Das Jahr 2024 ist ein Erich Kästner-Doppeljubiläum. Am 23. Februar war der 125. Geburtstag des Schriftstellers und am 29. Juli sein 50. Todestag. Aus diesen beiden Anlässen sind einige neue Buchtitel erschienen. Im Fokus standen dabei seine letzten Lebensjahrzehnte. Als Schöpfer von „Pünktchen und Anton“, „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Das doppelte Lottchen“ ist Erich Kästner Generationen von jugendlichen Lesern bekannt. Im Dritten Reich gehörte er zu den „verbrannten Dichtern“, aber im Gegensatz zu vielen seiner regimekritischen Kollegen emigrierte Kästner nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 nicht. Nicht Kästner war emigriert, seine Bücher waren es – sie konnten damals nur in der Schweiz erscheinen. Kästner hatte wohl unterschätzt, welche Dimensionen das „Dritte Reich“ annehmen werde.
Nach dem Kriegsende suchte er einen würdigen Platz im (west)deutschen Literaturbetrieb, doch er wurde meist nur als Kinderbuchautor angesehen. Der Germanist Gregor Eisenhauer beleuchtet nun in der mdv-Neuerscheinung „Emigrant des Lebens“ Erich Kästners letzte Jahre. Kästner, der nach Krieg in München lebte, stand nach 1945 unter Beobachtung, wurde als „Kulturbolschewist“ verdächtigt. Seine Freunde erwarteten von ihm einen großen Roman über die NS-Zeit. Er lieferte zwar das Theaterstück „Die Schule der Diktatoren“ (1956), doch es wurde kein Publikumserfolg.
Kästner flüchtete sich in seine Kindheitserinnerungen, mit der Autobiografie „Als ich ein kleiner Junge war“ in die glücklichen Jahre seiner Kindheit in Dresden. Eisenhauer zeigt an vielen Beispielen, wie Kästner trotzdem in vielen Schriften versuchte, die Realität des Krieges aufzuzeigen, die Menschen dafür zu sensibilisieren und die Pressefreiheit zu schützen. Doch nach Kästners Ansicht hatten die Menschen den Krieg allzu bald vergessen – was ihn sehr frustrierte und deprimierte. Immer wieder versuchte er, sich neu zu erfinden, doch es blieben meist nur seine alten Erfolge. So wandte er sich dem Alkohol zu und wurde mit der Zeit immer verbitterter. Die Neuerscheinung erzählt, „wie es dazu kam: dass einer, der allen Grund hatte, glücklich zu sein, einsam starb.“
Gregor Eisenhauer: „Emigrant des Lebens – Erich Kästners letzte Jahre“, Mitteldeutscher Verlag Halle 2024, 20,00 €, 200 S., ISBN 978-3-96311-957-6