Atomkraft ist Geschichte – jetzt gilt es den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu beschleunigen

18. April 2023 | Wirtschaft | Ein Kommentar

Am vergangenen Samstag wurden die letzten drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland wie geplant vom Netz genommen. Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann begrüßte den Vollzug des bereits 2011 vom Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossenen Atomausstiegs, forderte aber den Bund auf, nun auch den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu beschleunigen.

„Atomkraft war auch in hoch entwickelten Ländern immer riskant und teuer. Sie ist inzwischen für die Absicherung der Energieversorgung in Deutschland nicht notwendig und hat auch aufgrund der europäischen Regulatorik auf den Strompreis keine signifikant bremsende Wirkung. Deshalb ist es nur konsequent, den nach der Fukushima-Katastrophe gefassten Beschluss des Bundestages aus der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel umzusetzen und jetzt aus der Atomkraft auszusteigen.“, erklärte Willingmann hierzu. „Wir werden noch Jahrzehnte mit der Frage befasst sein, wo der radioaktive Müll aus 60 Jahren Nutzung der Kernkraft dauerhaft in Deutschland entsorgt wird. Zugleich erwarte ich, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeitnah darlegt, wie der Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke – die für unsere Industriegesellschaft unverzichtbar sind – beschleunigt werden soll.“

Willingmann verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundeskanzlers vom 17. Oktober 2022. Olaf Scholz hatte mittels seiner Richtlinienkompetenz nicht nur die Diskussion um die Laufzeitverlängerung der am Netz verbliebenen Atomkraftwerke beendet. Der Kanzler kündigte in seinem Schreiben an die Bundesminister Habeck, Lemke und Lindner zugleich an, dass die Bundesregierung die Voraussetzung für den Zubau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke schaffen werde. „Das war keine Floskel! Auch wenn wir unseren Strombedarf aktuell ohne Atomkraft decken können, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wir in den kommenden Jahren nach dem Ende der Steinkohle-Förderung in Deutschland auch aus der energetischen Nutzung der Braunkohle aussteigen wollen, zugleich aber der Strombedarf beispielsweise durch die Elektrifizierung des Verkehrs weiter steigt.“, so der Minister. „Deshalb teile ich die Auffassung des Bundeskanzlers, dass wir flexibel steuerbare und zugleich wasserstofffähige Gaskraftwerke benötigen, die zum Einsatz kommen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Hierfür müssen jetzt die Weichen gestellt werden.“

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte jüngst angekündigt, eine Kraftwerksstrategie vorlegen zu wollen. Ersten Überlegungen zufolge sollen durch Modernisierung älterer Gaskraftwerke und Ersatz von Kohleanlagen bis zu 25 Gigawatt an steuerbaren Kraftwerken gebaut werden. Branchenverbände gehen aktuell davon aus, dass durch den Atom- und Kohleausstieg bis 2031 mindestens 15 Gigawatt an gesicherter Leistung wegfallen.

„Wir werden hierzu mit dem Bundeswirtschaftsministerium im Austausch bleiben und das Thema auch bei der Energieministerkonferenz im September 2023 in Wernigerode wieder auf die Agenda setzen.“, erklärte Willingmann. Der Minister ist in diesem Jahr der Konferenzvorsitzende.

Der Anteil von Atomstrom am deutschen Energiemix lag im Januar und Februar 2023 lediglich bei vier Prozent, im Jahr 2022 bei maximal 6,5 Prozent. Berechnungen des Öko-Instituts zufolge führte der „Streckbetrieb“ der verbliebenen Kernkraftwerke lediglich zu einer Senkung des Strompreises von 0,5 bis 0,8 Prozent, das IFO-Institut hatte zuvor mit einem positiven Preiseffekt von vier Prozent kalkuliert. Die Verbraucherzentralen gehen davon aus, dass sich die Strompreise trotz des Atomausstiegs weiter entspannen. Sie rechnen mit Preisen leicht oberhalb der 30-Cent-Marke.

Aktuell sind ausreichend Kraftwerkskapazitäten in Deutschland vorhanden, um die Stromversorgung sicherzustellen. So lag die maximale Stromlast zuletzt mit 80 Gigawatt deutlich unterhalb der verfügbaren gesicherten Kapazität der Gas- und Kohlekraftwerke von 100 Gigawatt. Diese Ausgangslage hat dazu geführt, dass Deutschland in erheblichen Umfang die durch den Ausfall von französischen Kernkraftwerken eingetretene Energieknappheit im Nachbarland Frankreich auffangen musste und konnte.

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