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14. Februar 2017 um 14:23 Uhr #282472
Mich würde mal interessieren, wie das Landgericht Halle auf Totschlag (anstatt Mord) verurteilt, wenn „der Angeklagte sich…Zutritt zu der Wohnung seiner ehemaligen Freundin und deren Lebensgefährten verschafft hatte … und dann in der Küche der Wohnung mit zwei mitgeführten Messern den Mann zwei Stiche in die Brust zugefügt hatte, an denen er kurz darauf verstarb“.
Ist Eifersucht kein niedriger Beweggrund für einen Mord mehr?
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14. Februar 2017 um 15:12 Uhr #282476Der wollte mit den Messern doch nur die Kartoffeln schälen.
14. Februar 2017 um 15:27 Uhr #282477Achso… Und ist dabei sicher nur abgerutscht. 2 Messer brauchte er nur, falls eins beim Schälen der Kartoffeln Stumpf werden sollte. Jetzt ist mir alles klar. Dass er die Frau gleich mit Faustschlag k.o. gemacht hat, war sicher nur ein Reflex wegen eines Bienenstiches oder so was.
14. Februar 2017 um 16:52 Uhr #282482
AnonymIst Eifersucht kein niedriger Beweggrund für einen Mord mehr?
Da steht nichts von Eifersucht. Und nein, Eifersucht an sich ist kein niedriger Beweggrund im Sinne des Gesetzes.
Was stimmt nicht mit der Verurteilung? Ein Mensch ist tot und der Angeklagte wurde entsprechend wegen Totschlags verurteilt. Nach zwölf Verhandlungstagen(!) kam das Gericht – bestehend aus insgesamt 5(!) Richtern – zu dem Schluss, dass keine Mordmerkmale vorliegen. Und Stadt_für_Kinder, weder bei der Tat, noch bei der Verhandlung anwesend, weiß es trotzdem besser? Hmm.
14. Februar 2017 um 17:29 Uhr #282484„Totschläger an neuem Partner der Ex-Freundin…“ deutet erstmal auf Eifersucht hin.
„Und nein, Eifersucht an sich ist kein niedriger Beweggrund im Sinne des Gesetzes.“
Häh?
„Für den Fall der Eifersucht werden niedrige Beweggründe angenommen, wenn das Opfer getötet wird, weil es keiner anderen Person gegönnt wird.“
http://www.strafrechtskanzlei.berlin/docs/anwalt-mord.php
„Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel (nur) dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren.“
14. Februar 2017 um 17:50 Uhr #282487
AnonymMan bedenke den Werdegang der Pressemitteilung: Nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren der Polizei und der Staatsanwaltschaft wird Anklage erhoben. Nach (über) zwölf Verhandlungstagen, an denen auch (und vor allem) die in Frage kommenden Mordmerkmale geklärt wurden, hauptsächlich von ausgebildeten Juristen übrigens, wurde ein Urteil gefällt, was wiederum stark komprimiert zur Pressemitteilung (wegen der verworfenen Revision) wurde.
Und daraus leitest du nun Details zum Tatverlauf, der Motivation des Täters und der juristischen Beurteilung ab. Das ist, nun ja, verwegen.
Wie du selbst zitierst, kommt Eifersucht als niedriger Beweggrund nur in Betracht, wenn diese Eifersucht „ihrerseits auf niedrigen Beweggründen“ beruht.
Das Beispiel aus dem ersten Link beschreibt eine andere Situation. Hätte der verlassene Partner den ihn verlassenden Partner getötet („Wenn ich ihn nicht haben kann, dann soll auch kein anderer …“), wenn der Täter also seine Ex-Freundin getötet hätte, dann könnte man von Eifersucht als niedrigem Beweggrund sprechen. Das war aber offenbar nicht der Fall.Elf Jahre, sieben Monate sind zudem keine geringe Strafe.
14. Februar 2017 um 18:25 Uhr #282490Heiko Maas hat ja schon in die Diskussion eingebracht, den Mordpatagraphen zu streichen, wegen des schwammigen Begriffs der „niedrigen Beweggründe“
14. Februar 2017 um 18:51 Uhr #282498Dagegen habe ich nichts, dann aber auch das Strafmass für Totschlag in Richtung Mord angleichen.
14. Februar 2017 um 19:07 Uhr #282506Nein , keinesfalls, das kann schon mal passieren, dass man jemanden eine knallt und der fällt um und ist mausetot.
14. Februar 2017 um 19:08 Uhr #282507
AnonymDagegen habe ich nichts, dann aber auch das Strafmass für Totschlag in Richtung Mord angleichen.
Nach einer Reformation der Tötungsdelikte (die schon viele Jahrzehnte diskutiert wird) soll es keinen Unterschied mehr zwischen „Totschlag“ und „Mord“ geben, entsprechend auch nur ein Strafrahmen.
Aber was hast du genau für ein Problem mit diesem Urteil?
14. Februar 2017 um 19:10 Uhr #282508
Anonymdas kann schon mal passieren, dass man jemanden eine knallt und der fällt um und ist mausetot.
Deswegen gibt es einen Strafrahmen und kein festes Maß. Aber das würde sicher auch nicht als Totschlag bewertet.
14. Februar 2017 um 20:35 Uhr #282535Ronny, bei etwas guter Führung ist der Täter nach weniger als 8 Jahren entlassen. Er lebt sein Leben weiter. Das Opfer nicht. Seine Angehörigen nicht. 12 Jahre sind sicher nicht wenig, aber schon bei einer schweren Untreue kann man bis zu 10 bekommen. Das ist ein seltsames Strafgefälle in unserem System. Ein seltsames Verhältnis zwischen Schutz von Leben einerseits und Schutz des Vermögens andererseits. Das höchste Rechtsgut bleibt nun mal der Mensch. Etwas läuft da kriminalpolitisch falsch. Dafür können Richter selbstverständich nichts. Es ist nur eine seltsame Straflogik des Gesetzgebers.
14. Februar 2017 um 21:01 Uhr #282536
AnonymDass Strafen oder jedenfalls die Höhe der Strafen die Begehungswahrscheinlichkeit nicht bzw. nur sehr gering und keinesfalls proportional beeinflussen, ist sehr gut zu beobachten und wird nicht nennenswert bestritten.
Konsequent wäre hier die Todesstrafe. Diese „Straflogik“ wurde – auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands und seiner Vorgängerstaaten – allerdings vor sehr langer Zeit überholt und bisher in den folgenden Rechtssystemen, die diesen Namen verdienen, auch nicht in Zweifel gezogen. (Weitere Einschränkung: auf ziviler Ebene.)
Auf der einen Seite für „schwere“ Untreue (§266a Abs.4 ?) das Höchstmaß, auf der anderen Seite den günstigsten Fall einer positiven Sozialprognose und vorzeitigen Entlassung auf Bewährung annehmen – dieser Vergleich hinkt nicht nur etwas, da fehlt ein ganzes Bein.
Unterschiedliche Taten werden unterschiedlich bestraft. Das ist kein Gefälle, sondern tatsächliche Straflogik!
Man kommt nicht umhin zu vermuten, du wärst persönlich betroffen. Eine solche emotionale Verbindung zu Tat/Täter/Opfer erfordert erst recht eine Beurteilung durch ein möglichst unabhängige Instanz nach vorher festgelegten Regeln. Und genau deshalb ist das Strafsystem entstanden und zu dem geworden, was es heute ist.
14. Februar 2017 um 21:08 Uhr #282537Ronny, es geht ja nicht nur um Prävention, sondern auch um Schuldausgleich, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht.
14. Februar 2017 um 21:12 Uhr #282538
Anonymsondern auch um Schuldausgleich, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht
Eben nicht!
14. Februar 2017 um 21:28 Uhr #282542Na dann scheinst du ein Gegner der Auslegung unseres Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht zu sein:
„In seiner von ihm selbst auch immer wieder zitierten Leitentscheidung betont das Bundesverfassungsgericht (45, 187 ff., Randziffer 210) zunächst in Kurzform: „Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Strafzwecktheorie#Sicht_des_deutschen_Bundesverfassungsgerichts
14. Februar 2017 um 21:40 Uhr #282546
AnonymBundesverfassungsrichter, wie auch alle anderen Juristen mit brauchbarem Abschluss, genießen nicht umsonst eine Ausbildung, deren Inhalt und per Staatsexamen nachgewiesen Befähigung deutlich über das in der Wikipedia zu findende Wissen hinausgeht.
Letzter Versuch: Warum liegt dir soviel daran, den Täter (noch) härter zu bestrafen, als er bestraft wurde?
14. Februar 2017 um 21:42 Uhr #282547Wen der niedere Beweggrund nicht im Gesetz steht, würde er bei der Abwegung doch immer Berücksichtigung finden, da er in die Rechts-Philosophie eingegangen ist. Wie sollte man das wieder rückgängig machen?
14. Februar 2017 um 21:54 Uhr #282549Letzter Versuch: Warum liegt dir soviel daran, den Täter (noch) härter zu bestrafen, als er bestraft wurde?
Weil seine Strafe nicht schuldangemessen ist.
- Diese Antwort wurde geändert vor 7 Jahren, 5 Monaten von Stadt_für_Kinder.
14. Februar 2017 um 22:01 Uhr #282553
AnonymNun, das sehen die bereits erwähnten Verfahrensbeteiligten anders, einschließlich dem BGH. Selbst eine Verfassungsbeschwerde vor dem „Sühne“ fordernden BVerfG würde keine härtere, sondern eher eine mildere Strafe zum Ergebnis haben.
Bist du bei jedem Urteil eines (Straf)Gerichts mit der Schuldangemessenheit unzufrieden? Oder nur in diesem einen Fall?
14. Februar 2017 um 22:26 Uhr #282558Ich bin jedenfalls sehr unzufrieden, wenn die vorsätzliche Tötung eines Menschen dazu führt, dass ein Täter weit mehr Leben in Freiheit vor sich hat, als das Opfer noch in Freiheit zu leben gehabt hätte. Irgendwas passt da nicht, da wie gesagt auch die Schuld eine entscheidende Rolle spielt (und nicht allein die Resozialisierung).
14. Februar 2017 um 22:36 Uhr #282559
AnonymAlte Menschen sind also weniger „wert“ als Kinder. Alte Täter werden demnach geringer bestraft als junge. Kranke (oder „kranke“) Menschen töten (Sterbehilfe, Euthanasie) ist nicht so verwerflich wie das Leben von gesunden, aussichtsreichen, „guten“ Menschen zu verkürzen.
Das ist ein Fass ohne Boden, Büchse der Pandora, wie auch immer. An dieser Frage haben sich schon Generationen von Philosophen, Theologen und Juristen abgearbeitet. Zum Glück ist ein großer Teil von deren Erkenntnissen dokumentiert. In der Bibliothek deines Vertrauens und teilweise auch auf den Webseiten deines Vertrauens gibt es dazu genug Lesestoff, um das Leben (in Freiheit oder Gefangenschaft) auszufüllen. Viel Spaß!
14. Februar 2017 um 23:42 Uhr #282561Grundsätzlich magst du recht haben, dass das Rechtsgut „Mensch“ in rechtlicher Hinsicht quantitativ nicht differenzierbar ist.
Dazu aber ein BGH-Richter aus der Praxis:
„In der Praxis kommt erst die Strafe, dann die Dogmatik. Es bedeutet: Erst „erfühlt“ das Gericht eine als „gerecht“ empfundene Strafhöhe, danach passt es die Wertungen und Feststellungen daran an. Das klingt zynisch, ist es auch, und überwiegend falsch. Aber nicht ganz. Denn hinter dem zynischen Spruch steckt eine Menge empirischer Wahrheit.“
http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-10/strafe-strafhoehe-strafprozess-fischer-im-recht/seite-4
14. Februar 2017 um 23:44 Uhr #282562Alte Menschen sind also weniger „wert“ als Kinder.
Kopf auf Nagel. Danke, @ronny
Muss ich nicht verheimlichen, dass ich auch dem Rest Deiner Ausführungen von Grund auf folge.
14. Februar 2017 um 23:55 Uhr #282563Alte Menschen sind also weniger „wert“ als Kinder.
Kopf auf Nagel. Danke, @ronny
Muss ich nicht verheimlichen, dass ich auch dem Rest Deiner Ausführungen von Grund auf folge.
Mehr noch: gut, dass du hier bist. -
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