerdings gab es ein strenges Tabu gegen den Verzehr von Bohnen. Der ursprüngliche Grund des Bohnenverbots war schon in der Antike unbekannt. Man vermutet aber, dass es gesundheitliche Gründe für das Bohnentabu gab. Nein, nicht die mit Geräuschen verbunden Verdauung war vermutlich die Ursache, sondern der Favismus, eine erbliche Enzymkrankheit, bei welcher der Genuss von Ackerbohnen (Vicia faba) gesundheitsgefährlich ist. Der Genuss von tierischen Proteinen hat die Evolution des Menschen nachweislich erheblich katalysiert. Irgendwie ahnten das unsere Ahnen und scheuten sich sogar nicht vor Kannibalismus, um die Kräfte des Opfers in sich aufzunehmen. Für Veganer brach vermutlich eine Welt zusammen, als man nachweisen konnte, dass selbst friedfertige, freundliche Berggorillas nicht nur fleischige Früchte, sondern auch erjagtes Frischfleisch mit Genuss verspeisen.
Um die Umstellung auf pflanzliches Fruchtfleisch und den Verzicht auf tierisches Fleisch zu erleichtern, sucht man nach Fleischimitaten. Tofu ist ein derartiges pflanzliches Sojaprodukt. Die Jackfrucht, auch als Jakobsfrucht bezeichnet, wird von Veganern in Indien als Fleischersatz geschätzt. Durch seine Konsistenz kann die unreife Frucht in fernöstlichen Curry-Gerichten bestens als Hühnchenfleischersatz verwendet werden. Mit 3D-Druckern hergestellte Schnitzel werden Vegetarier sicherlich nur dann essen, wenn sie nachweislich aus rein pflanzlichen Proteinen als Rohmaterial hergestellt werden. Ein Fruchtsaft zum Vegetarier–Mahl passt immer, wenn man sich nicht an der Definition laut Gesetz stört: „Gemäß Fruchtsaftverordnung darf als Saft nur solches Getränk bezeichnet werden, das zu 100% aus dem Saft und dem Fruchtfleisch der entsprechenden Früchte besteht.“ Na, denn Guten Appetit.

(H.J. Ferenz)

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