Unsaubere Praktiken im Visier: Mindestlöhne in Halle stärker kontrollieren

13. Januar 2022 | Wirtschaft | Ein Kommentar

 

Das Hauptzollamt in Magdeburg, welches auch für Halle (Saale) zuständig ist, hat im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 809 Arbeitgeber in der Region kontrolliert. Im Fokus der Fahnder stand dabei vor allem die
illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Verstöße gegen geltende Mindestlöhne. Allein Baufirmen bekamen somit 161 Mal Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt heute unter Berufung auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne) mitteilt.

Demnach hatten es die Magdeburger Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun: In der ersten Jahreshälfte leiteten die Beamten in der gesamten Region 261 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein – etwa weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Hierbei wurden Bußgelder in Höhe von rund 280.000 Euro verhängt. Davon 48.700 Euro gegen Bauunternehmen.

„Die Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen. Sowohl bei den speziellen Branchenmindestlöhnen wie auf dem Bau als auch beim gesetzlichen Mindestlohn.“, kritisiert Manfred Reuer, der stellvertretende Bezirksvorsitzende der IG BAU Sachsen-Anhalt Süd. Der Gewerkschafter begrüßt daher die Pläne der Ampel-Koalition, das gesetzliche Lohn-Minimum auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Allein in Halle dürften damit die Einkommen tausender Menschen spürbar steigen.

Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hielten und folglich auch für einen höheren Kontroll-Druck sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim Hauptzollamt Magdeburg personell erheblich aufgestockt werde.

„Klettert der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, verschwindend gering. Da muss man dann schon von reinen ,Placebo-Kontrollen sprechen!“, meinte Reuer.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts würden in Deutschland 7,2 Millionen Beschäftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro profitieren. „Das sind 7,2 Millionen Lohntüten, auf die der Staat zusätzlich einen Blick werfen muss.“, betonte Reuer.

Die IG BAU kritisiert zudem ein „staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei den Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben. So seien etwa die Arbeitsschutzbehörden, die über die Einhaltung der
Sicherheitsvorschriften und Standards bei Unterkünften ausländischer Beschäftigter wachen, personell unterbesetzt. Außerdem hätten sie im Zuge der Pandemie weitere Aufgaben bekommen. Hierzu zählte etwa die Kontrolle der Homeoffice-Verordnung.

Die FKS des Zolls hingegen kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen. Bei Verstößen verhänge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen. Bauarbeiter müssten sich dann aber um den Lohn, um den sie
geprellt wurden, selbst kümmern.

„Perspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als übergeordnete Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften sicherstellt.“, forderte der Gewerkschaftler. Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Gewerkschaften oder Betriebsräte Hinweise an die Arbeitsinspektion
herantragen, muss dies ebenfalls zu Ermittlungen führen.“ Er forderte deshalb: „Wir brauchen ein ‚Sündenregister‘ für Schwarzarbeit – eine öffentliche Kartei, in der die Betriebe aufgelistet werden, deren Geschäftsmodell auf illegaler
Beschäftigung und Lohn-Prellerei beruht!“

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