Streit um Mindestlöhne tobt weiter

19. September 2012 | Wirtschaft | 2 Kommentare

Tausende Sachsen-Anhalter arbeiten in Niedriglohnjobs, müssen ihre Löhne von der Arbeitsagentur aufstocken lassen. Mit Mindestlöhnen soll das verhindert werden. Sachsen-Anhalts Landesregierung hat sich nun geeinigt, im Wesentlichen eine entsprechende Thüringer Initiative im Bundesrat zu unterstützen. Allerdings will Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Beispiel, dass an bestehenden Tarifverträgen nicht gerüttelt wird.

Gegen die Pläne eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns spricht sich die die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) aus. Hintergrund ist eine angekündigte Bundesratsinitiative aus Thüringen. „Mindest¬löhne sind wirtschaftlich schädlich und sozial ungerecht, weil sie insbesondere ostdeutsche Unternehmen und geringqualifizierte Arbeitnehmer diskriminieren würden“, mahnt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Brockmeier. Kritik gibt es auch an der Haltung der sachsen-anhaltischen Landesregierung: „Gestern dagegen, heute dafür. Das ist das Gegenteil von wirtschaftspolitischem Verantwortungsbewusstsein. Wir appellieren, das Thüringer Modell im Bundesrat entschieden abzulehnen.“
Auf den ersten Blick mögen Mindestlöhne sozial gerecht erscheinen, so Brockmeier weiter. Tatsächlich sei das Gegenteil der Fall: „Ein Mindestlohn nützt nur dem, der ihn auch tatsächlich bekommt. Dies allerdings dürfte kaum auf alle Geringverdiener zutreffen, die heute Arbeit haben. Denn Mindestlöhne laufen auf ein Beschäftigungsverbot für Geringqualifizierte hinaus: Der Staat erklärt einfach alle Arbeitsverträge unterhalb einer gewissen Lohnschwelle für illegal. Geringqualifizierte haben es dann umso schwerer, überhaupt Arbeit zu finden, je höher diese Schwelle liegt. Es mag auch Profiteure dieser Regelung geben, aber dass sind sicher nicht die Ärmsten und Schwächsten, deren Beschäftigungschancen noch schlechter werden.“

Es seien auch Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen zu befürchten: Großunternehmen wären von gesetzlichen Mindestlöhnen praktisch nicht betroffen, weil sie meist ohnehin höhere Löhne zahlten. „Betroffen wären viele Kleinbetriebe, die in Ostdeutschland den Großteil des Unternehmensbestandes ausmachen und die meisten Arbeitsplätze stellen. Die Einführung von Mindestlöhnen käme einer gezielten Schwächung der Wirtschaft nach einer Himmelsrichtung gleich. Gerade ostdeutsche Landesregierungen sollten hieran eigentlich kein Interesse haben“, betont Brockmeier.
Mindestlöhne, so der IHK-Hauptgeschäftsführer, rütteten an den Grundfesten der Wirtschaftsordnung. Thomas Brockmeier: „Soziale Marktwirtschaft bedeutet zwei Dinge. Erstens: Preise setzt nicht der Staat oder eine Kommission, sondern sie entstehen durch Angebot und Nachfrage. Sonst wäre es keine Marktwirtschaft. Zweitens: Steuerfinanzierte Transfers sichern jedem ein menschenwürdiges Einkommen. Sonst wäre das nicht sozial. Insofern sind Mindestlöhne das Gegenteil von Sozialer Marktwirtschaft.“ Steuerfinanzierte, bedarfsgerechte Transfers in Verbindung mit positiven Anreizen zur Arbeitsaufnahme seien hingegen die sozial gerechtere und wirtschaftlich vernünftigere Form der sozialen Sicherung, so Brockmeier abschließend.

„Der Ministerpräsident verrät die Interessen der heimischen Wirtschaft und macht sich selbst zur tragischen Figur der Landesregierung“, erklärte Veit Wolpert, Landesvorsitzender der FDP, zur Kursänderung des Regierungschefs beim Mindestlohn. Die berechtigten Interessen der sachsen-anhaltischen Wirtschaft seien inzwischen heimatlos in der Landesregierung. „Der Ministerpräsident scheint sich aufs Präsidiale beschränken zu wollen. Politik im Kabinett macht offenbar nur die SPD. Anders lässt sich das erneute Wegducken vor dem Koalitionspartner nicht erklären. Der Ministerpräsident ist nachhaltig geschwächt“, sagte Wolpert. Mindestlöhne sind nach Auffassung der Liberalen Gift für den Arbeitsmarkt. „Mindestlöhne, die über dem Marktpreis liegen, vernichten Arbeitsplätze oder sie sind, sofern sie unter dem Marktpreis liegen, wirkungslos. Wichtig ist, Einstellungshemmnisse durch eine Modernisierung des Kündigungsschutzgesetzes abzuschaffen“, so der FDP-Landeschef abschließend.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas, hat betont, dass es in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft keine „arbeitsplatzvernichtenden“ Mindestlöhne geben wird. „Das war immer so und das bleibt auch so, unabhängig von der Interpretation und den Wunschvorstellungen der Opposition. Wir stehen für existenzsichernde Löhne unter Wahrung des Grundsatzes der Lohnfindung durch die Tarifpartner ein. Natürlich gibt es das politische Bekenntnis aller Parteien und Landesregierungen, dafür zu sorgen, dass Löhne auskömmlich sind. Diese dürfen aber nicht am grünen Tisch und losgelöst von regionaler und branchenspezifischer Leistungsfähigkeit erfolgen. Die CDU steht seit Konrad Adenauer für die Stärkung der Tarifautonomie. Der billige Versuch der Opposition, einen Keil in die Regierungsfraktionen zu treiben, ist erneut gescheitert“, so Thomas.

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