72 Apotheken in Sachsen-Anhalt unverschuldet in Finanznöten

12. November 2020 | Natur & Gesundheit, Politik, Wirtschaft | Keine Kommentare

 

Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, jede vorgelegte ärztliche Verordnung auch tatsächlich zu beliefern. Sie gehen dabei in finanzielle Vorleistung, denn sie müssen alle abgegebenen Arzneimittel zunächst selbst bezahlen. Um ihr Geld für diese Arzneimittel dann zurückzuerhalten, nehmen viele die Hilfe von Rechenzentren in Anspruch. Diese bilden eine Schnittstelle zwischen Apotheken und Krankenkassen. Sie werden von den Apothekern beauftragt, die Rezepte zu digitalisieren und zusammengefasst mit den Krankenkassen abzurechnen. Die von den Krankenkassen überwiesenen Gelder werden dann an die einzelnen Apotheken ausgezahlt. Dieser Abrechnungsprozess ist durch Vorgaben des Gesetzgebers und der Krankenkassen für viele Apotheke so komplex, dass sogar auf die Hilfe von einem Rechenzentrum angewiesen sind, um den Abrechnungsprozess leisten zu können.

– Was aber, wenn ein Rechenzentrum plötzlich selbst von Insolvenz bedroht ist? – So geschehen nun bei einem der bundesweit größten Rechenzentren AvP Deutschland GmbH.

Die Folge ist, dass bundesweit aktuell ca. 2.900 Apotheken gleich mit von Insolvenz betroffen sind, weil die Versichertengelder dort nicht angekommen sind. Auch in Sachsen-Anhalt sind 72 Apotheken direkt betroffen und nun unverschuldet in Finanznöten.

Schon Ende September wurde Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff schriftlich um ein Gespräch gebeten, um die Politik auf die prekäre Situation der betroffenen Apotheken aufmerksam zu machen, die Besonderheiten von
Rezept-Abrechnungen zu erläutern und Unterstützung zu fordern.

„Wir konnten die Politik über die Besonderheiten der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen sensibilisieren und haben nach Wegen für finanzielle Hilfen gesucht. Bisher stehen den Betroffenen nur die bundesweiten KfW-Kreditprogramme zur Verfügung, die aber nicht so leicht und wenn überhaupt, dann nur mit einem hohen bürokratischen Aufwand über die Hausbank zu bekommen sind“, erklärte Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt.

„Der ersatzlose Ausfall einer ganzen Monatsabrechnung ist für nahezu jeden Apothekeninhaber existenzbedrohend. In der stark regulierten Arzneimittelversorgung tragen die Apotheken ohnehin ein großes finanzielles Risiko bei seit Jahren kaum angepassten Honoraren. Rabattverträge, Lieferengpässe, Retaxationen (Zahlungsweigerungen der
Krankenkassen) und die Vorfinanzierungskosten für immer mehr hochpreisige Arzneimittel belasten die wirtschaftliche Situation ohnehin schwer.“, erklärte  Ursula Gütle, Vorstand des Landesapothekerverbandes
Sachsen-Anhalt. „Hier muss in absehbarer Zeit unbedingt etwas geschehen!“

Der Ministerpräsident Haseloff betonte nun, wie wichtig ihm die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken insbesondere im ländlichen Raum sei. Darum wolle er die Unternehmen gern wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen. In einem ersten Schritt wurde daher vereinbart zu klären, welche Betriebe durch die AvP-Insolvenz akut in ihrer Existenz bedroht sind. In der Folge können dann im Einzelfall zielgerichtete Maßnahmen geprüft werden.

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