Wer öffentliche Aufträge bekommen will, soll zukünftig mindestens 10,33 € Mindestlohn zahlen

30. Januar 2019 | Wirtschaft | 5 Kommentare

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann hat am Mittwoch in Magdeburg die ersten Eckpunkte zur Novellierung des Landesvergabegesetzes vorgestellt. „Die Novellierung ist notwendig, weil sich die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen seit Inkrafttreten des aktuell gültigen Landesvergabegesetzes Anfang 2013 stark verändert haben“, erläuterte Willingmann.

„Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen gut sechs Jahren deutlich leistungsfähiger geworden, die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen. Dennoch liegen die Verdienste in einigen Branchen lediglich auf Mindestlohn-Niveau, die Tarifbindung von Unternehmen ist sogar rückläufig. Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe sollte das Land insofern einen Beitrag dazu leisten, dass die Arbeitnehmer stärker von der positiven Entwicklung der Wirtschaft profitieren und für Unternehmen Anreize setzen, ihre Beschäftigten wieder nach Tarif zu bezahlen“, so der Minister. Weiter betonte Willingmann: „Angemessene Löhne dienen ganz wesentlich auch der Fachkräftesicherung. Wenn es uns nicht gelingt, in Sachsen-Anhalt attraktivere Arbeitsbedingungen zu bieten, wird der Fachkräftemangel weiter zunehmen und das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren empfindlich abbremsen.“

Minister für Vergabemindestlohn von 10,33 Euro pro Stunde

Nach den Vorstellungen des Ministers sollen öffentliche Aufträge für Bauleistungen oder andere Dienstleistungen deshalb grundsätzlich nur noch an Unternehmen vergeben werden, die entweder tarifgebunden sind oder sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistungen mindestens das am Ort tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen. Soweit ein Tarifvertrag bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht herangezogen werden kann, soll künftig ein vergaberechtlicher Mindestlohn greifen. Als Orientierung für die Höhe dieses Vergabemindestlohnes könnte künftig die Entgeltgruppe E1, Stufe 2, des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) dienen. Aktuell würde der Vergabemindestlohn damit bei 10,33 Euro pro Stunde liegen, der Monatsverdienst würde sich auf 1.797,44 Euro brutto belaufen. In den Folgejahren könnte der Mindestlohn in Anlehnung an die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst weiter steigen. „Mehr als die Hälfte aller Bundesländer, darunter auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, hat in den vergangen Jahren einen Vergabemindestlohn eingeführt. Thüringen wird mit einem Landesmindestlohn von 10,04 Euro nachlegen. Und in Brandenburg und Berlin wird über eine Anhebung auf 10,50 beziehungsweise 11,30 Euro diskutiert. Im Wettbewerb um Arbeits- und Fachkräfte muss Sachsen-Anhalt nachziehen“, forderte Minister Willingmann.

Nicht alle Branchen wären vom Vergabemindestlohn betroffen

Betroffen vom Vergabemindestlohn wären nach gegenwärtigem Stand unter anderem Unternehmen, die gastronomische Leistungen (Catering, Großküchen, Service) sowie Callcenter-Dienstleistungen erbringen. Vom Vergabemindestlohn nicht betroffen wäre fast die gesamte Bauwirtschaft sowie das Bauhandwerk (Maler, Dachdecker, Gerüstbauer …) in Sachsen-Anhalt, weil in diesen Branchen bereits tarifliche Mindestlöhne gelten, die höher sind als der Vergabemindestlohn.

Weitere Eckpunkte zum neuen Landesvergabegesetz

Schwellenwerte: Die Schwellenwerte, ab denen das Landesvergabegesetz greift, sollen in der 2013 festgelegten Höhe bleiben. Bei Bauaufträgen beträgt der Schwellenwert 50.000 Euro und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 25.000 Euro.

Prüfrechte: In einem noch zu bestimmenden Umfang oder anlassbezogen soll der öffentliche Auftraggeber verpflichtet werden, die Einhaltung der Vertragspflichten des Auftragnehmers und seiner Nachunternehmer zu überprüfen. Die Prüfung soll als Bestandteil der Prüfung der Richtigkeit der vom Auftragnehmer gestellten Rechnung und auch durch eine ausreichende Zahl von Stichproben erfolgen.

Weitere Kriterien: Das neue Vergabegesetz soll künftig eine Aufzählung der zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen über Mindestentgelte, die ILO-Kernarbeitsnormen und das Wettbewerbsregister enthalten. Bei der Möglichkeit der Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Kriterien im Vergabeverfahren soll neu aufgenommen werden, dass bei der Vergabe eines Auftrags die Anzahl der sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse beim Bieter hinterfragt werden darf. Auch die Frage der Beschäftigung Schwerbehinderter soll ergänzt werden.

Formularwesen: Ein wesentlicher Kritikpunkt, der sowohl von Vergabestellen als auch von Unternehmen und gewerblichen Kammern im Rahmen der Evaluation des aktuellen Vergabegesetzes vorgetragen wurde, bestand im komplizierten Formularwesen. Ziel im Rahmen der Novelle ist es insofern, das Formularwesen bei Ausschreibungen zu vereinfachen, unnötige Bürokratie abzubauen. Willingmann: „Bei der Entwicklung belastbarer Vergabeformulare im Stile eines Vergabehandbuchs wie auch bei der Untersetzung einzelner Kriterien setze ich auch auf die Wissenschaft.“

Die weiteren Kritikpunkte im Rahmen der Evaluierung waren allgemeiner, grundsätzlicher Natur, widersprachen sich aber auch diametral je nach befragter Interessengruppe“, erläuterte der Minister. „Arbeitgeberseitig wurde beispielsweise die Erhöhung der Schwellenwerte gefordert, arbeitnehmerseitig hingegen eine Absenkung. Mein Ziel ist es, jetzt für eine Novellierung zu werben, die ausgleichend unterschiedliche Interessen berücksichtigt und gleichzeitig den geänderten wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt.“

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